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13.05.06 / Kein Dank zum Muttertag / Die Politik geht nicht angemessen auf die Bedürfnisse der Familien ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. Mai 2006

Kein Dank zum Muttertag
Die Politik geht nicht angemessen auf die Bedürfnisse der Familien ein
von Jürgen Liminski

Alle reden über die Mütter. Schließlich ist Muttertag, und da muß man mit breitem Lächeln, schönen Worten und riesigen Aktionen eingängige Slogans übertönen wie "Rente statt Rosen" oder "Mutterliebe statt Fremdbetreuung". Wo käme Vater Staat hin, wenn er die Mütter selber reden ließe? Aber genau das hat sich eine Umfrage vorgenommen. Anläßlich des Muttertages stellte "Emnid" im Auftrag der "welcome GmbH" 1000 Müttern zwischen 18 und 60 Jahren zehn Fragen zu ihrer Lebenssituation.

Die Ergebnisse dieser repräsentativen Umfrage überraschen in vielen Punkten. Eine Frage war: Sind deutsche Mütter faul? Nach dem Familienbericht der Bundesregierung, der Ende April vorgestellt wurde und der Hausfrauen und Müttern ein Mehr an Freizeit bescheinigte (ohne das zu belegen), konnten sich die zuständige Ministerin und einige Experten Bemerkungen nicht verkneifen, die nahelegten, deutsche Mütter seien schlicht faul. Zu dieser Frage sagen die Mütter selbstbewußt: Nein. Denn 89 Prozent aller Mütter nehmen keine bezahlte Hilfe im Haushalt in Anspruch, zum Beispiel beim Putzen oder Einkaufen - egal ob sie berufstätig sind oder nicht. Ein zweites überraschendes Ergebnis, das auch etwas mit dem ersten zu tun hat: Die größte Alltagsbelastung stellen für die deutschen Mütter Geldsorgen dar. Jede dritte Mutter sieht darin ihre größte Sorge, in den neuen Bundesländern sind es sogar 53 Prozent. Erst danach kommt der Haushalt (22 Prozent) und die mangelnde Kinderbetreuung (15 Prozent). Das stimmt übrigens mit Befunden von "Allensbach" überein, die vor anderthalb Jahren die Kinderlosen befragt hatte, was geschehen müsse, damit sie Kinder bekämen. 47 Prozent sagten, die Finanzen müßten verbessert werden, damit man nicht verarmt, und nur 14 Prozent sagten, die Betreuungssituation müßte gewährleistet sein.

Ein weiteres überraschendes Ergebnis, vermutlich für die Politik überraschender als für die Mütter: Jede zweite Mutter (55 Prozent) ist der Meinung, daß Mütter bis zum Kindergartenalter der Kinder zu Hause bleiben sollen. Sie stellen die eigene Berufstätigkeit hinter das Wohl ihrer Kinder zurück, aber nur 6 Prozent sind der Meinung, daß Mütter generell nicht berufstätig sein sollen. Da ist kein Widerspruch. Wer selbst seine Kinder erzieht (und das nicht nur beim Volk versucht), weiß natürlich, daß schon die Präsenz der Mutter gerade in den ersten Jahren nicht ersetzbar ist und daß Frauen, die ihre Kinder erzogen haben, gerne während der Schulstunden morgens auch anderen Beschäftigungen als dem Haushalt nachgehen. Das sind Binsenweisheiten, die die Ideologen in der Politik dann auf Totschlagargumente reduzieren wie "Ihr wollt die Frauen an den Herd binden". Es ist müßig, auf die Kochphobie der Ideologen einzugehen, die übrigens nur bei Müttern gilt, bei Männern wie Alfred Biolek offenbar nicht. Und natürlich wünschen sich die meisten Mütter auch, daß der Vater Anteil nimmt an der Erziehung, auch in den ersten Monaten und Jahren des Kindes. Die meisten Väter tun dies auch, so wie sie können. Da braucht es keine finanziellen Extra-Karotten.

Die Ergebnisse der Emnid-Umfrage faßt die Initiatorin von "welcome" und der Mütterumfrage Rose Volz-Schmidt so zusammen: "Wer eine mütterfreundliche Familienpolitik will, muß sehr viel differenzierter über Förderungsmaßnahmen nachdenken, als das bisher in der Diskussion erkennbar ist. Die Befindlichkeit von Müttern hängt von sehr vielen Faktoren ab - Ausbildung, Wohnort, Alter der Kinder oder Einkommen. Wenn man Frauen mit Kindern fördern möchte, muß man nicht nur für flexiblere Betreuungsangebote sorgen, sondern auch von Arbeitgeberseite Modelle entwickeln, die den Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf ermöglichen." Und, so möchte man hinzufügen, auch den Vätern ermöglichen, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Ein zweites aktuelles Mütterdatum kommt aus Amerika. Arbeitsmarktexperten haben die Arbeit der Hausfrau und Mutter mit zehn anderen Berufen verglichen, Berufe, die die Hausfrau und Mutter eben auch ausfüllt, und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß das Gehalt rund 134000 US-Dollar betragen müßte. Mit anderen Worten und umgerechnet: Rund 9000 Euro pro Monat ist die Management-Tätigkeit der Hausfrau und Mutter wert. Aber damit ist die Familienmanagerin noch unterbezahlt. Denn Mütter arbeiten 24 Stunden pro Tag und wenn es sein muß noch eine 25. Stunde. Sie machen Unmögliches möglich.

Das ist die Wirklichkeit. Dagegen stehen die Sprechblasen und Versprechungen der Politik. Auch das Elterngeld wird ja ausdrücklich nicht als Anerkennung der Haus- und Erziehungsarbeit gesehen, sondern nur als Ersatz für entgangenen Lohn. Dabei wäre es nicht teurer gewesen, auch mal diese Arbeit anzuerkennen. Man hätte sich dabei nur auf das Bundesverfassungsgericht zu berufen brauchen, das diese Arbeit als gleichwertig mit der Erwerbsarbeit ansieht, und man hätte sagen können, dies ist ein erster Schritt. Aber dagegen steht die Ideologie, wonach nur die äußerhäusige Erwerbsarbeit wirklich anerkennenswerte, das heißt auch honorierbare Arbeit sei.

Papst Johannes Paul II. hat die Arbeit der Hausfrau und Mutter wiederholt gewürdigt und in seinem Brief an die Familien vom 2. Februar 1994 auch als lohnwürdig anerkannt. In diesem Brief schreibt er: "Die Mühen der Frau, die, nachdem sie ein Kind zur Welt gebracht hat, dieses nährt und pflegt und sich besonders in den ersten Jahren um seine Erziehung kümmert, ist so groß, daß sie den Vergleich mit keiner Berufsarbeit zu fürchten brauchen. Das wird klar anerkannt und nicht weniger geltend gemacht als jedes andere mit der Arbeit verbundene Recht. Die Mutterschaft und all das, was sie an Mühen mit sich bringt, muß auch eine ökonomische Anerkennung erhalten, die wenigstens der anderer Arbeiten entspricht, von denen die Erhaltung der Familie in einer derart heiklen Phase ihrer Existenz abhängt."

Hinter diesen Worten verbirgt sich ein wirklich revolutionäres Programm. Ein Erziehungslohn für Mütter, wofür der Papst hier eintritt, wäre ein Hebel, ein Instrument für eine wirkliche Strukturreform der Gesellschaft. Die sogenannte Gerechtigkeitslücke zwischen Familien mit Kindern und den bewußt Kinderlosen würde halbwegs geschlossen, die Leistung der Mütter würde anerkannt, es gäbe Renten für eine Lebensleistung statt Rosen zum Muttertag. Nichts gegen Rosen, aber davon wird keiner satt. Auch die Gesellschaft insgesamt nicht. Ein Erziehungslohn hätte außerdem Folgen für den Arbeitsmarkt, er würde helfen, der Verwahrlosung so vieler Kinder und Jugendlicher gegenzusteuern, er würde helfen die Gewaltbereitschaft unter den Jugendlichen zu reduzieren, er würde dazu beitragen, die Solidarität unter den Generationen zu beleben und zu festigen, es würde die Familien stärken und damit auch die Gesellschaft. "Eine starke Nation", hat Johannes Paul II. 1995 vor der Uno gesagt, "besteht immer aus starken Familien".

Es gibt einige Modelle zum Erziehungs- und Pflegelohn, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Die Politik allerdings traut sich nicht, dieses zukunftsweisende und angesichts des demographischen Niedergangs möglicherweise auch notwendende Thema aufzugreifen, noch nicht einmal, wenn es kostenneutral wäre, was ja die übliche Forderung bei familienpolitischen Maßnahmen ist. Vor acht Jahren fand im Frankfurter Römer sogar ein europäischer Fachkongreß zur Aufwertung der Erziehungsarbeit statt mit einer anschließenden Festversammlung in der Paulskirche, auf der auch der damalige Ministerpräsident von Sachsen, Prof. Kurt Biedenkopf, sprach. Die Idee ist nicht neu, aber sie war wahrscheinlich nie so nötig wie heute.

Victor Hugo hat einmal gesagt: "Nichts, auch keine Armee, ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist." Wir haben Revolutionen gehabt, sie haben zur Einführung und Etablierung von Rechten geführt, im Bereich der Arbeit, der Ausbildung, der Politik. Aber was nützt der schönste gesellschaftliche Baum, wenn die Wurzeln verdorren? Es ist zu hoffen, daß die Zeit für eine Idee wie den Erziehungslohn gekommen ist. Er könnte wieder Wasser und Lebenskraft spenden. Das Elterngeld ist da nur ein Tropfen auf ausgedörrten Boden. Das haben viele Familien erkannt. Derzeit läuft eine Kampagne unter dem Stichwort "Familie sind wir" (www.familie-sind-wir.de), die geeignet ist, auch mal die Stimme der Familien, der Hausfrauen und Mütter in der Politik zu Gehör zu bringen. In einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel heißt es zum Beispiel: "Familien in Deutschland sind im allgemeinen friedfertig. Wir haben auch keine Zeit für Protestaktionen. Aber man sollte uns nicht unterschätzen, schon gar nicht, wenn wir nichts oder nicht mehr viel zu verlieren haben, und ein Trend zu weiterer Ausbeutung zugunsten Kinderloser erkennbar ist. Unter uns sind im übrigen nicht wenige Mütter, auch Akademikerinnen, die sich sehr bewußt für die Familienarbeit entschieden haben, solange ihre Kinder klein sind. Denn wir wissen, daß es originäre mütterliche und familiäre Aufgaben gibt, wie Liebe schenken und Urvertrauen bilden, die keine noch so gut ausgebildete staatliche Pädagogin an unserer Stelle übernehmen kann und soll. Ja, wir Frauen wollen beides, Mutterschaft und Erwerbsberuf, aber nacheinander! Bei einer Lebenserwartung von über 80 Jahren ist dafür genügend Zeit. Wir sind weder bereit, das Wohl unserer Kinder dafür zu opfern, noch uns selbst und unsere Gesundheit ausbeuten zu lassen zugunsten des staatlich propagierten Doppelverdienermodells. Unsere Forderungen im einzelnen sind als Anlage beigefügt. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, dies ist keine Bitte um Almosen, wir wollen Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist das Brot des Volkes!"

Die Politik scheint unfähig, den gesellschaftlichen Umbruch, den wir heute erleben, den Wandel der sozialen Systeme zu meistern. Im Mittelpunkt der Verwerfungen steht die Arbeit als Konstante der "conditio humana". Sie ist die Schnittstelle der Weltanschauungen, der archimedische Punkt, von dem aus die Gesellschaft der Zukunft in den Blick genommen werden könnte. Sie hat nicht nur eine objektive Dimension als Produktionsfaktor, sondern auch eine subjektive, weil der Mensch sich selbst durch die Arbeit verwirklicht. Die Arbeit, jede Arbeit schafft einen Mehrwert des Humanum, vergrößert das Humanvermögen einer Gesellschaft. Aber nicht jede Arbeit wird honoriert. Am wenigsten die Arbeit, die am meisten Humanvermögen schafft - die Erziehungsarbeit. Eine Aufwertung der Erziehungsarbeit tut not. Deshalb muß die Kulturrevolution im globalen Dorf an der Familie ansetzen, wenn sie gut enden soll.

Das Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit meinte einmal zu rot-grünen Zeiten lapidar: "Für die Bundesregierung ist der familienpolitische Idealzustand erreicht, wenn alle Kinder in einer öffentlichen Betreuungseinrichtung unterkommen und beide Eltern Teilzeit arbeiten können." Das Wort gilt auch heute. Aber dieser Denkansatz geht, so das Heidelberger Büro treffend, "an der Lebensrealität der meisten Familien vorbei". Teilzeitarbeit können sich gerade junge Familien finanziell nicht leisten, weshalb ja auch nur in zwei von hundert Fällen der Mann die "Erziehungszeit" in Anspruch nimmt. Familienpolitik ist in Deutschland zur reinen Symbolpolitik heruntergekommen. Darauf hat vor einigen Jahr schon der bekannte Bielefelder Familienforscher und Soziologe Professor Franz Xaver Kaufmann hingewiesen. Das sei die "Achillesferse des Sozialstaates" und keine Sache der Finanzen, "sondern der Mentalitäten". Die deutsche Wirtschaft und ihre Manager würden das Resultat in Gestalt von mangelndem Humankapital und fehlender Binnennachfrage in den nächsten Jahren "schmerzlich zu spüren bekommen".

Man kann das auch anders sehen: Der Mangel an Mütterlichkeit sowie an Familien- und Gemeinsinn wird spürbar. Solidarität, Teilen und Lieben, soziales Verhalten - all das lernt man eben zuerst und vor allem in der Familie. Wenn die Familie zerfällt, weil die totalitäre Arbeitswelt es den Müttern zu schwer macht, weil die Schulen nicht mehr mitziehen, weil die Politik mehr auf die lauten Randgruppen denn auf die stillen Säulen der Gesellschaft achtet, dann darf man sich nicht wundern, daß es immer weniger Mütter - übrigens auch Väter - gibt. Und daß die Gesellschaft daran krankt.

Familie ist eine Herzensangelegenheit, sie ist die Beziehungsgrundlage des Lebens, sie ist der Raum, in dem Liebe lebt. Solche und ähnliche - richtigen - Worte hört man am Muttertag zuhauf. Und ab Montag gelten dann wieder die Vorbehalte der Steuerschätzung und die Vorurteile gegenüber dem Beruf der Hausfrau und Mutter. Man könnte sich fast daran gewöhnen. Aber das Humanvermögen ist wie die Umwelt keine Ressource, die man endlos ausbeuten könnte. Die Familie stirbt wie der Wald. Die Politiker operieren hier am offenen Herzen der Gesellschaft - und sie wissen es nicht.

Elterngeld ist nicht Anerkennung, sondern Ersatz

Der Mangel an Gemeinsinn wird spürbar

Für viele Mütter ist es ein seltener Luxus, intensiv Zeit mit den Kindern zu verbringen. Foto: Waldhaeusel


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