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13.05.06 / Nikolaikirche als Reklameträger / Kirchenrat entscheidet sich für kommerzielle Nutzung und verzichtet auf Fördergelder

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. Mai 2006

Nikolaikirche als Reklameträger
Kirchenrat entscheidet sich für kommerzielle Nutzung und verzichtet auf Fördergelder
von Rebecca Bellano

Darf eine Kirche als Reklamewand mißbraucht werden? Diese Frage bewegt derzeit die Potsdamer, deren Nikolaikirche für ein Jahr als Werbefläche Geld für die Sanierung von drei Seitenwänden und der beiden Glockentürme einbringen soll.

Joachim Uhlig, der Geschäftsführer der Gemeinde, hat zwar darauf hingewiesen, daß die Entscheidung nicht einfach gewesen sei, doch die Komplettsanierung des Schinkelbaus sei nicht weiter hinauszuzögern und die Umwandlung als Werbeträger während der Sanierungsarbeiten sei eben eine lukrative Einnahmequelle. Hierbei verzichtet die Kirchengemeinde sogar auf 50000 Euro Förderung durch die "Deutsche Stiftung Denkmalschutz", da diese keine Zuschüsse zahlt, wenn zugleich Werbung am Denkmal hängt. "Wir haben schweren Herzens auf das Geld verzichtet, hoffen aber, durch die Werbung ein Mehrfaches einzunehmen", so Joachim Uhlig gegenüber der Presse.

Der größte Protest kommt jedoch keineswegs von den Potsdamern, vor deren Augen 2200 Quadratmeter Baugerüstfläche demnächst von Reklame überzogen sein werden, sondern von der "Deutschen Stiftung Denkmalschutz". Man halte es "für bedenklich, daß ein bedeutendes Bauwerk wie Friedrich Schinkels Nikolaikirche zur Werbefläche degradiert wird", hieß es von dort, wo man bereits die Sanierung der Ostfassade mit 102000 Euro unterstützt hatte.

Die Entscheidung des Kirchengemeinderates ist allerdings unter finanziellen Gesichtspunkten verständlich. So verschlingen die noch ausstehenden Sanierungsarbeiten gut zwei Millionen Euro. Zwar würde der Bund aufgrund des frisch zuerkannten Status' der Nikolaikirche als "national wertvolles Kulturdenkmal" 385000 Euro beisteuern, doch die dann immer noch übrigbleibende Finanzlücke müßte anders gestopft werden. Werbegelder sind da neben Spenden eine Möglichkeit, die eben ein Ausbleiben der Gelder von seiten der "Deutschen Stiftung Denkmalschutz" mit sich bringt.

Schon einmal hatte die Nikolaikirche in Potsdam lange darauf warten müssen, in alter Schönheit neu zu erstrahlen. Nachdem der vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. 1721 nach Plänen des Hofbaumeisters Philipp Gerlach in Auftrag gegebene Barockbau 1795 bei einem unvorsichtigen Umgang mit Lötfeuer bei einer Turmreparatur völlig abgebrannt war, mußten die Potsdamer lange Zeit ohne ihre Nikolaikirche leben. Zwar waren schon 1796 von Michael Boumann d. J. und von Friedrich Gilly, dem Lehrer von Karl Friedrich Schinkel, Pläne zum Wiederaufbau ausgearbeitet worden. Doch das Projekt kam nur schleppend voran. 1806, nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon kamen die Arbeiten sogar ganz zum Erliegen.

Erst 30 Jahre nach dem Vorschlag seines inzwischen verstorbenen Lehrers erhielt Schinkel von König Friedrich Wilhelm III. den Auftrag, eigene Pläne zu entwickeln. Dieser hielt sich an die Angaben seines Vorgängers, arbeitete aber noch Anregungen aus Paris und London mit ein, wo er das Pantheon und die St. Pauls-Kathedrale besucht hatte. 1830 begannen endlich die Bauarbeiten an der neuen Nikolaikirche, die durch ihr flaches Satteldach und den südlich vorgelagerten Portikus mehr an einen antiken Tempel als an eine Kirche erinnert. Sieben Jahre später folgte die Einweihung.

Der Gemeindekirchenrat hat nun entschieden, daß der Schinkelbau für ein Jahr von Werbung verhüllt wird, damit er so schnell wie möglich wieder in alter Schönheit erstrahlen kann.


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