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13.05.06 / Verzettelt / Balkan-Politik weiter auf dem Holzweg

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. Mai 2006

Verzettelt
Balkan-Politik weiter auf dem Holzweg
von R. G. Kerschhofer

Milan Parivodic, der serbische Minister für internationale Wirtschaftsbeziehungen, war nicht zu beneiden bei der Podiumsdiskussion in der Bundeswirtschaftskammer in Wien. Denn Stunden davor hatte die EU beschlossen, die Assoziierungsverhandlungen mit Serbien auszusetzen, weil das Ultimatum zur Auslieferung von Mladic an das Haager Tribunal abgelaufen war. Parivodic schlug sich trotzdem wacker - schließlich ging es darum, Investoren anzulocken. Und so wurden Erfolgsmeldungen herunterspult.

Mehr als die Serben selbst trifft das Verstreichen des Ultimatums aber andere: Da hatte man das Haager Justiz-Spektakel inszeniert und extra ein paar Kroaten und Albaner einsperren lassen - alles um der Welt zu beweisen, daß Kriegsverbrecherprozesse keine Sieger-Justiz seien. Und dann stirbt ausgerechnet der Oberserbe Milosevic weg, und Ersatzmann Mladic läßt auf sich warten! Von Karadzic war zuletzt gar nicht mehr die Rede.

Betroffen ist auch die "Entente", die unter dem Tarnwort "Westbalkan" ein Neo-Jugoslawien schaffen will, um dieses dann als Ganzes in die EU aufzunehmen: Nicht nur daß man die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien nicht länger verhindern konnte, weil Washington die Adria-Häfen Split und Pula für die Nato braucht, muß man jetzt auch noch Serbien irgendwie bestrafen! Nein, eigentlich Serbien-Montenegro - und damit liefert man Montenegro einen weiteren Grund, die von der EU aufgezwungene Union mit Serbien zu kündigen.

Auch sonst haben die letzten zwei Wochen einiges zu bieten: Bei der vierten Runde der Kosovo-Gespräche in Wien blieb das Kernproblem, die Status-Frage, neuerlich ausgeklammert, während man sich mit der Lokal-Autonomie verzettelte. Indessen lassen die USA immer klarer erkennen, daß sie die volle Unabhängigkeit des Kosovo wollen - allerdings in den von Tito gezogenen Grenzen mit allen daraus resultierenden ethnischen Problemen. Aber es geht eben nicht um die Völker, sondern um die Bodenschätze des Kosovo.

In Bosnien-Herzegowina herrscht großer Frust über das endgültige Scheitern einer Verfassungsreform. Das einst unter US-Ägide ausgehandelte Verfassungs-Konstrukt ist nämlich derart kompliziert, daß die Wirtschaftsentwicklung leidet. Das (uneingestandene) Hauptproblem ist allerdings der Mangel eines gesamtstaatlichen Identitätsgefühls in dem Kunstgebilde Bosnien-Herzegowina. Zwischenzeitlich war sogar noch ein Grenzkonflikt zwischen dem Kunstgebilde Makedonien und dem demnächst "selbständigen" Kunstgebilde Kosovo neu aufgeflammt. Materiell ging es zwar um fast nichts, aber Makedonien wollte eine Lösung noch vor Klärung des Kosovo-Status, die anderen erst danach.

Es gibt also jede Menge Anschauungsmaterial dafür, daß die Balkan-Politik auf dem Holzweg ist. Die Konsequenzen? Keine!


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