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13.05.06 / War Tannenberg 1410 gar kein Desaster? / Die heutige Geschichtsschreibung über die Schlacht des Deutschen Ordens mit Polen-Litauen bedarf der Revision

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. Mai 2006

War Tannenberg 1410 gar kein Desaster?
Die heutige Geschichtsschreibung über die Schlacht des Deutschen Ordens mit Polen-Litauen bedarf der Revision
von Ulrich Baron von Behr

In der heutigen Geschichtsschreibung über die Schlacht von Tannenberg im Jahre 1410 werden die politischen und militärischen Überlegungen der Deutschen Ordensführung unter Ulrich von Jungingen zwar durchaus unter unterschiedliche, aber doch meist negativ beurteilt. Dabei lautet der Vorwurf, daß die militärischen Gegebenheiten des potentiellen Gegners falsch beurteilt worden seien, was 1410 zu einer vernichtenden Niederlager des Ordens geführt habe.

Nach der Auswertung der diesbezüglichen Quellen läßt sich jedoch sagen, daß die Ordensführung sich sowohl über die Stärke des Gegners als auch die eigene Schwäche und die zur Verfügung stehende Zeit für Maßnahmen, das zu ändern, sehr wohl bewußt war.

Daher wies die Ordensführung den livländischen Teil des Ordens an, einen Teil des Ordensheeres nach Ostpreußen zu entsenden und beschloß eine beschleunigte Rüstung und Planung von Marschzeiten unter Berücksichtigung der geopolitischen Gegebenheiten der Polanger Enge. (Da diese Landverbindungen an der Küste zwischen Niederbartau und Polangen nur rund 50 Kilometer breit war, war es den Litauern ein leichtes,, sie zu sperren und dadurch zumindest das Erscheinen des livländischen Ordensheeres in Ostpreußen zu verzögern.)

Diese Entscheidung von Ordensmeister Jungingen zeugt von einer richtigen Beurteilung der Lage und zeitgerechter Planung. (In den allgemeinen Veröffentlichungen zu diesem Thema findet man das nicht, vielmehr werden Jungingen ganz im Gegenteil weitgehend unsichere Spontanentschlüsse unterstellt.)

Die Befürchtungen seitens der Ordensführung bewahrheiten sich, denn bei Annäherung der livländischen Ordensteile unter dem livländischen Landmeister Bernt Hevelmann wirft der Großfürst Witthold von Litauen in der Polanger Landenge dem Ordensheer eine litauische tartarische Streitmacht entgegen.

Dem livländischen Ordensheer gelingt es aber, den Durchmarsch kämpferisch zu erzwingen. Es wird sogar ein Waffenstillstand zwischen Hevelmann und Witthold geschlossen.

Das livländische Ordensheer erfährt im Raume Königsberg vom Ausgang der Schlacht von Tannenberg und marschiert auf dem kürzesten Wege, unter Brechung jeglichen Widerstandes, zur Marienburg. Das Erscheinen der Livländer im Raum Marienburg erfolgt etwa acht Tage nach der Schlacht von Tannenberg.

Zwischenzeitlich ist es Heinrich von Plauen gelungen, alle noch verfügbaren Kräfte zu mobilisieren und zur Marienburg in Marsch zu setzen.

Die Stärke der Kräfte in der Marienburg werden in verschiedenen Quellen mit rund 4000 Mann angegeben. Heinrich von Plauen ist sogar so stark, daß er in mehreren Ausfällen das Gelände behaupten kann und dem polnisch-litauischen Heer empfindliche Verluste beibringt.

Das polnisch-litauische Heer hat im Festungskampf keine Erfahrung, die tartarischen Teile sind für einen solchen Einsatz überhaupt nicht zu verwenden.

Als nun das livländische Ordensheer im Rücken der Polen vor der Marienburg erscheint, sehen sich die vereinigten Streitkräfte der Polen von einer Umzingelung bedroht. Die Livländer greifen an, und Heinrich von Plauen greift aus der Burg an.

Die Polen und Litauer erleiden empfindliche Verluste und müssen die Belagerung der Marienburg abbrechen.

Heinrich von Plauen und Bernt Hevelmann säubern das Ordensgebiet in sechs Wochen. Die Polen leisten keinen entscheidenden Widerstand.

Durch diese gemeinsame Aktion ist der Ordensstaat gerettet. Heinz Schenzle schreibt hierzu in "Die Schlacht von Tannenberg 1410": "Dem am 9. November 1410 zum Hochmeister gewählten Heinrich von Plauen gelingt es im ersten Thorner Frieden, das Ordensland mit allen Besitztümern zu erhalten".

Die Polen verlangen lediglich für die Freilassung der in der Schlacht von Tannenberg gefangengenommen Ordensritter und Söldner eine größere Geldsumme.

Bisher unbekannt war, was August Ludwig Schlözer hierzu in "Geschichte von Littauen, Kurland und Livland" schreibt: "Verhandlungen, die zum 1. Thorner Frieden führen, werden durch den Ordensmeister Heinrich von Plauen, den Landmeister Bernd Hevelmann unter der Bürgschaft des Rigaschen Erzbischoffs Johann von Wallenrode geführt. Der Friedensvertrag war vorteilhafter für den Orden als für den Polnischen König."

Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß der Deutsche Ritterorden bis 1466 weiterbestand. Die Unterwerfung unter die Krone Polens hatte politische Ursachen wie den Abfall der Städte und den sogenannten Eidechsenbund. Der livländische Ordenszweig kämpfte in Livland weiter gegen Russen, Polen und Schweden. Seine Aufgabe endet mit der Reformation. Der letzte Ordensmeister Gotthard Kettler schloß mit den Polen das sogenannte "Sigesmundi Augusti Privilegium" 1561. Dieses Privilegium garantierte dem Ordensmeister die Beibehaltung der deutschen Sprache, des evangelischen Glaubens und die weitere Ausübung des Lübischen Rechts.

Gotthard Kettler wurde der erste Herzog von Kurland und eines kleinen Teils von Livland, aber von ganz Semgallen unter polnischer Lehnhoheit (analog wie in Preußen). Beim Übergang des Herzogtums Kurland 1796 an Rußland bestätigen die Russen dieses Privilegium, das bis 1917 weiter galt und vom neugegründeten lettischen Staat in Teilen bis 1939 anerkannt und beachtet wurde.


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