19.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.05.06 / Schön bunt und teuer / EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel in Wien verlief weitgehend ergebnislos

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. Mai 2006

Schön bunt und teuer
EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel in Wien verlief weitgehend ergebnislos
von R. G. Kerschhofer

Guat is's gangen, nix is gschehn", dachten nicht nur die Sicherheitsverantwortlichen, sondern wohl die meisten Wiener. Tatsächlich kam es weder zu Terroranschlägen noch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, und selbst die Verkehrsbehinderungen - unter anderem durch einen Protestmarsch der "Gegengipfler" - hielten sich in Grenzen. Die Polizei konnte zufrieden sein nach dieser Generalprobe für das Gipfeltreffen mit Präsident Bush im Juni. Und der wird ohnehin eine Armee von Leibwächtern mitbringen.

Manches verlief dennoch nicht ganz plangemäß: So schaffte es eine von "Greenpeace" mittels Presseausweis eingeschleuste argentinische Sambatänzerin, bis zu den Staatsmännern vorzudringen, die soeben für das obligate Gruppenbild Aufstellung genommen hatten. Ein paar Sekunden lang konnte sie ihr Transparent schwenken, ehe sie von einem Sicherheitsmann mit Macho-Griff um die Taille abgeführt wurde - es sah aus wie eine rustikale Aufforderung zum Tanz. Die Leibesvisitation auf Waffen oder Sprengstoffgürtel erübrigte sich angesichts der Spärlichkeit des Kostüms.

Unplangemäß war auch, daß an dem von Bundespräsident Heinz Fischer gegebenen Gala-Diner in Schönbrunn nicht alle Geladenen teilnahmen. Bei Tony Blair kann man es verstehen, denn der riskiert bei zu langem Auslandsaufenthalt, nicht mehr als Premierminister heimfliegen zu können. Aber warum auch Angela Merkel vorzeitig abreiste? Küche und Ambiente in Schönbrunn sind doch äußerst gepflegt, und nach der republikanischen Hoftafel konnte man sogar tanzen! Tanz in Schönbrunn - der Kongreß tanzt - das verleitete auch manchen Journalisten, geschichtliches Unwissen durchblicken zu lassen. Denn jeder Vergleich mit dem Wiener Kongreß von 1814/15 hinkt: Da saßen die Vertreter der damaligen Großmächte beisammen, in kleinem Kreis, neun Monate lang. Und sie faßten weitreichende, wenngleich nicht unbedingt segensreiche Beschlüsse.

Worum ging es bei diesem EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel? ("Karibik" steht extra im Namen, weil die Inseln, nicht spanische oder portugiesische, sondern britische Kolonien waren.) Ja, worum ging es eigentlich? Es war schon das vierte derartige Treffen - das nächste ist wieder drüben - und am besten beschreiben läßt es sich mit dem von Kaiser Franz-Joseph so gerne gebrauchten Satz "Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut."

Natürlich wurde alles "besprochen" - der Kampf für Demokratie und Menschenrechte, die Stärkung der Uno, der Umweltschutz, der Neo-Liberalismus. Weiter der Kampf gegen Terrorismus, Drogen, Armut und Arbeitslosigkeit. In Energiefragen will man enger zusammenarbeiten, wobei die "gemeinsame Entwicklung alternativer Energiequellen" im Zentrum stehen soll. Nur bei den immer wieder zur Sprache kommenden Assoziierungsabkommen hat die EU Probleme mit dem Gegenüber, denn die Mitgliedschaften in Mercosur und Anden-Pakt sind eher wechselhaft. Fix beschlossen wurden jedenfalls Verhandlungen über eine Freihandelszone der EU mit sechs mittelamerikanischen Staaten. Also bald zollfreie amerikanische Chiquita-Bananen für Europa?

Die österreichische Außenministerin Plassnik sah dennoch "viel Konkretes". Bundeskanzler Schüssel als Gastgeber betonte obendrein, daß es am Rande der Konferenz zu 300 bilateralen Gesprächen gekommen sei! Das ist gewiß nicht schädlich, und Wien bei angenehmem Frühlingswetter bleibt bestimmt allen in bester Erinnerung. Zeitgleich mit dem Schönbrunn-Empfang fand übrigens auf dem Rathausplatz die Eröffnung der Wiener Festwochen statt.

Daß sich der bolivianische Präsidenten-Lehrling Evo Morales unprotokollarisch gab, hatte einen folkloristischen Reiz. Bei Venezuelas Hugo Chávez war weniger einleuchtend, warum er das offizielle Abendprogramm mied und sich lieber bei Gegenveranstaltungen von linkslinken Amerika-Fressern bejubeln ließ. Denn so versäumte er die einmalige Gelegenheit, den europäischen Kollegen klarzumachen, daß und warum ihre Haltung sie in der Dritten Welt als Erfüllungsgehilfen der US-Regierung erscheinen läßt. Immerhin absolvierten Morales und Chávez am Tag der Abreise noch einen Staatsbesuch bei Bundespräsident Fischer in der Hofburg - mit rotem Teppich und Garde-Bataillon.

Besondere Erwähnung verdient schließlich auch das Benefiz-Fußballspiel zwischen der "EU-Präsidentschaft" und der "EU-Kommission": Schüssel brillierte dabei durch Querpässe für Torjäger Erdogan, diesmal nicht bloß im übertragenen Sinn. Ein symbolträchtiger Akt, an den sich die Wähler erinnern sollten.

Schrill, aber friedlich: Alternativ-Gipfel vor der Wiener Hofburg Foto: AFP

 

Pressestimmen zum EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel

",Welchen Zweck hat eine internationale Konferenz?', lautet eine alte Scherzfrage. Die Antwort: ,Um das Datum der nächsten festzulegen.' Nun gut, der fünfte Gipfel EU-Lateinamerika-Karibik findet im Jahr 2008 in Peru statt." "Pagina/12", Buenos Aires

"Der Gipfel war ein Fiasko. Er endete mit mehr Leid als Herrlichkeit. Weder die Südamerikaner noch die Kariben konnten konkrete Abkommen mit nach Hause nehmen. Dabei haben 60 Staats- und Regierungschefs am Vormittag und Nachmittag in drei Gruppen zu je 20 über mögliche Integrationsabkommen der beiden Blöcke diskutiert. Der Gipfel nützte eher den Europäern." "Ultimas Noticias", Caracas

"Während des Gipfels wurden die ideologischen und politischen Differenzen unter den Staaten unseres Kontinents offenbar, zum Beispiel zwischen Mexiko und Venezuela. Selbstverständlich sind sie kein monolithischer oder homogener Block ..., sie könnten aber bei Treffen wie diesen größere Anstrengungen zur Einigung zeigen. Die EU ist ein Beispiel, wie man Interessen einig vertreten kann trotz der Verschiedenheit der Völker. Wir brauchen mehr Intelligenz und weniger Ideologie, um Lateinamerika tatsächlich Gehör und Einfluß zu verschaffen." "El Universal", Mexiko


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren