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20.05.06 / Das Boot ist voll / Angela Merkel kündigt die Notwendigkeit klarer EU-Außengrenzen an

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. Mai 2006

Das Boot ist voll
Angela Merkel kündigt die Notwendigkeit klarer EU-Außengrenzen an
von Martin Schmidt

Die aktuelle Europapolitik zeigt ein Janusgesicht: Angela Merkel will gemäß Regierungserklärung vom 11. Mai die gescheiterten Brüsseler Pläne für eine EU-Verfassung mit neuem Leben erfüllen, sobald die Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2007 die Ratspräsidentschaft übernimmt. Im Hintergrund steht der Wunsch nach zentralistischer "Vertiefung" der Staatengemeinschaft, dem die Franzosen und Niederländer per Volksentscheid bereits eine Absage erteilten und dem auch künftig keine Mehrheit der europäischen Bevölkerung zustimmen wird - wenn man sie denn fragt ...

Andererseits möchte die Kanzlerin die Vision der Vertiefung offenbar nicht mehr mit einer weitergehenden Ausdehnung der Union verbinden und damit ein vorhersehbares Scheitern des ganzen Projekts heraufbeschwören. Jedenfalls kündigte sie am 11. Mai im Bundestag nicht nur einen beschleunigten Bürokratieabbau auf europäischer Ebene an und bekräftigte, daß Deutschland den Stabilitäts- und Wachstumspakt künftig wieder einzuhalten gedenke, sondern sie betonte auch die Notwendigkeit klarer EU-Außengrenzen: "Ein Gebilde, das keine Grenzen hat, kann nicht schlüssig handeln." Die Versprechen an die Beitrittskandidaten müßten eingehalten werden, so Merkel. Allerdings seien auch die Kriterien für den Beitritt klar: "Beitrittsverhandlungen sind keine Einbahnstraße." Dementsprechend forderte sie die Europäische Kommission auf, in ihren Berichten auch die Defizite der Beitrittskandidaten deutlich zu machen.

Die Kanzlerin nannte weder Rumänien noch Bulgarien, geschweige denn die Türkei beim Namen, trotzdem spricht derzeit manches dafür, daß die EU-Erweiterung um diese Länder aufgeschoben beziehungsweise ganz unterbunden wird. Zwar entgegnete der finnische Ministerpräsident Matti Vanhanen postwendend, alle europäischen Länder, die "unsere Werte teilen", hätten ein "Recht" auf die EU-Mitgliedschaft, doch die jüngsten Äußerungen Angela Merkels scheinen eher im Trend zu liegen.

So kritisierte der inzwischen mehr im Hintergrund wirkende, aber nach wie vor einflußreiche Ex-Kommissionspräsident Jacques Santer Ende April, daß die zum 1. Mai 2004 verwirklichte EU-Erweiterung um zehn Staaten zum Teil "ein Schuß aus der Hüfte" gewesen sei. Deshalb empfehle er eine Rücknahme des Erweiterungstempos.

Bei einem Kamingespräch des österreichischen Marketingclubs Linz bekannte Santer, aus den "Fehlern" der Vergangenheit gelernt zu haben. Die EU-Erweiterung um Rumänien, Bulgarien oder Kroatien müsse sehr behutsam angegangen werden, sagte er, und die Türkei solle zwar stärker an die Staatenunion gebunden, nicht aber aufgenommen werden. Was jetzt passiere, sei nicht nur eine Hypothek für unsere Kinder, sondern teilweise auch heuchlerisch, warnte der christdemokratische Spitzenpolitiker aus Luxemburg.

Während die Türkei die Vorgaben Brüssels ignoriert, indem sie beispielsweise die Anerkennung der Unabhängigkeit Zyperns verweigert, weisen Rumänien und Bulgarien nach wie vor erhebliche Unzulänglichkeiten in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Justizreformen und Umweltpolitik auf.

Da der diese Woche veröffentlichte Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission den in Aussicht gestellten Beitritt zum 1. Januar 2007 mindestens bis 2008 hinausschieben dürfte, konzentrieren sich die maßgeblichen Politiker in Bukarest und Sofia mittlerweile darauf, die "Gefahren" einer "Demütigung" (so der bulgarische Außenminister Ivaylo Kalfin) an die Wand zu malen.

Die bürgerliche rumänische Regierung Tariceanu warnt vor einer bevorstehenden Ablösung durch die sich immer näherkommenden Postkommunisten (PSD) und Nationalchauvinisten der Großrumänien-Partei (PRM) per Mißtrauensantrag.

Doch selbst wenn es den Rumänen, Bulgaren und Kroaten gerade noch gelingen sollte, ihren Beitritt bis spätestens 2008 durchzusetzen, wird sich die Liste der abgewiesenen EU-Bewerber in den kommenden Jahren deutlich verlängern.

Nachdem man 1987 bereits den Antrag Marokkos abgelehnt hatte, setzte Brüssel kürzlich die EU-Annäherungsverhandlungen mit Serbien aus.

Auch Moldawien hat bereits einen Korb bekommen, ebenso die gerade mit einer äußerst schwierigen Regierungsbildung beschäftigte Ukraine.

Keine Chancen kann sich das weiterhin totalitär geführte Weißrußland ausrechnen, desgleichen Mazedonien, Bosnien-Herzegowina sowie das nach der Volksabstimmung vom 21. Mai möglicherweise unabhängige Montenegro.

Die Türkei sieht mit einigem Recht ihre Felle davonschwimmen, verfügt aber nach wie vor über starke "Truppen" innerhalb der EU, die sich für einen Beitritt mobilisieren lassen.

Ähnlich wie in Deutschland wird auch bei den ostmitteleuropäischen EU-Neulingen das offizielle Interesse an zusätzlichen Erweiterungsschritten geringer. Man sieht zu, daß eigene Sonderbedingungen der Mitgliedschaft ihr Ende finden - beispielsweise die fortbestehenden Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit - und versucht ansonsten, sich gegenüber dem Brüsseler Zentralismus möglichst große nationale Freiräume zu bewahren.

Nur Polen nimmt (wieder einmal) eine Sonderstellung ein, indem es zäh für die Aufnahme seines östlichen Nachbarn Ukraine wirbt.

Doch Warschaus Fürsprache ist derzeit nicht unbedingt eine Hilfe, da die jüngste Ernennung des erklärten EU-Gegners Andrzej Lepper zum Stellvertretenden Ministerpräsidenten in Brüssel als Affront gegen gesamteuropäische Interessen gewertet wird.

Da liegt die Auffassung nahe, daß noch mehr derart eigenwillige Mitgliedsländer vielleicht auch nicht im Interesse der Brüsseler Bürokraten liegen könnten, gefährden sie doch nicht nur die wirtschaftliche und ethno-kulturelle Integrationskraft der EU, sondern womöglich gar die eigenen Machtansprüche.

EU-Politiker fordern Rücknahme des Erweiterungstempos

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