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20.05.06 / Was Reußen und Preußen verbindet

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. Mai 2006

Was Reußen und Preußen verbindet

Seitens der Wissenschaft wird inzwischen die These vertreten, daß die Bezeichnungen der meisten Völker auf andere Völker zurückgehen. Für die Russen scheint das der Fall zu sein. Sie stammen von den seit 862 in Nowgorod herrschenden schwedischen Normannen, den Warägern, ab, deren Führer Rurik mit seinen Brüdern das erste russische Staatswesen gründete. Die Waräger drangen im 9. Jahrhundert von Südostschweden über den "Ostweg" in das Gebiet zwischen Wolga und Dnjepr vor und gründeten die Reiche von Nowgorod (Neustadt) und Kiew. Die unterjochte einheimische Bevölkerung brauchte einen Namen für das eingewanderte fremde Volk und nannte es Rus oder Ros. Der Name wurde später von der herrschenden Oberschicht auf das ostslawische Volk und das Land übertragen, das fortan Rußland hieß.

Für die Herkunft der Bezeichnung Rus gibt es verschiedene Deutungen. Möglicherweise bezeichneten die slawischen Bewohner die Einwanderer als Fremde oder Fremdsprachige, die jetzt in ihrer Nachbarschaft lebten, so wie die Deutschen die Romanen Welsche (Fremde) nannten. Eine andere Lesart ist, daß die "Neuen" nach ihrem Weg über die Ostsee Ruotsie genannt wurden. Ruderer heißt auf finnisch Ruodsen. Vielleicht bezieht sich ihre Bezeichnung auch auf ihre Herkunft, denn die Waräger zogen aus dem Gebiet Roslagen nördlich von Stockholm nach dem Süden.

Zar Iwan IV., der Schreckliche, der von 1533 bis 1584 regierte, legte sich die Bezeichnung Herrscher aller Reußen (russisch: Samoderschez wsjesa rusi) zu. Samoderschez ist eine Lehnübersetzung von griechisch Pantokrator, was laut dem Fremdwörterduden ein "Ehrentitel für (den höchsten) Gott, auch für den auferstandenen Christus" ist. Mit wjesa rusi sind in diesem Titel nicht alle Russen, sondern die russischen Lande einschließlich der dort wohnenden Völkergemeinschaften gemeint. Der schreckliche Iwan hatte sich damit zum Allherrscher Rußlands befördert, ein Machtanspruch, der seit der russischen Revolution von 1917 keineswegs erloschen ist.

Man nannte die Russen früher auch Reußen. Dahinter verbirgt sich der mittelhochdeutsche Singular Riuse (=Russe) und der Dativ Plural ze Riusen (=Rußland). Die Gegend um Lemberg, das spätere Galizien, nannte man noch Mitte des 18. Jahrhunderts Rotreußen.

Die Preußen reimen sich auf die Reußen. Aber sonst gibt es da nichts zusammenzureimen. Die deutschesten aller Deutschen, bei denen angeblich sogar die Bäume exerzieren sollen, tragen einen litauischen Namen. Das Wort prud oder prut bedeutet im Litauischen stehendes Gewässer (Teich, See, Meer). Es stand Pate für die in einem wasserreichen Gebiet lebenden Pruzzi im Land Pruzia. Noch auf einer deutschen Straßenkarte von 1713 ist das spätere Ostpreußen nur lateinisch als Prussia benannt, obwohl in Königsberg schon 1701 der erste König "in Preußen" gekrönt wurde beziehungsweise sich selber krönte, wodurch Preußen für das gesamte Hohenzollerngebiet namengebend wurde. Erst nach der Ersten polnischen Teilung von 1772 konnte sich König Friedrich der Große König "von Preußen" nennen. Danzig und Thorn wurden gar erst 1793 bei der Zweiten polnischen Teilung preußisch. Dieter W. Leitner


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