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20.05.06 / Wie für DDR-Schüler gemacht / "Spiegel"-Autor legt ein Buch über die deutsche Geschichte von 1871 bis zur Gegenwart speziell für Jugendliche vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. Mai 2006

Wie für DDR-Schüler gemacht
"Spiegel"-Autor legt ein Buch über die deutsche Geschichte von 1871 bis zur Gegenwart speziell für Jugendliche vor

Eigentlich wäre eine kurzgefaßte deutsche Geschichte der Zeit von 1871 bis zur Gegenwart für Jugendliche zu begrüßen, steht es doch in der Regel bei Schulabgängern mit geschichtlichen Kenntnissen nicht zum besten. Voraussetzung wäre allerdings, daß wirklich geschildert wird, "wie Deutschland wurde, was es ist", wie der Werbespruch des Verlages lautet. Ob dieses soeben erschienene Buch des ehemaligen "Spiegel"-Journalisten Peter Zolling diese Voraussetzung erfüllt, wurde gefällt.

Die Lektüre des Buches ruft Enttäuschung hervor. Zolling hält sich strikt an die heute geltenden Sprachregelungen über unsere jüngste Vergangenheit. Er ist geradezu ein Vorbild an politischer Korrektheit, und das bedeutet, daß Deutschland an allen unerfreulichen Entwicklungen der Zeit von 1871 bis 1945 allein schuldig ist. Was soll es heißen, daß die Bundesrepublik Deutschland "eine Republik (ist), die zum ersten Mal in der deutschen Geschichte allen Deutschen Freiheit und Einheit brachte"? Hat der Autor die Weimarer Republik vergessen? Wenn er das zweite Deutsche Reich schildert, fällt ihm überwiegend Negatives ein. Deutschlands Kehrseite sei "verdüstert" durch die Forderung nach Gehorsam und Pflichterfüllung. Kein Wort über das allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlrecht für alle Männer, das es zu jener Zeit in ganz Europa noch nicht gab - außer im deutschen Kaiserreich. Nichts auch über die für die ganze Welt beispielhafte Bildungs- und Wissenschaftspolitik in Deutschland.

Es kommt in dem Buch nahezu nichts davon vor, wie die übrigen Staaten in Europa Politik betrieben haben. Bei Lesern dieses Buches muß der Eindruck entstehen, allein Deutschland habe von Kaiser Wilhelm I. bis zu Adolf Hitler aktive Politik betrieben, während die anderen Staaten reagierten, aber keine eigenen Ziele verfolgten.

Daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz Europa "im imperialistischen Fieber lag", stellt er korrekt dar, behauptet aber, daß in Deutschland in dieser Beziehung "besonders schrille Töne" ausgestoßen worden seien und verweist dabei auf die deutschen Kolonien. Kurz darauf aber erzählt er, daß überall, wo die Deutschen etwa in Afrika auftauchten, schon die Fahnen der anderen Mächte flatterten, woraus man wohl schließen kann, daß der Imperialismus der übrigen europäischen Mächte das Streben des Reiches erheblich überstieg. Natürlich war für den Autor die angebliche "deutsche Drohpolitik", die sich etwa im Flottenbau ausdrückte, Auslöser des Ersten Weltkrieges, ohne daß er allerdings über den Stand der Rüstungen, sei es zu Lande, sei es zur See, Zahlen und Tatsachen nennt, was für seine Behauptungen auch schädlich gewesen wäre.

Vom Versailler Friedensvertrag, in dem sich die unterlegenen Deutschen durch Unterschrift dazu bekennen mußten, allein schuldig am Ersten Weltkrieg zu sein, weiß er zu sagen, er sei hart gewesen, doch hätten die Deutschen noch Glück gehabt. Der Kriegsschuldparagraph habe "der Wahrheit entsprochen".

Als nach dem Zusammenbruch der deutschen Kampfmoral 1918 überall im Reich Aufstände der Kommunisten ausbrachen, die Deutschland zu einer Sowjetrepublik nach dem Muster Rußlands machen wollten, da hatte der damalige sozialdemokratische Reichskanzler, spätere Reichspräsident Friedrich Ebert eine "übertriebene Furcht vor der bolschewistischen Bedrohung"; es seien ja nur "ein paar tausend Spartakisten" gewesen, die den bewaffneten Aufstand anführten. Der Autor nimmt der damaligen Reichsregierung übel, daß sie die Aufstände durch die bewaffnete Macht niederschlagen ließ; so daß "zu vieles beim alten blieb". Die SPD habe durch ihren Kampf gegen die kommunistischen Aufstände "Verrat an der Sache des Sozialismus" geübt, liest man erstaunt.

Nicht nur an dieser Stelle wird deutlich, daß dieses Lehrbuch für die Jugend auch in der DDR hätte erscheinen können, jedenfalls in den Teilen, die sich mit der Zeit bis 1945 beschäftigen.

Ganz schlimm wird es, wenn es um die Zeit nach 1933 geht. Da wird jede gängige Propagandathese breitgetreten; selbst eine so alberne aus der britischen Kriegspropaganda stammende Behauptung wird wiederholt wie die, Göring habe gesagt, er wolle Meier heißen, wenn je ein feindliches Flugzeug über Deutschland erscheine. Eine Quelle wird hier ebensowenig angegeben wie bei anderen waghalsigen Behauptungen. Zolling vertritt die Ansicht, daß sich der Anschluß Österreichs ans Reich, den die Österreicher schon unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg forderten, der ihnen aber von den Siegermächten verboten wurde, nichts war als das Ergebnis von "Hitlers Eroberungswahn." Wen wundert's, daß nach Zollings Auffassung Deutschland die alleinige Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu tragen hat. Offenbar hatten alle übrigen Mächte von Polen über Großbritannien bis zur Sowjetunion nichts als Frieden und Freundschaft im Sinn. Deutschland ist an allem schuld, auch am gegen die Zivilbevölkerung geführten Luftkrieg. Um das zu "beweisen", bringt man dann auch einmal Daten durcheinander. Kein Wort davon, daß bereits Ende August 1940 die Briten acht Luftangriffe gegen Berlin flogen und der britische Informationsminister drohte, man werde nunmehr Hamburg "pulverisieren", wohl aber wird der deutsche Luftangriff im November 1940 auf das britische Rüstungszentrum Coventry mit seinen 17 über das ganze Stadtgebiet verstreuten Flugmotorenwerken als "Terrorangriff" bezeichnet.

Daß es sich bei Zollings "Deutscher Geschichte" erst in zweiter Linie um eine Geschichtsdarstellung handelt, geht aus dem Schlußkapitel "Rückschau und Ausblick" hervor, in dem man liest, daß es "für das in den Jahren zwischen 1933 und 1945 von Deutschen anderen zugefügte Leid ... keinen Schlußstrich geben" kann.

Den Deutschen wird eine "fortdauernde Verantwortung" für die "jede Vorstellungskraft übersteigenden NS-Verbrechen" zudiktiert. Deshalb endet das Buch mit dem Aufruf "rechtsradikales Gedankengut auszutrocknen".

Zolling hat ein Buch geschrieben, das vermutlich in Kürze vom Bundespresseamt und den zahlreichen Bundes- und Landesämtern für politische Bildung ebenso unters Volk gestreut wird wie durch die parteinahen Stiftungen von der Adenauer- bis zur Böll-Stiftung. Geld für die Anschaffung des Buches auszugeben, dürfte sich damit erübrigen. H.-J. von Leesen

Peter Zolling: "Deutsche Geschichte von 1871 bis zur Gegenwart", Hanser Verlag, München 2005, 368 Seiten, 19,90 Euro, Best.-Nr. 5525


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