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20.05.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. Mai 2006

Lamaspucke / Alles wird wieder so, wie es war: Sogar die edlen Revolutionäre aus Südamerika sind auferstanden
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Jetzt wird's endlich wieder gemütlich, so wie früher, als alles noch an seinem Platze war. Der neue SPD-Chef Kurt Beck säuselte in seiner Antrittsrede die roten Delegierten 75 Minuten lang in eine längst versunkene Vergangenheit zurück, in der sie von "Verteilungsgerechtigkeit" und "Chancengleichheit" und "Zusammenhalt der Gesellschaft" träumen durften, ganz entspannt und völlig losgelöst von Krise, Koalition und Kassennotstand.

Mancher Sozialdemokrat fühlte sich an Erich Ollenhauer erinnert, den SPD-Chef zwischen Kurt Schumacher und Willy Brandt, der es vermochte, selbst Umbrüche wie das Godesberger Programm von 1959 mit einem derart dicken Lack sozialdemokratischer Floskeln zu überziehen, daß sich kein Genosse einen Splitter einriß. Von Beck ist kein neues Godesberg zu befürchten, er ist fest entschlossen, die SPD diesmal durchschlafen zu lassen. Da ihn Inhalte nicht übermäßig interessieren und ihm Aufgeregtheiten jedweder Art aus Gemütsgründen zuwider sind, hat er die pathetisch als "Godesberg 2" intonierte "Agenda 2010" still im Schrank verschwinden lassen. Schluß mit dem hastigen Reformgelaber, der "neuen Mitte" und all dem Gefuchtel, mit dem Gerhard Schröder die armen Sozen völlig außer Atem gebracht hatte.

Man ist wieder zuhause, wo es warm ist, weil hier die Luft seit 50 Jahren steht. Den heimeligen Mief staubiger Anekdoten, vergammelter Spruchbandparolen und noch älterer Ideologien bezeichnen die Medien als "Stallgeruch", eine Art Genossenlockstoff, von welchem Kurt Beck dem Vernehmen nach reichlich verströmt, was ihn unwiderstehlich machte.

Ja, Heimat erkennt man an den Gerüchen, die sich einem vor langer Zeit eingeprägt haben, das ist auch in der Politik nicht anders. Groß ist die Verzückung, wenn einem die Düfte jener längst verschollen geglaubten goldenen Vergangenheit plötzlich aufs Neue die Nase streicheln.

Als Fidel Castros Abgesandter zusammen mit Venezuelas Präsident Hugo Chávez und Boliviens frischgebackenen Staatschef Evo Morales in Wien vor die Massen trat, versetzte der Geruch von Zuckerrohr, Gewehr-Öl und Lamaspucke das begeisterte linke Publikum schier in Trance. Daß das revolutionäre Aroma ausgerechnet aus Lateinamerika herübergeweht kommt wie einst im Pariser Mai 1968, als der damals unlängst dahingemähte Che Guevara aller fortschrittlichen Geister Ikone war, ließ die Leidenschaft zur Ekstase reifen.

Südamerika war in besseren Tagen das Traumland aller westeuropäischen Nach-Schulschluß-Revolutionäre. Dort war alles wie aus dem Lehrbuch, die Reichen reich und böse, die Armen wirklich arm und in der Seele blütenrein. Noch dazu handelte es sich bei den Armen zum großen Teil um richtige Indianer (oder wenigstens Mestizen). Wer Winnetou in den Armen seines Gefährten hatte sterben sehen, wußte, daß unter ihren Federn der Edelmut der Welt bewahrt war. Daß die Indios in den Anden keine Federn, sondern so komische Hüte auf dem Kopf hatten und Pierre Brice nicht im Entferntesten ähnlich sahen, war rasch verkraftet.

Der bekennende Marxist Morales ist ein echter Indianer, der in seinem früheren Leben tatsächlich Vieh (Lamas nämlich) durch die Berge getrieben oder Koka angebaut hat. Wäre er nicht so häßlich und würde sich obendrein zum Vegetarier wandeln, hätte er das Zeug zum Revolutionsheiligen - fast wie "Che" damals. Vielleicht sollte Genosse Evo hin und wieder einen weisen Indianerspruch aufsagen. Das wirkt ungemein! Falls ihm keine einfallen, ist ihm der Verfasser dieser Zeilen gern behilflich. Als die alte linke Welt noch in Ordnung war, die Friedensbewegung noch marschierte und die Geschmacksknospen auf der Zunge unter verdünntem Nicaragua-Solidaritätskaffee verwelkten, hatten wir viel Freude am Selbstverfertigen angeblicher Indianersprüche. Selbst der bodenloseste Schwachsinn löste bei den Zuhörern in jener Zeit spontan tiefe Nachdenklichkeit aus, sofern man ihn als Weissagung des alten Häuptlings XY verkaufte: "Wenn der Adler am Morgen um den Berg kreist, zählt die Glucke ihre Eier. Haben Sie das verstanden?" So gewinnt man moralische Autorität und Ansehen!

Die Rollenverteilung ist perfekt: Während Boliviens Morales die liebe Rothaut mit der schlichten Weisheit von Adlern, Bergen und so weiter verkörpert, macht uns Venezuelas Chávez den roten Barrikaden-Rambo, der sie alle zu Brei schlägt. Daß er in Wahrheit breitärschig auf einem Ölfaß sitzt, das nicht alle wird, und jeden zu korrumpieren versucht, der ihm nützlich erscheint, verbuchen wir unter der Rubrik "Imperialistische Propaganda", die auch Schuld sein wird, wenn Venezuela nach dem Abgang des feisten Revolutionärs restlos bankrott ist, woran ab dem zweiten Semester kein angehender Volkswirt mehr die geringsten Zweifel hegt. Auch daß Morales schon jetzt eingestanden hat, daß er eigentlich gar nicht weiß, wie das geht, ein Land regieren und solche Sachen eben, macht ihn doch im Grunde nur noch niedlicher.

Sowohl der biedere Vorortgenosse von der guten alten SPD als auch der in die Jahre gekommene Guerillero-Fan im verwaschenen Che-Guevara-Hemdchen ist also wonnevoll zurückgekehrt in die Zeit seiner jugendlichen Reinheit, als er Schuld und Verantwortung nur in der zweiten Person kannte. Damit das späte Glück nicht von Zwischenrufen aus der Wirklichkeit gestört wird, müssen giftige Realitätsmahner natürlich verschwinden. Die Niederländer schreiten mit der Verbannung der unerträglichen Ayaan Hirsi Ali abermals der Menschheit voran, wenn es gilt, das Gute vor dem Wirklichen zu schützen.

Schließlich lieben wir nicht bloß Indianer, auch bei uns im Land haben wir uns eine Variante des edlen Wilden zurechtretouschiert und nennen sie den "Mitbürger mit Migrationshintergrund". Hirsi Ali wollte uns einreden, daß der "Mitbürger" keineswegs durchweg edel ist und seine oft miese Lebenssituation nicht ausschließlich auf unsere Fremdenfeindlichkeit, sondern auch auf Verfehlungen der Migranten selbst zurückzuführen ist.

Nun, da Hirsi Ali vermutlich bald Asyl in den USA beantragen muß, werden auch ihre widerlichen Provokationen verstummen.

Die OECD hat die Chance sofort ergriffen und ein neues Faß zur deutschen Ausländerfeindlichkeit aufgemacht: Migrantenkinder hätten in Deutschland viel schlechtere Chancen als Einwandererkinder in anderen Ländern. Warum? Das liegt natürlich an deren Ausgrenzung und mangelnder Betreuung durch die Deutschen.

Gut, daß solche Schlüsse immer schon parat liegen, sie jeder erwartet hat und deshalb auch keiner nachhakt. Australien beispielsweise ist laut OECD-Studie ein leuchtendes Beispiel, und man möchte meinen, wir sollten uns es zum Vorbild nehmen. Eher beiläufig räumen die Experten ein, daß die größte Gruppe der untersuchten Migrantenkinder auf dem fünften Kontinent nicht etwa aus der Türkei oder Arabien stammt, sondern aus Großbritannien. Darin einen Zusammenhang zu sehen zu ihrer besseren Integration, wäre rassismusverdächtig und wird daher vermieden. Solche Details in die Welt zu trompeten könnte darauf hinauslaufen, daß die Deutschen darüber nachdenken, welche Zuwanderer kulturell hierher passen und welche eher weniger und darauf, daß sie anfingen, ihre Aufnahmepolitik nach diesem Kriterium neu auszurichten. Damit wären wir wieder kurz vor der Erkenntnis, zu der uns die ausgetriebene Hirsi Ali so gern ermuntert hätte.

Die OECD-Bildungsdirektorin Barbara Ischinger weiß um diese Gefahr und übergeht den Punkt daher im Laufschritt, um lieber mehr "Integrationsprogramme" zu fordern. Nur die schaffen schließlich Etats und Planstellen für ihre Kollegen. Zudem lenkt Ischingers "Integration" geradewegs ins Ziel aller linken Schulphantasie: die Gesamtschule.

Wenn Evo Morales nicht so häßlich wäre, könnte er zum roten Heiligen aufsteigen wie "Che"

"Auf geht's!" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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