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27.05.06 / Erst schießen, dann fragen / Der Fall Gianni C. wirft ein fahles Licht auf die deutschen Medien

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. Mai 2006

Erst schießen, dann fragen
Der Fall Gianni C. wirft ein fahles Licht auf die deutschen Medien
von Harald Fourier

Die Ursache der schweren Verletzungen des türkischstämmigen Linkspartei-Politikers Giyasettin Sayan war noch nicht aufgeklärt, als sich Medien bereits über den extremistischen Hintergrund empörten und Forderungen stellten. Dabei hätten sie nach jüngsten Erfahrungen allen Grund, vorsichtiger zu sein mit voreiligen Schlußfolgerungen.

Erst wenige Tage war es her, da meldeten landauf, landab Sender und Zeitungen den "gemeinen Überfall" auf einen Italiener in Berlin. Mitten in der Hauptstadt - im Szenebezirk Prenzlauer Berg - wurde Gianni C., ein 30jähriger Italiener, überfallen, gedemütigt und krankenhausreif geprügelt. Natürlich von deutschen Nazis, verkündete etwa der TV-Sender Sat1 in seinen Hauptnachrichten.

Gianni C. schilderte die Angelegenheit so: Um ein Uhr morgens sei er am Bahnhof Eberswalder Straße von drei Unbekannten angesprochen worden. "Die wollten eine Zigarette, aber ich hatte selbst nur noch eine. Dann wollten sie wissen, ob ich Deutscher bin", berichtete er der Polizei und der Presse.

Mit dem Spruch "Scheiß-Ausländer" sei seine ehrliche Antwort quittiert worden. Schließlich hätten die Glatzköpfe ihren Baseballschläger geschwungen und ihn am Knie und am Kopf verletzt. "Dann rannten die Typen weg", berichtete er weiter und fügte trotzig hinzu: "Ich lasse mich nicht vertreiben." Tatsache ist: Gianni C. wurde noch in der selben Nacht ins Krankenhaus eingeliefert und mußte einer Notoperation unterzogen werden.

In der Berichterstattung kein "soll", kein "habe", kein "er behauptet, daß". Es gab kaum ein Medium, daß die notwendige journalistische Sorgfalt walten ließ. Mal wieder. Wenn "Rechtsradikale" die Täter sind, dann werden keine Fakten mehr überprüft, sondern Beschuldigungen im Quadrat ausgeteilt.

Die Nachricht verbreitete sich in Berlin genauso schnell wie im ganzen Land. Schon am Abend des darauffolgenden Tages gab es die erste aufgeregte Antifa-Demo am "Tatort" (an dem übrigens seit Jahr und Tag ein Schwarzer von Nazis unbehindert einen Kiosk betreibt). "Die Bürger setzen Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit", mit diesem Satz endete die Sat1-Reportage über den Vorfall.

Am nächsten Morgen prangte auf dem "Berliner Kurier", Berlins Boulevard-Skandalblatt Nummer eins (siehe PAZ 20/06), die Überschrift: "Verprügelt, weil er kein Deutscher ist". Die Redaktion, die sich für keine Übertreibung zu schade ist, setzte noch darunter: "Prenzlauer Berg - Drei Glatzen-Nazis zertrümmerten sein Knie mit einem Baseballschläger."

Auf Seite 5 wird der Leser aufgeklärt: "Es geschah mitten im Prenzlauer Berg. Dort, wo Berlin-Touristen jeden Tag das bunte, moderne Berlin besichtigen. Kahl geschorene Ausländer-Hasser zertrümmerten Gianni C. (30) das rechte Knie. Weil er Italiener ist."

Bei so viel Aufregung in Berlin ließ die Reaktion italienischer Medien nicht lange auf sich warten. Gianni C. sei Opfer "brutaler neonazistischer Aggression" geworden, hieß es in der Presse Italiens. Die auflagenstarke Zeitung "La Repubblica" brachte den Fall auf Seite 1.

Nun legte wieder ein Deutscher nach: Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye warnte Deutschland-Besucher während der WM davor, bestimmte Teile Berlins und Brandenburgs zu besuchen. Heye verdient sein Geld seit dem Ende von Rot-Grün als Vorsitzender von "Gesicht zeigen", einer antirassistischen Initiative, die aus Steuermitteln finanziert wird.

Der Widerspruch aus Potsdam kam postwendend. Von Linkspartei bis CDU (und wohl auch die DVU, wenn man sie nur gefragt hätte) waren sich alle einig im Protest gegen Heyes Vorwürfe. Thomas Lunacek, der CDU-Fraktionsvorsitzende, verlangte sogar eine Entschuldigung.

So half Heye dann auch die Tatsache nicht mehr, daß ihm der SPD-Politiker Sebastian Edathy sekundierte. "Ich würde in Brandenburg nicht überall hinfahren", betonte der Bundestagsabgeordnete und oberste Anti-Rechts-Kämpfer unter den Genossen. Heye mußte seine Vorwürfe dennoch relativieren. Er erklärte sein Bedauern über die "zugespitzten Äußerungen".

Inzwischen hatte die Polizei den angeblich rassistischen Vorfall aufgeklärt: Gianni C. war betrunken ins Gleisbett des S-Bahnhofs Alexanderplatz (zwei Stationen entfernt vom angeblichen Tatort) gefallen. Bei dem Sturz hat er sich schwer verletzt. Er konnte zwar noch auf den Bahnsteig klettern, aber nicht mehr gehen.

Gianni C. hatte sich bei seiner Aussage in Widersprüche verwickelt. Vor allem seine Aussage, er sei - unfähig zu laufen - zwei Stunden lang mehrere Kilometer durch Berlin gerobbt, hat ihn entlarvt. Neben der Absturzstelle fand sich zudem Blut auf dem Bahngleis. Die unterirdischen Überwachungskameras haben ihn schließlich überführt. Jetzt wird wegen des Vortäuschens einer Straftat ermittelt.

"Eine Blamage für Italien", urteilte eine italienische Berlin-Korrespondentin angesichts der Wahrheit, die am Mittwochabend ans Tageslicht gelangt war. Eine Blamage für Deutschland scheint dagegen niemand zu erkennen, vor allem nicht die Journalisten, die wieder einmal auf einen Aufschneider hereingefallen sind. "Vielleicht stand er unter Schock", lautet das ausgesprochen milde Urteil des linksliberalen "Tagesspiegel" über Gianni C. rückblickend.

Ohne zu prüfen übernahmen auch Berliner Blätter die Version vom "rassistischen Überfall": Boulevard-Blatt mit der erlogenen Geschichte des Gianni C. Foto: HF


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