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27.05.06 / Museum für das Werk einer großen Frau / Vor 20 Jahren wurde in Berlin das Käthe-Kollwitz-Museum eröffnet - Eine Bereicherung für die Hauptstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. Mai 2006

Museum für das Werk einer großen Frau
Vor 20 Jahren wurde in Berlin das Käthe-Kollwitz-Museum eröffnet - Eine Bereicherung für die Hauptstadt
von Silke Osman

Das kleine neobarocke Palais in der Berliner Fasanenstraße, unweit des Kudamms gelegen, sieht aus wie ein hochherrschaftliches Gebäude. Für den geheimen Kommerzienrat Schirmer 1871 errichtet, 1897 zu einem Palais im spätklassizistischen Stil umgestaltet, ist es seit zwei Jahrzehnten jedoch ein Kunsttempel. Am 31. Mai 1986 eröffnete dort der Sammler, Mäzen, Maler, Kunsthändler und Antiquar Hans Pels-Leusden (1908-1993) das Käthe-Kollwitz-Museum.

Schon lange hatte er die Idee, der Künstlerin ein eigenes Museum zu widmen. "Käthe Kollwitz ist zweifellos eine der bedeutendsten Frauen der letzten Jahrhunderte", so Pels-Leusden einmal über die Künstlerin aus Königsberg. "Ihre Kunst ist völlig eigenwüchsig und trägt alle Merkmale des Genialen. Ihre Sprache verstehen die Menschen aller Zungen, während immerhin so bedeutende Meister wie zum Beispiel Thoma und Menzel nur in Deutschland oder allenfalls in den deutschsprachigen Räumen eine dauernde Resonanz finden.

Bis auf ganz wenige zeitgebundene Aufträge ist das Werk der Kollwitz von zeitlosem Rang, es ist ,für die Zeiten', wie Nolde sagen würde. Selbst das Werk der für den Frühexpressionismus so bedeutungsvollen Paula Modersohn-Becker reicht - auch in der internationalen Ausstrahlung - nicht an die Bedeutung der Kollwitz heran."

Hans Pels-Leusden erläutert die Thematik ihres Schaffens: "Die große Spannweite ihres Schaffens umfaßt ebenso die großen ernsten Lebensthemen - das Leid schlechthin, Not und Tod, Hunger und Krieg - wie auch die absolut heiteren, lichten Zonen des Lebens. Hierin unterscheidet sie sich zum Beispiel von Barlach. Diese Polarität innerhalb ihres Schaffens ist viel zu wenig bekannt und wird durch unsere Ausstellung deutlich gemacht. Sie beweist, daß sie nicht aus einem Hang zu den dunklen Sphären des Lebens die düstere Thematik aufgriff und gestaltete. Auch der langen Reihe der äußerst eindrucksvollen Selbstbildnisse haftet nichts Bedrückendes, Selbstquälerisches an; im Gegenteil, sie sprengen fast den Rahmen vor Lebenskraft, Kühnheit und Selbstbewußtsein. Darüber hinaus sind sie aber ausnahmslos von großer Schönheit."

Die ständige Ausstellung über vier Etagen zeigt nun in wohltuend intimer Atmosphäre das Werk von Käthe Kollwitz, die 1867 in Königsberg geboren wurde und nach über 50 Jahren des Lebens und Arbeitens in Berlin 1945 in Moritzburg bei Dresden gestorben ist. Derzeit verfügt das Museum, das in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwa eine Million Besucher verzeichnen konnte, über rund 200 zeichnerische und druckgrafische Arbeiten - darunter viele berühmte Werke wie etwa die Lithografie "Brot!" von 1924 - sowie 15 Originalplakate und ebenso viele plastische Bildwerke. Schwerpunkte bilden die Kollektion der Selbstbildnisse (von 1888 / 89 bis 1938), der Holzschnitt-Zyklus Krieg (1922 / 23), Arbeiten zum Thema Tod (1903 - 1942) und zum Gedenkblatt für Karl Liebknecht (1919 / 20).

In der Regel finden zweimal jährlich auch Sonderausstellungen statt, die das Umfeld der Künstlerin beleuchten. Eine aktuelle Sonderschau wird vom

30. Juni bis zum 31. August unter dem Titel "Ernst Barlach und Käthe Kollwitz im Zwiegespräch" gezeigt. "Schon früh wurde offenbar die Verwandtschaft im Schaffen dieser beiden fast gleichaltrigen Künstler empfunden, vielleicht auch gerade in der Eigenwilligkeit beider Œuvres, die sich keiner Kunstrichtung ihrer Zeit widerspruchsfrei zuordnen lassen. So sehr beide Künstler das Schaffen des jeweils anderen durchaus intensiv wahrgenommen und ihm Achtung bezeugt haben, so komplex verhalten sich doch die Werke zueinander", erläutert Annette Seeler, Kuratorin der Ausstellung.

"Dargestellt wird das mit einer Werk-Gegenüberstellung, die auf einem ikonographisch-ikonologischen Vergleich beruht, der in vier Themenbereiche gegliedert ist, als da sind: Mystische und religiöse Motive, Weltkriegsgedenken, Conditio humana: Liebe, Tod und Leid sowie politische und satirische Arbeiten. Auf dieser Grundlage kann sich eine Art künstlerisches ,Zwiegespräch' zwischen Ernst Barlach und Käthe Kollwitz entfalten", so Seeler. "Zur Halbzeit der Ausstellung wird als besonderer Höhepunkt auch das originale Gipsmodell des Güstrower Domengels" (der die Züge der Kollwitz trägt) "in Berlin zu sehen sein", freut sich Gudrun Fritsch, seit Beginn ehrenamtlich als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum tätig.

In einem Beitrag für das "Museums Journal" (April 2006) weist Fritsch auch auf die vielfältigen Leihgaben hin, mit denen das Berliner Käthe-Kollwitz-Museum selbst internationale Ausstellungen bereichert. So waren Werke 1992 anläßlich des 125. Geburtstages der Kollwitz in der National Gallery Wa-shington zu sehen. "Gegenwärtig sind beträchtliche Teile des Sammlungsbestandes im Rahmen des Deutsch-Japanischen Kulturjahres in fünf japanischen Museen zu Gast", so Fritsch. "Auch zukünftig werden Kollwitz-Werke aus dem Berliner Museum auf weite Reisen gehen. So sind für die kommenden Jahre 2007 bis 2009 Ausstellungen in Los Angeles und in Rußland sowie eine große Retrospektive in mehreren Städten in Vorbereitung."

Doch nicht nur mit Ausstellungen wollen die Berliner auf das Werk der Königsbergerin aufmerksam machen. "Neben der künstlerisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzung besteht die Museumsarbeit nach unserem Verständnis ebenso in einer museumspädagogischen Heranführung von Kindern und Jugendlichen an die Kunst im Museum", betont Gudrun Fritsch. "1995 wurde ein Kinder- und Schülerkatalog erarbeitet, der, außer einer für Jugendliche verständlichen Biographie der Künstlerin, eine anschauliche Vermittlung der druckgraphischen Techniken von Käthe Kollwitz enthält."

Vergleiche man Deutschland mit anderen Ländern wie den skandinavischen oder den USA, müsse man feststellen, daß hierzulande in museumspädagogischer Hinsicht vieles im Argen liege, bedauert Fritsch. "Fast jedes Museum in den USA hat eine eigene Abteilung für Kinder. Unserem privaten Museum sind bei solchen Aktivitäten leider enge Grenzen gesetzt. Eine Initiative bei der zuständigen Senatsverwaltung, bei der wir um finanzielle Unterstützung für die Museumsarbeit mit Schulklassen nachgesucht haben, ist in bedauerlicher Weise ins Leere gelaufen."

Dennoch können die Berliner in den vergangenen 20 Jahren auf eine erfolgreiche Arbeit zurückblicken. "Heute sieht keiner mehr diesem Museum an, daß es im Vergleich zu den großen staatlichen Häusern doch noch recht jung ist", so Fritsch mit ein wenig Stolz. "20 Jahre aktive lebendige Kulturarbeit haben das Haus für die Stadt und ihre Besucher zu einer nicht fortzudenkenden Selbstverständlichkeit in der Berliner Museumslandschaft werden lassen und haben ihm eine Art von Patina verliehen, welche die Signatur des Echten, Authentischen trägt. Es steht da, als habe es schon immer so dort gestanden."

Das Käthe-Kollwitz-Museum, Fasanenstraße 24, 10719 Berlin (Charlottenburg), ist täglich, außer dienstags, von 11 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 5 / 2,50 Euro.

Käthe-Kollwitz-Museum Berlin: Zeitlose Kunst in alter Stadtvilla Foto: Käthe-Kollwitz-Museum


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