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27.05.06 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. Mai 2006

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied und Familienfreunde,

große Wünsche - kleine Fragen zeichnen unsere Kolumne aus. Die Antworten weisen oft umgekehrte Attribute auf: Die Wünsche haben zumeist nur kleine, die Fragen wiederum große Reaktionen zur Folge. Aber jeder noch so kleine Schritt ist willkommen, jeder Tip kann wertvoll sein. So geschehen im Fall unseres Lesers Horst Doerfer, dessen Suchwunsch wir in Nummer 8 brachten. Er wollte endlich Gewißheit über das Schicksal seines Vaters, des Landwirts Kurt Doerfer aus Storchenfelde (Gandrinnen), Kreis Insterburg, haben, der während der Flucht schwer krank in der Heimat zurückblieb. Sein letztes Lebenszeichen war ein an eine Berliner Bezugsadresse gerichtetes Telegramm aus einem Krankenhaus im Spätwinter 1945. Der Hinweis des Heimatforschers Alfred Warschat, daß sich am 23. Februar 1945 ein Kurt Doerfer aus Gandrinnen im Krankenhaus Schroeder in Heiligenbeil befunden habe, half auch nicht weiter. Zwar meldete sich umgehend Herr Dreher von der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil, aber er konnte lediglich mitteilen, daß es dort nie ein Krankenhaus Schroeder gegeben habe, das Kreiskrankenhaus war ein Johanniter-Krankenhaus. Herr Doerfer erhielt aber noch die Zuschrift eines ehemaligen Kriegskameraden und von einem Leser aus Riedlingen den Hinweis auf eine mögliche Verwandtschaft. In diesem württembergischen Ort hatte ein Herbert Doerfer aus Tamowischken gelebt, der leider vor zwei Jahren verstarb. Der Anrufer meinte, da dieser ja auch aus dem Kreis Insterburg stammte, daß es sich um eine mögliche Verwandtschaft handeln könnte. Dieses für Horst Doerfer hochinteressante Gespräch dauerte sehr lange und war so intensiv, daß er vergaß, nach dem vollständigen Namen und der Telefonnummer des Anrufers zu fragen. Da er aber mit den Hinterbliebenen von Herbert Doerfer gerne Kontakt aufgenommen hätte, bittet er den Leser aus Riedlingen, sich noch einmal bei ihm zu melden. Der Nachname könnte Schmidt oder Schmiedt lauten. Vielleicht meldet sich ja aber auch jemand aus der Verwandtschaft des Herbert Doerfer aus Tamowischken direkt bei Herrn Horst Doerfer, Allensteiner Straße 11 in 74226 Nordheim, Telefon (0 71 33) 71 67.

In der betreffenden Kolumne hatten wir auch über den Kirchlichen Suchdienst HOK und seine unermüdliche Arbeit berichtet, die heute mehr denn je von Wichtigkeit ist. Denn nicht nur, daß in den Archiven über 20 Millionen Namen aus den Vertreibungsgebieten verzeichnet sind, es befinden sich dort auch spezifische Unterlagen über Städte und Gemeinden, die eine fundierte Grundlage für Nachforschungen bilden. Und der Suchdienst ist ständig dabei, diese zu ergänzen, und bittet deshalb um Unterstützung und Mitarbeit, selbst an kleinsten Ortschaften ist er interessiert. Erst vor kurzem rief Frau Horn aus Stadtoldendorf an, die im Besitz von Original-Unterlagen über das Dorf Mohlgirren, Kreis Pogegen, ist und diese gerne dem Kirchlichen Suchdienst überlassen wollte. Dort war man begeistert, denn es handelte sich bei diesen Aufzeichnungen um einen seltenen Glücksfall. Die Namen sämtlicher Einwohner sind handschriftlich in einer Liste mit blasser Tinte auf vergilbtem Papier vermerkt, dazu ein gezeichneter Ortsplan, auf dem jedes Haus mit dem Namen seiner Bewohner angegeben ist, und eine handschriftliche Aufzeichnung über die Struktur des Ortes: "Mohlgirren war ein kleines Dörfchen im Memelland, zu dem 24 Bauern, ein Stellmacher, ein Schmied und ein Förster gehörten." Die Familie von Frau Horn ist mit der Nummer 67 unter dem Namen Ney auf der Liste vermerkt. - Einige Namen kehren immer wieder, es handelt sich um alte einsässige Familien wie Lagies, Petereit, Rogga, Prehs, Peldszus, Nickschat ... Vielleicht interessieren sich noch Nachfahren der Familien oder Chronisten für diese Aufzeichnungen, die als Beispiel für viele beim Kirchlichen Suchdienst archivierte stehen. Wer besitzt ähnliche Original-Unterlagen von seinem Heimatort oder dem seiner Vorfahren? Sie sind hier in guten Händen (Kirchlicher Suchdienst, Lessingstraße 3 in 80336 München, Telefon 0 89 / 54 49 72 02, E-Mail: ksd@kirchlicher-suchdienst.de).

Aber auch bei uns geht die Suche weiter, denn wir sind ja zumeist "die letzte Instanz". So auch für zwei Landsleute, die Frau Rosemarie Sieglinde Winkler, Erste Vorsitzende der Kreisgruppe der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern e. V. mit Sitz Buchen, um Vermittlung gebeten haben. "Die letzte Anlaufstelle, die auch noch mit Hoffnungs-Erwartungen angegangen werde, seien Sie, so meinen die Landsleute", schreibt Frau Winkler, und fügt hoffnungsvoll hinzu: "Es geschehen ja manchmal Wunder, Sie haben es schon so oft möglich werden lassen!" Ich glaube, ein solches wäre bei der ersten Frage durchaus denkbar. Herr Heinz Wirth stellt sie, der sich 1944 als Soldat in Ostpreußen in die Tochter seiner Gastfamilie verliebte. Ach, lang, lang ist es her, und die damals 18jährige wird sich heute vielleicht nicht mehr an ihren Verehrer erinnern - oder doch? Damals hieß sie Ursula Buich und wohnte Untermühlensteig 6 in Bischofsstein. Der Vater war dort Bahnbeamter. 1946 schrieb Herr Wirth an die alte Anschrift, bekam aber verständlicherweise keine Antwort. Seine Nachforschungen über die Suchstellen blieben erfolglos. Wer weiß etwas über das Schicksal der Familie Buich und vor allem über das der Tochter Ursula, die sicher längst einen anderen Namen trägt und, was wir hoffen, am 17. Mai ihren 80. Geburtstag feiern konnte. Vielleicht gibt es noch nachträglich eine große Geburtstagsüberraschung? Aber Herr Wirth wäre schon zufrieden, wenn er endlich Gewißheit über den Verbleib der Familie Buich hätte.

Die zweite Frage ist schon schwieriger, und Frau Winkler bezeichnet sie selber als "aussichtslose Bitte", denn sie wird von einem 1936 geborenen Mann gestellt, der noch immer seine Mutter sucht. Günther Klingenberg stammt aus Kraffohlsdorf bei Elbing. Seine Mutter Anna gab den Vierjährigen zu einer Königsberger Familie in Pflege. Durch die Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit hat er nie wieder etwas von seiner Mutter gehört. Wer kannte sie oder kann zumindestens sagen, wo das Wohnhaus der Familie Klingenberg in Kraffohlsdorf stand? Antworten zu beiden Fragen bitte an Frau Rosemarie S. Winkler, Kreisgruppe der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern e. V., Kastanienweg 11 in 74722 Buchen - Hainstadt, Telefon (06281) 81 37.

Eine erste Reaktion auf die in der PAZ Nummer 13 veröffentlichte große Suchanfrage ehemaliger französischer und belgischer Kriegsgefangener nach den ostpreußischen Familien, bei denen sie gearbeitet hatten, kam von dem Mittelsmann Herrn Zauner. Er hat einige Reaktionen schon weiterleiten können, allerdings hatten sich Irrtümer ergeben: die Briefe waren von der Post zurückgeschickt worden, weil die Absender nur Herrn Zauners Namen und nicht die LO-Landesgruppe über der Adresse angegeben hatten. Die vollständige Anschrift, die genau zu beachten ist, lautet: Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, z. Hd. von Herrn Jochen Zauner, Werstener Dorfstraße 187 in 49591 Düsseldorf.

Mit welchem Engagement, mit welcher Energie und Hartnäckigkeit unsere Leser versuchen, auch die kleinen Fragen zu lösen, beweist Herr Wolfgang Fritz. Da hatten wir in unserer letzten Weihnachtsausgabe ein Foto aus dem Ersten Weltkrieg gebracht, das uns Herr Rüdiger Sakuth aus Australien übermittelt hatte. Es zeigt einen Soldaten vor dem Tilsiter Bahnhof auf dem fast leeren Platz, im Hintergrund ist lediglich eine Frau zu sehen. Natürlich wird niemand mehr nach so langer Zeit die abgebildeten Personen erkennen, aber Herr Sakuth interessierte sich für die Aufnahme und fragte: Wer kann etwas zu dem Bild sagen? Jetzt konnte Herr Fritz nicht nur etwas sagen, sondern sehr viel, denn er hatte die Aufnahme an einen ihm bekannten Fachmann weitergeleitet, der nun nachstehende Information zusammentrug:

Die Zeitangabe 1914/15 könnte stimmen, man muß aber beachten, daß in dieser Zeit Tilsit zeitweise von den Russen besetzt war. Erst die Winterschlacht in Masuren ab Januar 1915 beendete diese Situation endgültig. Bei dem Soldaten handelte es sich zweifellos um einen Landsturmmann eines der drei in Tilsit zu Kriegsbeginn aufgestellten Landsturm-Bataillone. Diese hatten vorrangig Aufgaben im Hinterland zu übernehmen. Sie bestanden überwiegend aus älteren Jahrgängen ... Der Soldat auf dem Bild war mit Sicherheit zur Bahnhofswache eingeteilt. Sie sollte Sabotageakte verhindern, diente aber letztlich mehr zur Abschreckung. Dies beweist auch die "Pose", das aufgepflanzte Bajonett sollte die permanente Kriegsbereitschaft darstellen. Auf Streife war es nicht aufgepflanzt. Die Kopfbedeckung ist der typische Tschako, der damals vom Landsturm getragen wurde. Konkretes läßt sich leider nicht mehr vermitteln, da es über den Landsturm so gut wie keine Literatur gibt. - Soweit die Information, über die sich Herr Sakuth freuen wird. Da er das Bild vor langer Zeit von einer Tante geschenkt bekam, ist es möglich, daß es sich sogar um einen Verwandten aus seiner Familie oder deren Umfeld handelt, denn unser Landsmann aus Australien ist gebürtiger Tilsiter. Bleibt nachzuforschen: Wer von den Urgroßvätern oder anderen Ur-Verwandten war damals beim Landsturm? Eine Identifizierung der Person dürfte allerdings ausgeschlossen sein: Wer will selbst von uns altgedienten Semestern in dem Landsturmmann seinen Onkel Wilhelm erkennen können - bei dem Bart! Was ich aber aufzeigen wollte: So akribisch forschen unsere Leserinnen und Leser. Das ist eben die Ostpreußische Familie!

Eure Ruth Geede


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