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03.06.06 / Dr. Mabuse und der Hexer in Wolffs Revier / Eine Ausstellung in der Spandauer Zitadelle läßt 80 Jahre Filmgeschichte Revue passieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Juni 2006

Dr. Mabuse und der Hexer in Wolffs Revier
Eine Ausstellung in der Spandauer Zitadelle läßt 80 Jahre Filmgeschichte Revue passieren
von Silke Osman

Die Nacht ist dunkel wie sonst kaum zuvor. Das Licht einer einzelnen Straßenlampe läßt den nassen Asphalt silberschwarz schimmern. Von fern dringt Straßenlärm in die kleine Gasse. Schritte eines Mannes klingen hohl durch die Nacht. Er blickt sich um, fühlt sich verfolgt, da ... Das Kinopublikum verfolgt gebannt das Geschehen auf der Leinwand. Kaum einer wagt, in die Tüte mit Popcorn zu greifen, das Knistern würde nur stören bei der spannenden Geschichte, die der Meister des Kriminalromans Edgar Wallace ersonnen und die Alfred Vohrer 1964 für das Kino inszenierte.

"Der Hexer" und andere Streifen dieser Art locken bei eingefleischten Krimifans heute nur noch ein müdes Lächeln hervor, Kinofreunde allerdings geraten ins Schwärmen, wenn sie an die alten Schwarzweiß-Filme denken. Sie werden auf ihre Kosten kommen, besuchen sie eine Sonderausstellung, die das Stadtgeschichtliche Museum Spandau im Zeughaus der Zitadelle derzeit zeigt.

"Dr. Mabuse und Edgar Wallace in Wolffs Revier" ist der sinnige Titel der Ausstellung, die 80 Jahre Spandauer Film- und Kinogeschichte Revue passieren läßt. Der Laie verbindet gemeinhin mit Berlin und Filmproduktionen die Namen Ufa und Babelsberg. Doch auch in Spandau und Staaken entstanden Filme. Die riesigen, nicht mehr genutzten Zeppelinhallen in Staaken kamen der in den 20er Jahren expandierenden Filmindustrie entgegen. Mit einer Länge von 256 Metern und einer Höhe von bis zu 41 Metern boten sie genügend Raum selbst für Monumentalaufnahmen. Über 200 Filme wurden in Staaken gedreht, darunter auch Szenen von so berühmten Streifen wie "Metropolis" von Fritz Lang, dem teuersten Film seiner Zeit, aufwendig vor allem in der Architektur. In Staaken wurde die Herzmaschine errichtet, die Energiezentrale der "Stadt der Zukunft". Der Filmarchitekt Erich Kettelhut erinnert sich an die Dreharbeiten in den Zeppelinhallen im November 1925: "Die Molochmaschine glich, wenn auch in phantastisch abgewandelter Form, einer der großen Dieselmaschinen, wie sie in den Maschinenräumen von Überseeschiffen anzutreffen sind.

14 Arbeiter regulierten auf drei übereinander liegenden Etagen an Schalttafeln ihren Gang. Von den sechs Ventilen schossen, paarweise abwechselnd, ständig Dampfwolken unter starkem Druck senkrecht empor. Dazu brauchten wir Dampf, viel Dampf auch für die noch folgenden Aufnahmen. So war es eine besonders günstige Konstellation, daß es ganz in der Nähe eine Gasanstalt gab, bei der ein Teil des ehemaligen Zeppelinpersonals arbeitete. Der Chef des Gaswerkes, auch ein Graf Zeppelin, ein Bruder des Luftfahrers, zeigte sich sehr entgegenkommend, weil sein reparaturbedürftiges Werk, wie er freimütig zugab, diesen Nebenverdienst dringend brauche. Er verschaffte uns nicht nur eine der großen Dampflokomotiven, (...) Herr von Zeppelin stellte auch das Rohmaterial, die dazugehörigen Ventile, Verschlüsse und Dichtungen, sowie Monteure und einen leitenden Ingenieur. Wir verfügten während des Drehens jederzeit über Dampf, so viel und so oft wir ihn haben wollten. In der kalten Halle kam er doppelt zur Wirkung."

Über die Dreharbeiten für "Das Testament des Dr. Mabuse", den Fritz Lang 1932 / 33 unter anderem in den ehemals staatlichen Pulverfabriken in Spandau-Eiswerder drehte, las man in der Zeitschrift "Lichtbild-Bühne": "Es ist gegen 5 Uhr nachmittags. Wir befinden uns schon draußen in Eiswerder angesichts eines großem langgestreckten Gebäudes mit vier ragenden, über 60 Meter hohen Schornsteinen, eines Gebäudes, das binnen weniger Minuten in einen schwelenden Trümmerhaufen verwandelt sein wird ... Langsam senkt sich die abendliche Dämmerung hernieder. Fritz Lang hat die ,Kommandobrücke' erstiegen, die links und rechts von steilen Leitergerüsten für die Operateure und die Beleuchter flankiert ist. Auf einmal ,Achtung!'. Eine Rakete steigt hoch. ,Achtung, Apparate einschalten!' Und im gleichen Augenblick flammen etwa 130 Jupiterlampen auf, beginnen 16 Operateure, die links und rechts von der Fabrik, vor und hinter ihr postiert sind, ihr Werk. Noch herrscht Ruhe, atemlose Spannung. Die Fabrik steht fest, der Hof ist angefüllt mit Benzinfässern, Waggons und so weiter., eine Fabrik in Betrieb. Dann aber schießt eine kleine Rauchwolke empor, erst zaghaft, später mächtig, eine Feuersäule folgt ihr in den abendlichen Himmel. Funkenregen geht nieder - und nun drückt Fritz Lang einen Knopf auf seinem Tabulaturenbrett, von dem aus elektrische Ströme die Sprengungen verursachen. Eine gewaltige Detonation, eine Stichflamme, der hintere Schornstein wankt, birst im halben Fall, reißt im Sturz das Fabrikdach mit sich und geht im Feuermeer unter. Der nächste, der übernächste folgen ihm, von Lang unsichtbar gelenkt, hinein in die Glut, die sich nach allen Seiten Bahn bricht, die aus den Fenstern schaut wie aus entsetzlich aufgerissenen Augen."

In der Spandauer Ausstellung kann der Besucher einen Blick hinter die Kulissen werfen und sein Augenmerk auf die wichtige Arbeit der Filmhandwerker, Kostümbildnerinnen, Kameramänner, Regisseure und Aufnahmeleiter richten. Drehbücher, Modelle, Szenenfotos, Plakate, eine alte Kamera und Originalkostüme sind zu bewundern. Auch heute wird in Spandau übrigens noch gedreht, so die Fernsehserien "Wolffs Revier" oder "Hinter Gittern - Der Frauenknast" und eine neue Krimiserie für das ZDF.

Die Ausstellung im Zeughaus der Zitadelle Spandau ist dienstags bis freitags von 9 bis 17 Uhr und am Wochenende von 10 bis 17 Uhr geöffnet, Eintritt 2,50 / 1,50 Euro, täglich um 15 Uhr wechselnde Filmvorführungen in der Ausstellung, bis 4. März 2007.

Ohne sie geht gar nichts: Die eigentlichen Stars in der Spandauer Ausstellung sind Beleuchter und Regisseure wie Gottfried Reinhardt. Foto: Artur-Brauner Archiv im Deutschen Filmmuseum, Frankfurt / Main


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