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03.06.06 / Die Götter wohnten im Eichenwald / Mythos Eiche - kaum ein anderer Baum hat die Gemüter der Deutschen so bewegt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Juni 2006

Die Götter wohnten im Eichenwald
Mythos Eiche - kaum ein anderer Baum hat die Gemüter der Deutschen so bewegt
von Günter Schiwy

Die Prußen achteten Wälder und Haine, in denen das geheimnisvolle Rauschen der heimatlichen Eichen zu hören war. Für sie stellten die Eichenhaine Tempel ihrer Götter dar, die sie in anbetender Ehrfurcht verehrten. Die Natur gab ihnen erst das Gefühl der andachtsvollen Weihe. Im Rauschen uralter Eichen vernahmen sie die Stimmen ihrer Götter. Heilige Eichen galten ihnen als Schutzbäume und wurden entsprechend verehrt. Unter diesen Bäumen berieten sie ihre wichtigen Angelegenheiten des bürgerlichen und religiösen Lebens dort fanden ihre Kultfeste statt.

Die Eiche ist der "König" der Bäume. Sie wird bis zu 50 Meter hoch, fünfeinhalb Meter dick und 700 bis 1200 Jahre alt. Sie gehört zur Familie der Buchengewächse. In den flachen Gegenden Ostpreußens wuchs die Stieleiche, die saure und feuchte Böden bevorzugt. Außerdem verträgt sie die extreme Kälte, die im Osten mit Frösten bis zu 30 Grad herrschten, am besten. Meistens wuchs sie in Masuren in Boden- und Moorsenken in Eichenmischkulturen. Die Stieleiche hat im Gegensatz zur Traubeneiche bei den Eicheln lange Stiele.

Es hat kaum ein anderer Baum die Gemüter der Deutschen so bewegt wie die Eiche. Ihr Mythos reicht in Masuren bis in die Zeit "der Wildnis", da ganze Eichenwälder in den feuchten Sümpfen und Bodensenken an Seen standen. Große Eichenwälder bedeck-ten zur Zeit der Altprußen die Gebiete dort, wo bei den extremen Boden- und Wasserverhältnissen sich die Buchen nicht ansiedeln konnten. Die sandigen und feuchten Moorböden, Seen- und Flußniederungen ergeben für die Stieleichen die richtigen Standortbedingungen. Die deutschen und masowischen Siedler nahmen diese Gebiete gern an, weil die Eichen hochwertiges Bauholz lieferten, ihre gerbstoffreiche Rinde Anwendung in der Heilkunde und Lederverarbeitung fand und die Eicheln ein ausgezeichnetes Futter für die Schweinemast ergaben.

Die heute in den masurischen Seen gefundenen Einbäume der Prußen bestehen übrigens aus Eichenbäumen. Auch der Heerweg, den der Deutsche Ritterorden im 14. Jahrhundert quer durch die unwegsamen masurischen Wälder bis zur Ostsee baute und der nur etwa fünf Kilometer westlich von Kreuzofen nach Ortelsburg verlief, bestand in dem Moorgebiet aus Eichenholzbohlen, die 1920 bei Meliorationsarbeiten des Wiesengeländes bei der Försterei Hirschhagen in gutem Zustand gefunden wurden. Wir wollen nicht vergessen, daß zur damaligen Zeit das Eichenholz auch für Stangenbrunnen, Holztröge und Fässer wegen seiner Härte und Beständigkeit gebraucht wurde.

Auch den Germanen galten die Bäume als heilig, und wurden zum Sitz der Gottheiten. Hügel und Erhebungen, auf denen Eichen wuchsen, wurden zu Waldheiligtümern erklärt.

Masuren wurde damals von den altprußischen Stämmen der Sassen, Galinder und Sudauer bewohnt. Für sie war die Natur Heimat und Religion zugleich. Der Mittelpunkt ihres Heiligtums war "Romowe", vermutlich im Gau Nadrauen gelegen. Diese Wohnstätte der drei mächtigen Hauptgötter Perkunos, Pikollos und Potrimpos bestand aus drei großen alten Eichen und war der wichtigste sakrale Kultort der heidnischen Prußen. Dieser Eichenhain bestand aus "drei immergrünen Göttereichen", die mehrfach ineinander verschlungen gewachsen waren.

In Kreuzofen war hinter der Försterei Seehorst unmittelbar am Niedersee der Eichenhain "Dembowi Las" zu finden, eine ehemalige prußische Opferstätte. Ihr vorgelagert befand sich eine freie Fläche, der sogenannte Thingplatz, auf dem sich die Menschen versammelten. Dieser Platz war etwa 100 mal 100 Meter groß. Auf einem etwa zehn Meter hohen kuppelartigen Sandberg standen in einem Abstand von 30 Metern drei uralte Eichen, die zu deutscher Zeit unter Naturschutz standen. Sie waren den Prußengöttern Perkunos, Pikollos und Potrimpos gewidmet. In diesem Eichenhain haben die Kreuzofener Christen bis ins 18. Jahrhundert Blutopfer dargebracht, wenn Unglücksfälle, Katastrophen oder Kriege das Dorf heimsuchten.

Von diesem Berg zeigt eine Eiche südlich nach Kreuzofen, die noch erhalten ist und einen riesigen Umfang hat. Sie steht in vollstem Grün und ist in ihrer Krone wunderbar anzusehen. Der Stamm ist knorrig. Diese stattliche Eiche wird etwa 1000 bis 1200 Jahre alt sein. Ihr Stamm hat einen enormen Durchmesser. Die östliche Eiche, die nur zwei Meter vom Niedersee entfernt steht, ist leider eingegangen. Sie trägt kein Laub mehr. Die dritte Eiche, die nördlich nach Mieden zeigt, ist krumm gewachsen.

Meine Großmutter hat sich immer nach katholischem Ritus bekreuzigt, obgleich sie evangelisch war, wenn wir an diesem Eichenhain vorbeikamen. Sie hat mir den flach auslaufenden Platz gezeigt, aber auch den Sandberg, die drei Eichen und die angrenzenden Moore. Außerdem hat sie mir die geschichtliche Bedeutung dieses Haines erklärt.

Seit frühester Jugend habe ich die Wälder meiner näheren Heimat durchstreift und nach alten Eichen gesucht. Von ihnen ging eine eigenartige Faszination aus. Dabei stellte ich mir, wenn ich andächtig und ehrfurchtsvoll vor ihnen stand, immer die Frage: Was mögen diese Eichen alles gesehen und erlebt haben? Ach, könnten sie doch erzählen! Dabei ging dann meine kindliche Phantasie mit mir durch.

Diese masurischen Wälder waren meine Heimat! Wer sie wie ich erlebt und geliebt hat, wird meine Sehnsucht nach diesen masurischen Forsten verstehen.

Alte Bäume können eine eigenartige Faszination ausüben. Foto: Hallensleben


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