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03.06.06 / Zwischen zwei Töchtern / Teenager will seiner krebskranken Schwester keine Niere spenden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Juni 2006

Zwischen zwei Töchtern
Teenager will seiner krebskranken Schwester keine Niere spenden

Ich kaufe keine Kekse von den Girls Scout", sagt Campell Alexander als er ein 13jähriges Mädchen in seinem Anwaltsbüro sitzen sieht. Doch Anna ist nicht von den Pfadfindern, sie will Campell Alexander engagieren, damit er vor Gericht durchsetzt, daß sie, obwohl minderjährig, aus der medizinischen Verantwortung ihrer Eltern entlassen wird, denn das Mädchen soll ihrer drei Jahre älteren Schwester Katie eine Niere spenden. Erst begreift der Anwalt nicht, was die selbstbewußt auftretende Anna da erzählt, doch je mehr er erfährt, desto mehr reizt ihn der Fall.

In "Beim Leben meiner Schwester" erzählt die US-Bestseller-Autorin Jodie Picoult äußerst fesselnd die Geschichte eines Mädchens, das im Reagenzglas gezeugt wurde, damit es genetisch als Spender für seine an Leukämie erkrankte Schwester in Frage kommt. Erst war es nur die Nabelschnur, dann Blut, dann Knochenmark und jetzt soll es die Niere sein.

Jodi Picoult erzählt die Geschichte abwechselnd aus der Sicht einer der beiden Elternteile, Annas, des nicht als Spender in Frage kommenden 18jährigen Bruders Jessie, des Anwalts und der Verfahrenspflegerin Julia.

Schnell wird dem Leser offenbar, daß es bei dem Fall kein Schwarz und Weiß gibt. Die Krankheit bestimmt von Anfang an das Leben der Familie. Kindergeburtstage oder gar Klassenfahrten sind für Anna tabu, da ihre Schwester jederzeit einen Rückfall haben könnte und Anna als Spender benötigt wird. Doch was grausam klingt, ist auch für die Eltern nicht leicht. Die verschiedenen Beweggründe schildert die Autorin äußerst nachvollziehbar. Vor allem die Spannung im Haus, nachdem Anna ihre Klage eingereicht hat, ist beklemmend real. "Ich habe eine Tochter, die soeben das Todesurteil ihrer Schwester unterschrieben hat", flucht Annas Mutter, während der Vater des Mädchens verstehen kann, warum Anna nicht auch noch eine Niere spenden möchte, zumal Kates Überlebenschancen selbst dann noch als äußerst gering eingeschätzt werden.

Der Verdacht des Anwalts, daß Anna nur den Prozeß anstrebt, um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern auf sich zu lenken, erweist sich als unhaltbar. Anna möchte, die Chance haben, "erwachsen zu werden, auch wenn Kate sie nicht hat. Daß Kates Tod das schlimmste wäre, was mir je passieren kann ... und auch das beste."

Gegen Mitte des Romans fällt auf, daß alle über Kate reden, nur Kate kommt nicht zu Wort. Und so wird deutlich, daß nicht nur Anna, sondern auch Kate Opfer der Familienbeschlüsse ist, die wiederum von Kates Krankheit diktiert werden. "Beim Leben meiner Schwester" ist so fesselnd, weil Liebe, Moral und Verantwortung hier miteinander unvereinbar sind. Zurecht weist der Vater darauf hin, daß egal für welche Tochter sie sich entscheiden, die andere auf der Verliererseite steht.

"Mir kommt der Gedanke, daß man Kinder nie hat, man nimmt sie in Empfang. Und manchmal bleiben sie nicht so lange, wie wir gedacht oder gehofft haben. Aber das ist trotz allem noch immer viel besser, als wenn man sie nie gehabt hätte." Rebecca Bellano

Jodi Picoult: "Beim Leben meiner Schwester", Piper, München 2005, geb., 478 Seiten, 19,90 Euro, Best.-Nr. 5534


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