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03.06.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Juni 2006

Ein Freund, ein guter ... / Auf welche Nation freuen wir uns bei der WM am meisten? Richtig - die Engländer denken genauso
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die WM ist nur noch wenige Tage hin. Wir sind alle aufgeregt und freuen uns auf die vielen Freunde aus aller Welt, die uns besuchen kommen. Die sind genauso entzückt, vor allen anderen unsere englischen Nachbarn, wie wir es nicht anderes erwartet haben.

Von Deutschland wissen die nicht viel. Es geht ihnen wie uns beim Besuch einer fremden Stadt, in der ein guter alter Freund in einem wahnsinnig interessanten Haus lebt. Man ist dann vielleicht 30mal dagewesen, hat aber von der Stadt gar nichts mitbekommen, kennt weder Rathaus noch Museum noch Theater, weil man immer gleich zu dem Freund durchgefahren und dort die ganze Zeit geblieben ist.

Der gute Freund der Engländer in Deutschland heißt Adolf Hitler. Den wollen sie unbedingt treffen bei der WM, der Rest interessiert sie eigentlich nicht. Der Wunsch hat bei uns, den guten Gastgebern, eine gewisse Hektik ausgelöst. Sie sagen es! Der Mann ist tot und demzufolge nicht mehr verfügbar. Wie wollen wir das den Briten beibringen? Reisen die gar gleich wieder ab? Ruhig Blut! Ein Blick in die Londoner Presse lehrt, daß es die Inselbewohner lieben, belogen zu werden. Und die Lüge muß nicht mal gut konstruiert sein, also können wir unsere deutsche Gründlichkeit gelassen für wichtigere Dinge aufsparen als fürs Verfertigen täuschend echter Hitlerchens.

Wohin falscher Eifer führt, hat der am Dienstag aus dem Amt geschiedene Generalbundesanwalt Kay Nehm ja erleben müssen, als er zwei junge Männer wegen einer Straßenkeilerei zur Gefahr für die Republik aufpustete und per Sondereinsatzkommando nach Karlsruhe deportieren ließ. Dann wieder freiließ und einen der beiden nochmal kurzfristig in Haft nahm, weil er, der 29jährige Björn L., angeblich einem Mithäftling was erzählt haben soll, was ein weiterer Mithäftling gehört und gepetzt habe - und das, obwohl Björn L. in einer Einzelzelle saß.

Da wollte der gewissenhafte Spitzenjurist zur Krönung seiner Karriere der Welt ein leckeres Nazilein zum Verzehr auftischen und nun steht er ohne Hosen da. Der Fall komme ihm vor wie ein "Kaleidoskop": Wenn man die Sache nur um ein Achtel drehe, sehe alles ganz anders aus. Das hat er wirklich gesagt - der arme Kerl ist völlig durch! Wer gut beraten ist, zieht seine Lehren daraus und läßt von solchen Verrenkungen beim Nazimachen künftig die Flossen.

Zumal unsere Sorge, daß unsere englischen WM-Gäste hitlermäßig nicht auf ihre Kosten kommen und den alten Freund vermissen könnten, eigentlich unbegründet ist. Die Briten sind ein erfahrenes Volk und seit der Sklavenzeit gewohnt, sich die Leute, die sie für ihre Zwecke benötigen, selbst zu besorgen. Ein englischer Reporter hat seinen Hitler beispielsweise in einem Ordnungshüter des FC Chemnitz entdeckt, der Abträgliches über afrikanische Drogenhändler von sich gab, was den Korrespondenten zu der Überschrift "The World Cup Nazis" inspirierte. Sehen Sie, wozu Umstände machen!

Ein Londoner Massenblatt fand heraus, daß nicht Helmut Schön, Franz Beckenbauer oder gar der Klinsi die deutsche Mannschaft geformt haben, sondern Hitler selbst. Das deutsche Spiel erkenne man an "Kampf, Stärke und daß sie nie aufgeben - ein Stil, der schon unter Hitler geprägt wurde", erläutert die "Sun". Schande über Guido Knopp, daß er uns zwar alles bis zum Dreck unter Führers Fingernägeln vorgeführt, die Bilder vom kickenden Gröfaz aber verheimlicht hat.

Das muß man ihnen eben lassen, den Briten, im Erforschen unbekannter Welten sind sie nicht schlecht. "Erforschen" ist ein schönes Wort, manchmal möchte man es lieber "Spionieren" nennen. Der angelsächsischer Komödienstar Stewart Lee hat sich für den "Guardian" auf die Suche nach dem bislang vor den Briten gut verborgenen deutschen Humor begeben und behauptet frech, ihn tatsächlich gefunden zu haben. Es gibt ein Loch im Atlantikwall!

Die Briten hätten sich ja immer gewundert, daß es ein Volk wie die Deutschen geben soll, daß völlig ohne Humor auskomme. Man erzähle sich, so Lee, die kleine Geschichte vom "deutschen Kind": Es war einmal ein britisches Pärchen, das bekam einen Sohn. Nach der Geburt untersuchte es der Arzt und erklärte den erleichterten Eltern, daß mit dem Balg alles zum Besten stehe, abgesehen von der Tatsache, daß er deutsch sei. Das störte das Paar wenig. Sie zogen ihr Kind groß, es lernte laufen, schlief und aß normal und trug selbstredend Lederhosen. Nur eines tat es nie: sprechen. Da trugen es die besorgten Eltern wieder zum Arzt, der es erneut gründlich untersuchte. Diagnose: kerngesund. Das mit mit dem Sprechen komme wahrscheinlich bloß später.

Der Junge wurde älter, lernte Lesen und Rechnen und alles andere, sagte aber weiterhin kein Wort. Eines Tages nun brachte die Mutter dem mittlerweile 17jährigen eine Tomatensuppe in die Stube. Kurz darauf erschien der in der Küche und sagte der völlig verblüfften Frau: "Mami, die Suppe ist ein bißchen lau!" Die Mutter des deutschen Kindes war vom Donner gerührt: "All die Jahre haben wir angenommen, du könntest gar nicht sprechen. Und jetzt scheint es, daß du's die ganze Zeit gekonnt hast!" rief sie aus. "Warum hast du nie was gesagt?" "Weil bis jetzt alles zufriedenstellend war."

Nichts beleuchte die Auffassung der Briten von den Deutschen besser als dieses kleine Märchen, meint Stewart Lee: Dermaßen "rücksichtslos rational", daß Humor keinen Boden habe. Der Brite will nun aber herausgefunden haben, daß deutscher Humor doch existiere, nur daß die Briten ihn eben nicht verstünden, weil er - halten Sie sich fest - in deutscher statt in englischer Sprache ausgedrückt werde.

Sind wir nun so großartig oder die Briten so beschränkt, daß sie außer uns kein weiteres nicht-englischsparchiges Volk der Welt mehr zur Kenntnis nehmen? Denn über die Humorlosigkeit der Franzosen, Polen oder Albaner ist auf der Insel nie etwas zu lesen. Andererseits ist Hitler in den britischen Medien ja derart quicklebendig, daß die Mehrzahl dort davon ausgehen könnte, daß er den Krieg gewonnen hat und auf dem Kontinent nun alle Deutsch sprechen. Das würde die Sache erklären. Quertreiber, die behaupten, Britannien sei siegreich gewesen, sind schnell zu widerlegen mit dem Hinweis auf das weitere Schicksal des Empires nach 1945 - hat sich bis auf ein paar Fetzen alles in Luft aufgelöst. Siegern passiert sowas nicht.

Die plausibelste Begründung für das Nichtverstehen des deutschen Humors durch die Briten ist indes: Er ist ihnen schlichtweg zu hoch, wie ausgerechnet ihre eigene Geschichte vom "deutschen Kind" hintersinnig durchblicken läßt. Welcher billige englische Possenreißer bringt es schon fertig, eine einzige Pointe 17 Jahre lang vorzubereiten?

Guter Stil braucht eben Zeit. Eilig zusammengeklöppelte Witze scheitern beim Publikum manchmal jämmerlich. Entsetzlich das Gefühl, wenn man auf der Bühne steht und statt des erhofften Gelächters einen nur versteinerte Mienen anstarren. Routiniers leiten dann sofort zum nächsten Punkt über, Schwamm drüber und schnell vergessen. Bös dran sind die Dilettanten, die den untergegangenen Kalauer in leicht variierter Form wieder und wieder hochwürgen in der aussichtslosen Hoffnung, etwas anders vorgetragen könnte er ja doch noch zünden.

Stümper müssen das aber machen, weil ihr Repertoire begrenzt ist. Sie können auf keine ihrer flauen Einlagen verzichten, weil sonst aufflöge, daß ihnen in Wahrheit so gut wie gar nichts einfällt. Wie der Berliner Komödiantentruppe, die ihren aus lauter Resten in wenigen Tagen zusammengefegten Sketch "Hartz IV" auf Biegen und Brechen zu retten versucht, obwohl der letzte im Saal begriffen hat, daß das atemlose Gefummel die unvermeidliche Blamage nur noch fürchterlicher ausgehen lassen wird.

Ein Brite hat den deutschen Humor entdeckt - aber wie?

Gibt es ein Loch im Atlantikwall?

"Kurskorrektur? Was für eine Kurskorrektur, Franz??" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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