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24.06.06 / Wenn die Sonne wendet

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Juni 2006

Wenn die Sonne wendet

Für unsere germanischen Vorfahren war die Sonne die bestimmende Kraft des Jahres, insbesondere für das Gedeihen der Saaten. Am 21. Juni erreicht die Sonne ihren höchsten Stand, am nächsten Tag schon beginnen die Tage kürzer zu werden. Dieser markante Einschnitt bot sich also für die Entwicklung eines Feuerbrauchtums an.

Als die christliche Kirche bei und nach der Missionierung versuchte, die Sonnwendbräuche als „heidnisch“ abzuqualifizieren und zu verbieten, mißlang dies nahezu völlig. Notgedrungen nahm man daher eine Umwidmung vor und verlegte das Mittsommerfest auf den 24. Juni, den Tag Johannes des Täufers, des Vorläufers Jesu Christi. Schnell hatten Theologen auch eine Deutung für das Johannisfeuer (so hieß das Sonnwendfeuer nun) bereit. Sie zitierten ein Wort des Johannes über Christus: „Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen“ – und meinten so den rechten Sinn von Sonne und Feuer gefunden zu haben (Johannes: die abnehmende Sonne; Christus: das wahre Licht der Welt).

Doch die Menschen empfanden das Feuer eher im Kontext von Fruchtbarkeit, Gedeihen und Gesundheit, wie zahlreiche Bräuche zeigen. Junge Paare sprangen gemeinsam durchs Feuer, ohne die Hände loszulassen; man erhoffte sich dabei Gesundheit und Festigung der Liebeskraft. Ähnliches erhoffte man sich auch beim Tanz ums Feuer. Verkohlte Holzstücke aus dem Sonnwendfeuer steckte man in Äcker und Gärten und erwartete Mehrung der Fruchtbarkeit. An manchen Orten trieb man das Vieh durch den Rauch des Sonnwendfeuers (Bannung von Krankheiten). Diesen und anderen Bräuchen sprach der Volksglaube heilsame Wirkungen auf Mensch, Vieh, Acker- und Gartenland zu. So rollten in der Johannisnacht von den Bergen Sonnenräder zu Tal. Am Kurischen Haff bezog man sogar die See in das Feuerbrauchtum ein: Man machte Feuer auf alten Kähnen oder man entzündete Teertonnen und ließ sie hinausschwimmen.

Die Aufklärungszeit war dem Brauchtum eher abgeneigt, und im 19. Jahrhundert griffen die Behörden im Geiste des Absolutismus reglementierend und verbietend ein. Sie erreichten damit, daß in Teilen des deutschen Volksraums die Sonnwendfeuer in Vergessenheit gerieten.

Eine gegenläufige Bewegung setzte mit der Romantik ein, die eine nächtliche Illuminierung der Natur als stimmungsträchtig empfand. Die deutsche Jugendbewegung griff das Feuerbrauchtum auf. In der Notzeit nach dem Ersten Weltkrieg setzten die Bünde und Gemeinschaften der Jugendbewegung bei den Sonnwendfeiern auch politische Akzente. So wurde das Lied „Flamme empor“ aus der Zeit der Befreiungskriege angestimmt („… schwören am Flammenaltare, Deutsche zu sein“). Gerne gesungen wurde bei den Sonnwendfeiern auch „Und wenn wir marschieren“, die letzte Strophe lautet: „Du Volk aus der Tiefe, du Volk in der Nacht, vergiß nicht das Feuer, bleib auf der Wacht!“

Der Nationalsozialismus übernahm das Sonnwendbrauchtum und gestaltete die Feiern im Sinne seiner Ideologie aus. Die HJ feierte die Sonnenwende als „Fest der Jugend“. Das hinderte nach 1945 aber selbst entschiedene NS-Gegner – egal ob nun kommunistisch oder katholisch – nicht, in ihrem Sinne das alte Brauchtum aufzugreifen. Wo die Sonnwendfeuer im ländlichen Raum überlebten, wurden sie gerne in die Folkloredarbietungen von Fremdenverkehrsgemeinden miteinbezogen. Manfred Müller


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