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01.07.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. Juli 2006

Kaputtgelacht / Gibt es ein Leben nach dem Erbfeind? Wo sind die bösen Deutschen? Wo die Ängste der anderen? Die Welt ist in Unordnung geraten
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Deutschland badet in einer ungeahnten internationalen Popularität. Alle scheinen uns auf einmal zu mögen. Anfangs waren die holländischen Schlachtenbummler noch in der frohen Hoffnung ins befeindete Nachbarland eingefallen, dort saftig für Stunk zu sorgen und den Deutschen die Partylaune versauen zu können. Die niederländische Fußballfan-Rüstungsindustrie hatte eigens hunderttausend orange gefärbte Plastiknachbildungen deutscher Stahlhelme angefertigt. Damit wollte man die "Moffen" provozieren, die ihrerseits endlich eine schlüssige Erklärung dafür gefunden hätten, warum die Holländer 1940 nur drei Tage durchgehalten haben - bei solchen Helmen!

Aber soweit kam es gar nicht. Die Deutschen hatten diesmal nämlich keine Lust zum traditionellen Geätze. Sie hatten seit der letzten WM 2002 einiges erlitten: Rot-Grün, Hartz und Agenda, Reformdebatten und -staus, Wachstumskrise, Geburtendesaster und Große Koalition und vor allem eines: Einen ebenso end- wie ergebnislosen Streit um wer weiß was alles. Weiteres fruchtloses Gekabbel war Anfang Juni also das letzte, wonach den Deutschen der Sinn stand; sie verweigerten den Fußballkriegsdienst und erfüllten so den Traum aller Pazifisten, "brüderlich mit Herz und Hand".

Da kamen sich die Holländer auf einmal ziemlich käsköppig vor. "Geschämt" hätten sie sich angesichts der deutschen Gastfreundschaft wegen ihrer Helmchen, gaben sie der mitgereisten niederländischen Presse gleich "mannschaftsweise zu Protokoll", wie diese berichtet. Selbst britische Kommentatoren räumen kleinlaut ein, bislang im falschen Film gewesen zu sein, was Deutschland angeht.

Nun ja, ist ja alles ganz nett. Wer's gern flauschig hat, der soll unseretwegen mitkuscheln. Doch echten Kerlen geht das Händchenhalten nicht nur langsam auf die Nerven, sie machen sich auch ernsthafte Sorgen: Gehen uns etwa demnächst die Raufkumpane aus? Gibt es ein Leben nach dem Erbfeind? Verweigern uns die Briten demnächst sogar den (Hitler-) Gruß? Deutschland verkommt zum läppischen Lächelland. Wo ist unsere Dauerdepression geblieben? Harald Schmidts Albtraum ist wahr geworden: Der bekannte einmal, er könne sich nichts Schlimmeres vorstellen als morgens aufzuwachen und lauter fröhliche Deutsche vorzufinden. Unsere Saulaune sei die Basis für Weltliteratur gewesen. Und mehr als Literatur: Haben Sie Beethoven mal in die Augen geschaut? Guckt der etwa wie "hereinspaziert, ihr Lieben"? Nein, die Augen auf dem bekannten Gemälde sagen nichts anderes als: "Raus! Ich habe zu arbeiten!"

Deutsch sein heißt muffig sein, das war unsere Parole. In unserem unschlagbaren Erfindungsreichtum hatten wir das Perpetuum mobile der Niedergeschlagenheit erfunden: Das dauernde Gejammere versorgte sich selbst mit Energie, indem wir am heftigsten darüber gejammert haben, daß soviel gejammert wird.

Aus und vorbei: Letzte Woche haben die letzten Kämpen der miesen Stimmung ihre Waffen gestreckt. Die GEW, wir hatten es berichtet, wollte der tanzenden Germania ins Knie schießen, indem sie das Deutschlandlied "problematisierte". Das Ergebnis ist ein Fiasko: Die Kugel blieb im Rohr stecken, das ganze Pulver kam hinten raus. Witzig ist so etwas nur im Zeichentrickfilm.

Völlig verschmaucht und verdattert teilt uns GEW-Oberlehrer Ulrich Thöne mit, daß seine einst gefürchtete Organisation bei dem Schuß alle Zähne verloren habe. Daher kann die Lehrergewerkschaft jetzt nur noch vorgekauten Kram müffeln wie die von allen anderen lange vor ihr genossene "Weltoffenheit der Deutschen", gegen die auch Thöne nun nichts mehr haben will.

Der Gewerkschaftsboß entschuldigt seine wirren Tiraden gegen das Deutschlandlied heute damit, daß er von der Entwicklung in Deutschland nichts mitbekommen habe ("Ich konnte das überhaupt gar nicht verfolgen!"). Hier mag man einwerfen, daß wir schon länger den Eindruck hatten, daß die GEW ein bißchen weg ist von den aktuellen Entwicklungen. So meint Thöne das natürlich nicht. Er sei gerade in Israel gewesen, als ihm zu Hause der Laden in die Luft geflogen ist. Dafür kann Israel nichts. Noch weniger kann es dafür, daß es bei Thönes Rückzugsgefecht gegen das Lied der Deutschen als flaue Rechtfertigung herhalten mußte ("Ich bin gerade ein bißchen sensibilisiert").

Als er in Deutschland aus dem Flugzeug kam, erlitt der frisch sensiblisierte Thöne ein Schocktrauma. Dem "Deutschlandradio", brabbelte er ins Mikro: "Und das war offensichtlich die Fehleinschätzung zu glauben, daß das, was 1990 möglich war, nämlich darüber zu diskutieren, ob man nicht zum Beispiel, wie Sie es in Ihrem Beitrag genannt haben, die Kinderhymne als einen Bestandteil, können aber auch andere Dinge sein, als einen Bestandteil zu nehmen, daß diese Diskussion überhaupt nicht en vogue ist, überhaupt nicht anstand, aber das war auch eine Einschätzung, die aus einer Zeit resultierte vor der Weltmeisterschaft, bei der man nicht sehen konnte, wieviel und wie breit als Gegenreaktion auf versuchte Einnahmen von falscher Seite als Gegenreaktion freundlich und friedlich auf den Straßen zu sehen war."

Diagnose: Der Mann ist völlig durch den Wind - aus nachvollbaren Gründen: Was vor seiner Israelreise noch als kritischer Geist der postnationalen Deutschlandentlarvung allseits anerkannt war, schwirrt seit knapp drei Wochen wie ein verstörtes Schloßgespenst durch die plötzlich taghellen deutschen Gewölbe. Man hat sein Lebenswerk zerstört: Von Studententagen an hatten Thöne und die Seinen an einem apokalyptischen Deutschlandbild gepinselt, bis sich das Höllengemälde des Hieronymus Bosch daneben wie ein barockes Genre-Idyll ausnahm. Die Deutschen haben sein Meisterstück in wenigen Tagen kaputtgelacht.

Als besonders verwerflich muß dem GEW-Chef die Kollaboration des Auslands in die Glieder gefahren sein. Auf die war früher immer Verlaß: Wer die "Ängste unserer Nachbarn" in die Debattenschlacht warf, hatte gewonnen. Und wenn die sich nicht von alleine ängstigen wollten, dann fuhr man eben hin, erzählte wie Günter Grass 1989 in Brüssel, daß die deutsche Einheit schreckliche Dinge heraufbeschwören könnte, und zitierte später: Auch in Belgien haben die Menschen Angst, daß die deutsche Einheit schreckliche Dinge heraufbeschwören könnte.

Das aber klappt diesmal nicht, obwohl wir mit der Ausrufung von "no-go-areas" und "Reisewarnungen" das Unsrige dazu getan haben, um die ersehnten Befürchtungen zu säen. Das Ausland jedoch hat versagt und weigert sich, angesichts der schwarzrotgoldenen Massenbegeisterung die Ängste auszudrücken, die es uns schuldig ist.

Das konnte so nicht weitergehen. Irgendetwas mußte geschehen, um das Deutschlandbild der Welt dem Thöneschen Monster wieder näherzubringen. Deshalb haben wir zum Äußersten gegriffen und Bruno ermordet. Das reizende Bärchen, das so gern mit den Schäfchen spielte und überdies sozial benachteiligt war (Problemfamilie!), erschien als das ideale Opfer deutscher Täter.

Die Operation trägt bereits Früchte: Im Internet lesen wir, daß Deutschland nun die WM verlieren werde, als "gerechte Rache der Natur am Deutschen". Na also, was diese offenbar ziemlich heruntergekommenen Ausländer von der Spezies homo sapiens sapiens nicht mehr hinbekommen, übernehmen nun die anderen Gattungen. Als Vollstrecker des feigen Anschlags auf den Alpenteddy haben wir übrigens nicht umsonst Bayern ausgewählt! Nur so kann uns Ulrich Thöne demnächst den zwingenden Zusammenhang erläutern zwischen der reaktionären Hölle des dreigliedrigen bayerischen Schulsystems, unserer unbewältigten Vergangenheit und dem fatalen Hang zum Bärenmord.

Deutsche erfanden das Perpetuum mobile der Saulaune: Über das Jammern jammern

"Ja! Nummer drei war's! Erschießen Sie ihn!" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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