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08.07.06 / Nicht der einzige Dauerpatient / Auch das Ausland kämpft mit der Bezahlbarkeit seines Gesundheitswesens

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Juli 2006

Nicht der einzige Dauerpatient
Auch das Ausland kämpft mit der Bezahlbarkeit seines Gesundheitswesens
von H.-J. Mahlitz

Das Grundproblem ist überall gleich: Die Menschen werden, statistisch gesehen, immer älter, die Medizin, die dies ermöglicht, wird immer aufwendiger und teurer, immer weniger Steuer- und Beitragszahler müssen immer mehr ärztliche Leistungen finanzieren. Das ist in Schweden nicht anders als in Spanien, in Österreich ähnlich wie in den USA, und im Prinzip jammern Engländer und Franzosen über dieselbe Malaise wie wir Deutschen - kein Land der sogenannten westlichen Welt, wo Gesundheitsreform nicht ein Dauerthema wäre.

Freilich hilft uns die Gewißheit, daß andere auch ihre Probleme mit der Gesundheit haben, nicht weiter; unsere "Hausaufgaben" müssen wir selber machen. Dennoch kann es helfen, über die Grenzen zu schauen: Wie machen es die anderen? Kann man vielleicht etwas von ihnen lernen - oder auch deren Fehler vermeiden?

Drei Modelle konkurrieren miteinander: das steuerfinanzierte staatliche Gesundheitssystem (Großbritannien, Italien), die beitragsfinanzierte gesetzliche Pflichtversicherung (Deutschland, Frankreich) und die reine Privatversicherung (USA, Schweiz). In den weitaus meisten Ländern, so auch bei uns, dominiert jeweils eines dieser Systeme, wird aber durch andere Elemente ergänzt.

Frankreich: Rund 90 Prozent der Franzosen sind über die "Régime général d'assurance maladie" oder kleinere Kassen für spezielle Berufsgruppen versichert. Häufig müssen sie bei Arzt und Apotheker in Vorleistung gehen und sich ihr Geld von der Kasse zurückholen. Der Eigenteil beträgt 25 Prozent der Arzthonorare und 30 Prozent der Medikamente; Bedürftige, chronisch Kranke und Mütter während einer gesetzlich festgelegten Zeitspanne sind davon befreit. Die Arbeitgeber zahlen 12,8 Prozent des Bruttogehalts, die Arbeitnehmer nur 0,75 Prozent. Da dies mit der Zeit nicht ausreichte, wurde vor 15 Jahren eine allgemeine Sozialsteuer eingeführt (7,5 Prozent auf 95 Prozent aller Bruttoeinkünfte - ohne Begrenzung!).

Für die Ärzte gibt es feste Gebührensätze, die aber zu Lasten des Patienten überschritten werden dürfen. Dadurch kann die Selbstbeteiligung auf 40 Prozent steigen. Nicht zuletzt wegen dieser Risiken haben nahezu alle Franzosen private Zusatzversicherungen.

Seit rund drei Jahrzehnten taumelt das französische Gesundheitssystem von einer Krise in die nächste. Die Kosten explodieren; bislang gab es etwa 20 Gesundheitsreformen, die sich am Ende aber meist auf das Erschließen neuer Geldquellen konzentrierten.

Positiv ist festzuhalten: Frankreich hat vergleichsweise niedrige Arzneimittelpreise, und das Niveau der ärztlichen Versorgung wird im internationalen Vergleich hoch eingestuft. Bei der WHO steht die Grande Nation sogar auf dem ersten Platz, allerdings sind die Erhebungsmethoden umstritten.

Großbritannien: Seit 1948 versucht London, mit dem "National Health Service" die klassenlose Medizin zu verwirklichen. Das System wird zu 80 Prozent aus Steuern finanziert, zu 20 Prozent aus Sozialabgaben der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Damit ist zwar die Grundversorgung für jeden gewährleistet, aber alles, was darüber hinausgeht, muß über private Zusatzversicherungen oder individuelle Zuzahlungen teuer erkauft werden und ist oft mit unzumutbaren Wartezeiten verbunden. Die britischen Politiker haben inzwischen die zentrale Schwäche erkannt und investieren massiv im Personalbereich. So soll innerhalb von fünf Jahren die Zahl der Chefärzte um 50 Prozent angehoben werden; mit leistungsgerechter Honorierung will man auch Mediziner aus dem Ausland, zum Beispiel aus Deutschland, anwerben. Die bisherigen Reformschritte haben aber bereits zu erheblichen Kostensteigerungen geführt, so daß die Briten letztlich einen grundsätzlichen Systemwechsel wagen müssen. Ähnliche Erfahrungen haben übrigens die Schweden gemacht: Ihr steuerfinanziertes Gesundheitssystem wirkt zwar durch eine breite Palette sozialer Wohltaten recht sympathisch, hat sich in der Praxis aber als teuer, ineffektiv und reformbedürftig erwiesen.

Schweiz: Alle Schweizer zahlen eine Pauschale in eine der privaten Versicherungen ein; die Höhe richtet sich nicht nach dem Einkommen, sondern nach dem Wohnort. Das Niveau der daraus finanzierten Grundversorgung ist hoch, weitergehende Leistungen (wie Zahnersatz) müssen extra bezahlt oder versichert werden. Dieses Modell hatte bei der ursprünglichen "Kopfpauschale" der Union Pate gestanden.

USA: Der Amerikaner muß grundsätzlich selbst für seinen Krankenversicherungsschutz sorgen. Arbeitgeberbeiträge zu Privatkassen sind freiwillig. Jeder zehnte US-Bürger ist überhaupt nicht versichert. Nur Arme und Alte genießen staatliche Hilfe. Das System ist unsozial und extrem teuer. Die medizinischen Leistungen bewegen sich allerdings auf höchstem Niveau.

Kosten des Gesundheitswesens in Prozent des Bruttoinlandprodukts:

Deutschland: 11,1 Prozent

Frankreich: 10,1 Prozent

Großbritannien: 9,4 Prozent

Schweiz: 11,5 Prozent

USA: 15 Prozent

 

Kosten pro Kopf in US-Dollar:

Deutschland: 2996

Frankreich: 2903

Schweiz: 3781

USA: 5635


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