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08.07.06 / Mißachtete Truppe / Franz Uhle-Wettler über die Schwächen der Bundeswehrführung

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Juli 2006

Mißachtete Truppe
Franz Uhle-Wettler über die Schwächen der Bundeswehrführung

Im Frühjahr erschien ein Buch, dem man weiteste Verbreitung und Beachtung wünscht, weil es Grundfragen unserer deutschen Gesellschaft, besser: der Verfaßtheit unserer Nation berührt. Es handelt sich um das Werk des im Ruhestand lebenden Generalleutnants der Bundeswehr Dr. Franz Uhle-Wettler mit dem Titel "Rührt Euch! - Weg, Leistung und Krise der Bundeswehr". Wer glaubt, hier ginge es nur um die Bundeswehr und ihre Soldaten, der greift zu kurz. Es wird nach der Lektüre des in tadellosen Deutsch geschriebenen und nicht allzu umfangreichen Buches klar, daß die Zustände in der Bundeswehr nicht isoliert zu sehen sind, sondern einen Ausschnitt aus den Verhältnissen in Deutschland bieten.

Uhle-Wettler, 1927 geboren, Flakhelfer, Reichsarbeitsdienst, Seekadett der Kriegsmarine, Kriegsgefangener, dann Studium unter anderem in den USA, anschließend mit dem Fahrrad nach Indien, um zu studieren, dann zu Pferd durch Afghanistan und Ostpersien, anschließend Promotion in Deutschland, trat am 1. Oktober 1956 in die Bundeswehr als Fahnenjunkerunteroffizier ein. Er gehörte also zu jenen, die die Bundeswehr aufgebaut haben und heute von einer bestimmten Gruppierung diffamiert werden. Als er 1987 mit dem Großen Zapfenstreich von der Bundeswehr verabschiedet wurde, war der Generalleutnant drei Jahre lang Kommandeur des "Nato Defence College" in Rom gewesen.

Vor allem aus Briefen, die er aus seinen jeweiligen Dienstpositionen im Laufe der Jahrzehnte an die Familie, an Freunde und Kameraden im in- und Ausland geschrieben hat und die er hier abdruckt, erfahren wir von den jeweiligen Schwierigkeiten, aber auch von den Erfolgen beim Aufbau und der Gestaltung der Truppe. Von Anfang an kritisiert der Offizier, daß es keine klare Linie in der Ausbildung der Soldaten gab. Es ging vorrangig um die Forderung nach demokratischer Gesamtordnung der Bundeswehr, weniger aber um ihre Kampfkraft. Allgemein herrschte in der Bundeswehr wie in der gesamten Gesellschaft Desorientierung, es gab (und gibt) auch keine führende Schicht, die gewillt oder in der Lage wäre, Orientierung zu bieten. So konnte es nicht ausbleiben, daß den Soldaten das Vertrauen in Vorgesetzte verlorenging. Es bildete sich das Gefühl, daß die Truppe der obersten Führung bis zum Verteidigungsminister nicht am Herzen liegt.

Dazu trug nicht zuletzt bei, daß von Anfang an die Bundeswehr nicht in ausreichendem Maße finanziell ausgestattet wird, um ihren Auftrag wirklich erfüllen zu können.

Nach seiner Beobachtung wird Ende der 50er Jahre die Bundeswehr "von unten nach oben immer schlechter". Positiv äußert sich Uhle-Wettler über die Wehrpflichtigen, die zumal in der Grundausbildung bereit sind, alles zu geben.

Wenig hält er von der propagierten Inneren Führung, die er in weiten Bereichen als weltfremd, als phantastische Utopie ansieht, von ihr im übrigen aber meint, daß jede moderne Armee, ob die Rote Armee der UdSSR, die Waffen-SS, die US-Army, ob die Nationale Volksarmee oder die Bundeswehr, nach dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform geführt worden ist. In einem bemerkenswerten Beitrag belegt er, daß die Grundgedanken der Inneren Führung der nationalsozialistischen Truppenführung entsprechen.

Negativ für die Armee wirkt sich nach seiner Ansicht die Intellektualisierung in der Offiziersausbildung aus. Sie wird im Ernstfall, und dafür wird die Bundeswehr ausgebildet, nicht helfen, ein tapferer Soldat zu sein, zumal die Quelle der moralischen Stärke eines Offiziers, die Standesehre und der Korpsgeist, heute bewußt verschüttet wird.

Uhle-Wettler verlangt feste Bindung des Soldaten an Tradition und / oder Religion. Eine politisch gewollte Ausbildung produziert die "Ungebildetsten Offiziere der deutschen Geschichte".

Zwar sind sie intellektuell etwa durch ein Studium der Volkswirtschaft oder des Maschinenbaus in diesen Fächern ausgebildet, beherrschen aber häufig die einfachsten praktischen Dinge des Soldatseins nicht.

In Nato-Stäben wird ihm zu seiner Erschütterung deutlich, daß die deutschen Offiziere im Gegensatz zu ihren ausländischen Kameraden "ihren nationalen Paß am Eingang abgegeben haben"; für sie gibt es keine deutschen Interessen.

Eingestreute Berichte über Erlebnisse sowie Anekdoten machen das Buch lebendig und die Lektüre zu einem Vergnügen. In seiner Schlußbetrachtung stellt der Autor fest, daß offiziell gern die Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft als wichtigstes Ziel hervorgehoben wird. Nie seien die deutschen Streitkräfte so vollkommen in die Gesellschaft integriert gewesen. Dann schweift sein Blick auf die Ministerbänke und er entdeckt

keinen einzigen mehr, "der seiner gesetzlichen Wehr- oder wenigstens seiner Ersatzdienstpflicht gefolgt war. Ein Blick aufs Parlament oder auf die Meinungsfürsten zeigt ähnliches". Seine Gedanken gehen eher zu seinen Soldaten, die oft mehr als ihre Pflicht tun und deren Haltung mehr Achtung verdient, als die jener, "die sich mitsamt ihrem Verfassungspatriotismus und ihrer Gesetzestreue und ihrer Integrationsbegeisterung mit Hilfe zwei- und eindeutiger Methoden um ihre gesetzliche Dienstpflicht herumlaviert haben".

Das Buch schildert den Zusammenstoß eines Mannes, der bewußt und gerne Soldat war und ist, mit der Bundeswehr. Daß bei dem Zusammenstoß manches hohl klingt, das liegt nicht an dem Verfasser des glänzenden Buches. H. J. von Leesen

Franz Uhle-Wettler: "Rührt Euch! - Weg, Leistung und Krise der Bundeswehr", Ares Verlag, Graz 2006, geb., 216 Seiten, zahlr. s/w-Abb., 19,90 Euro, Best.-Nr. 5336


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