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22.07.06 / Jetzt will Rußland ganz hoch hinaus / G-8-Gipfel als Alternative zur Uno? – Deutschland steckt in der Energiefalle

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Juli 2006

Jetzt will Rußland ganz hoch hinaus
G-8-Gipfel als Alternative zur Uno? – Deutschland steckt in der Energiefalle
von Klaus D. Voss

Mit leeren Händen von einem Gipfel zurückzukehren, ist für Staats- und Regierungschefs nicht unbedingt ein neues Gefühl. Auf Gipfeltreffen wird selten die Welt neu erfunden. In St. Peterburg hatte die Runde der sieben führenden Industrienationen und Rußlands wenigstens eine lautstarke Erklärung zum Nahen Osten zu Protokoll gegeben – beim Kernthema, der Sicherung von Energielieferungen, hat Deutschland wenig erreicht. Das politische Geschäft machte Gastgeber Putin, in stiller Allianz mit US-Präsident Bush.

Für Deutschland stehen die Dinge nicht gut: Für die nächsten Jahre ist eine deutlich wachsende Abhängigkeit von Rußland festgeschrieben – schon jetzt liefern russische (Staats)Unternehmen 32 Prozent des in Deutschlands benötigten Öls, bei Gas wird der Bedarf zu 34 Prozent gedeckt. Die in St. Petersburg verabredeten neuen Spielregeln für den Energiemarkt sind eher Abnahmeverpflichtungen denn Lieferzusagen; von Preisgarantien war keine Rede. Aus der Energiefalle kommt Deutschland kaum noch heraus – jetzt droht auch noch die Abhängigkeit von russischen Stromlieferungen.

Unter rot-grüner Regie hatte Deutschland den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie beschlossen, Bundeskanzlerin Angela Merkel fühlt sich durch den Koalitionsvertrag daran gebunden. 28 Prozent der inländischen Stromerzeugung stehen damit zur Disposition. International hat sich das Blatt gewendet: Alle Gipfelteilnehmer – außer Deutschland – wollen die Atomenergie verstärkt nutzen. Rußland kündigte bereits den Bau von 40 neuen Reaktoren an, mit Blick auf zahlungskräftige Kundschaft.

Die deutschen Bürger haben sich schon damit abgefunden, von Energielieferanten aus dem Ausland ausgeplündert zu werden. Die führenden Wirtschaftsinstitute warnen vor wachsenden Gefahren für die Konjunktur und den Wirtschaftsstandort durch Energiehöchstpreise. Vergeblich, von staatlicher Vorsorge ist auf dem Energiesektor wenig zu spüren. Merkel beließ es auf dem Gipfel bei dem beschwörenden Satz, Rußland habe Deutschland 40 Jahre lang immer zuverlässig beliefert.

Die Zeiten ändern sich, Rußland sammelt wegen der extrem gestiegenen Gewinne Kapital und damit gewaltige Investitionskraft an, die in dem Land wieder Supermachträume wachsen lassen. Mittlerweile ist nicht nur Rußland für deutsche Unternehmen interessant, sondern auch deutsche Unternehmen sind es für die Russen. Nicht ohne strategische Absicht will Moskau Kontrolle über die Energieverteilung in Deutschland gewinnen und sich an den großen Versorgungsunternehmen beteiligen. Die Russen wollen die gesamte Wertschöpfungskette von der Förderung über den langen Transportweg bis zur Verteilung an die Endkunden in die Hand bekommen. Wohlhabende Länder wie Deutschland sind die besten Kunden: Sie müssen jeden Preis zahlen, solange sie sich nicht weitgehend selbst versorgen können.

Zum ersten Mal hatte Rußland die sieben führenden Wirtschaftsnationen zu Gast, schon will Putin zur Spitze aufschließen. Zwar liegt Rußlands Wirtschaft noch weit hinter dem Standard der großen Sieben, aber allein der Machtgewinn wegen der beinahe unerschöpflichen Energiereserven beflügelt Moskauer Höhenflüge. Inzwischen diskutieren die russischen Medien offen, ob und wie sich die G-8-Runde mit Rußland in führender Position als Alternative zu den Vereinten Nationen ausbauen läßt.

Das allein scheint Moskau aber nicht zu genügen. Die Wirtschaftszeitung „Kommersant“ spekuliert offen über die Gründung eines strategischen Dreiecks in Asien: Rußland will mit China und Indien einen Konkurrenz-Gipfel zur G-8-Runde aufbauen. Die Moskauer Zeitung beschreibt das „Spiel auf vielen Feldern“ als neue Grundausrichtung der russischen Politik. Dabei soll die Einbindung in die westlichen Institutionen wie G-8 nicht beschädigt, der Boden für die neue globale Rolle Moskaus aber in Asien bereitet werden. Eine Erweiterung der G-8-Runde um Indien und China, wie es der britische Regierungschef Tony Blair vergeblich durchsetzen wollen, steht nicht auf Putins Wunschliste: Geteilter Einfluß ist halber Einfluß.


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