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22.07.06 / Parteien in Aufruhr / Österreichs Nationalratswahlen um zwei Monate vorgezogen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Juli 2006

Parteien in Aufruhr
Österreichs Nationalratswahlen um zwei Monate vorgezogen
von R. G. Kerschhofer

Die Wahlen zum Nationalrat, dem österreichischen Bundesparlament, werden statt zum regulären Termin Ende November bereits am

1. Oktober stattfinden. Obwohl alle Parteien der Vorziehung zustimmen, entspringt die Initiative dazu dem wahltaktischen Kalkül der Regierungsparteien ÖVP und BZÖ: Der „Glanz“ der EU-Ratspräsidentschaft – mit Kanzler Schüssel im Mittelpunkt – ist noch nicht verblaßt.

Die SPÖ befindet sich – vor allem wegen des Skandals um die Gewerkschaftsbank „Bawag“ – in einer Schwäche-Phase. Und das BZÖ könnte sich einen längeren Wahlkampf gar nicht leisten.

In Umfragen liegt die ÖVP derzeit bei rund 40 Prozent der Wählerstimmen, gefolgt von der SPÖ mit mindestens drei Prozentpunkten weniger. In Mandaten umgerechnet wären beide Anteile etwas größer, weil das Wahlrecht Großparteien leicht begünstigt. Die Grünen liegen bei etwa zehn Prozent, die FPÖ bei deutlich unter zehn Prozent und das BZÖ bei zwei bis vier Prozent. An dieser Rangfolge dürfte sich auch nichts mehr ändern.

Bei der Umrechnung in Mandate – und somit in Koalitionen – besteht allerdings ein hoher Unsicherheitsfaktor. Denn offen ist, welche Listen sonst noch bundesweit antreten: Der Europa-Parlamentarier Hans Peter Martin etwa, der als „Aufdecker“ bekannt wurde und die Unterstützung der „Kronen-Zeitung“ genießt, der mit Abstand auflagenstärksten Tageszeitung.

Oder die KPÖ, die unter einem unkonventionellen Partei-Chef Erfolge bei Lokalwahlen verbuchen konnte.

Je mehr Gruppen antreten, aber die Vier-Prozent-Hürde nicht schaffen, desto mehr Stimmen von Protestwählern gehen – vor allem der FPÖ – verloren und desto mehr Mandate gibt es für ÖVP, SPÖ und Grüne.

Als taktisch unklug erweist sich die Ansage der FPÖ, in der Opposition bleiben zu wollen, denn BZÖ-Chef Westenthaler trachtet nun, dem gemeinsamen Wähler-Potential einzureden, das BZÖ werde weiterhin „mitregieren“. Auffällig ist, wie häufig Haider-Nachfolger Westenthaler im ÖVP-dominierten ORF zu Wort kommt, während FPÖ-Chef Strache weitgehend geschnitten wird. Offizielle „Begründung“: Die FPÖ habe nach dem Abfall der meisten ihrer Abgeordneten nicht mehr Klub-Stärke im Parlament – das gleiche Argument verwendet ja auch das Bundeskanzleramt zur Streichung der Parteienförderung für die FPÖ.

Die Causa „Bawag“ wird jedenfalls ein Hauptthema des Wahlkampfs sein, selbst für die SPÖ. Partei-Chef Gusenbauer kann sich nämlich rühmen, „aufgeräumt“ zu haben, indem er – gegen heftigen Widerstand in SPÖ und ÖGB – durchsetzte, daß „hohe“ ÖGB-Funktionäre nicht mehr auf der SPÖ-Liste für den Nationalrat kandidieren dürfen.

Außerdem hat die SPÖ die Flucht nach vorne angetreten: Sie wirft der Regierung und speziell Finanzminister Grasser vor, daß die Bankenaufsicht völlig versagt habe.

Daß Grasser – wie eben bekannt wurde – im Vorjahr von einem Privatbankier zu einem Yacht-Ausflug eingeladen war, sorgt ebenfalls für Munition, denn an Bord war ein Hauptakteur der „Bawag“-Karibik-Geschäfte.

Schwer verständlich ist aber auch das Verhalten von Polizei und Justiz, denn erst Monate nach Auffliegen der Affäre gab es Hausdurchsuchungen bei den Verdächtigen, erst vorige Woche wurden die Konten eines Ex-Generaldirektors gesperrt, und Verhaftungen gab es gar keine.

Und das bei einem Schaden von drei Milliarden Euro! Der Öffntlichkeit sind noch von früheren Skandalen parteiübergreifende „Seilschaften“ in Erinnerung, aber auch die transatlantischen und nahöstlichen „Bawag“-Beziehungen könnten die Zurückhaltung der Behörden erklären.

Nach den Wahlen wird vielleicht mehr ans Licht kommen.


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