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22.07.06 / Giovanni in Jeans schockt Mozart-Freunde / Das geistige Eigentum des Komponisten wird schamlos ausgebeutet

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Juli 2006

Giovanni in Jeans schockt Mozart-Freunde
Das geistige Eigentum des Komponisten wird schamlos ausgebeutet
von Siegfried Matthus

Mozart: ein Zocker, ein Schelm, ein Spieler, ein Lebemann, ein Lover, ein Zotenreißer, ein Hallodri, ein Unikum, ein reicher Mann, der nur sein Geld nicht zusammenhalten kann – all das lesen wir über ihn. Ein typisches Beispiel, wie eine oberflächliche und sensationslüsterne Gesellschaft sich Mozart nach ihrem Ebenbilde formt.

Ja, hätte er bei diesem Lebenswandel überhaupt noch Zeit zum Notenschreiben gehabt? Heute liegen fast lückenlos sämtliche handschriftlichen Notizen, Skizzen und Partituren der Mozartschen Kompositionen vor. Ein heutiger versierter Notenschreiber würde für das Nachschreiben dieser Vorlagen mehr als 36 Lebensjahre – das Lebensalter von Mozart! – benötigen. Wie hat unser Komponist das alles in seinem kurzen Leben nur geschafft?

Mozart ist ein fleißiger, hochkonzentriert arbeitender Mensch gewesen. Alle musikalischen Einflüsse seiner Zeit, die er auf seinen vielen Reisen an verschiedenen Orten kennengelernt hat, sind mit seinen individuellen Ansichten über die Zeit und ihre Menschen verschmolzen und haben in seinen Kompositionen ihren musikalischen Ausdruck gefunden. Wie ihm das gelungen ist, das kann man mit großem Recht genial nennen.

Mozart hatte die Fähigkeit, Menschen zu durchschauen und sie nach den Maßstäben seiner Zeit zu beurteilen. Seine Briefe legen dafür ein reichliches Zeugnis ab. Die musikalisch eindringliche Gestaltung seiner Opernfiguren – Figaro, Susanna, Don Giovanni, Tamino, Pamina, Sarastro, Osmin und viele andere – hat das große universelle Format und ist bestenfalls mit den Theaterfiguren Shakespeares zu vergleichen.

Mozart wußte um die Wirkung und kannte den Einfluß der Musik auf Menschen. Er hat sie selbst erfahren und sie in ihren Affekten bewundernswert gestaltet und eingesetzt. So das großartigste und kürzeste Liebesduett in der Opernliteratur, „Tamino mein! O welch ein Glück! – Pamina mein! O welch ein Glück!“, oder das sehnsuchtsvolle Liebeswerben Susannas in ihrer Arie „O säume länger nicht“, die überschäumende Geste in Giovannis Arie „Auf, zu dem Feste“, die weisheitsvolle Güte Sarastros „In diesen heil’gen Hallen kennt man die Rache nicht“, das trotzig Aufmüpfende in Figaros Arie „Will der Herr Graf den Tanz mit mir wagen“ und unzählig viele weitere Beispiele.

Mozarts Musik ist ein unverzichtbarer Teil der musikalischen Weltkultur. Ihn und sein Werk in diesem Jubiläumsjahr in den Mittelpunkt des musikalischen Interesses zu stellen ist eine lobenswerte Tat. Wenn damit nicht nur diese entsetzlich oberflächlichen Betrachtungsweisen seines Werkes und seiner Person einhergingen.

Fast jeder heutige Regisseur der Mozartopern muß die Handlung in die Gegenwart versetzten (Giovanni in Jeans!), als ob unsere Zuschauer nicht klug genug wären und wüßten, das Allgemeingültige der Personen und Handlungen Mo-zartscher Figuren zu erkennen und für sich zu verstehen. Daß dabei die Gesamtstruktur der Opern zerstört wird, nimmt niemand zur Kenntnis. Daß dabei das geistige Eigentum eines genialen Komponisten schamlos ausgebeutet wird, ist nicht in dem Denken eines großen Teils unserer Gesellschaft vorhanden.

Tatsächlich verdanken die Opern- und Konzertinstitute in der ganzen Welt allein den Werken Mozarts und seiner Kollegen aus den vergangenen Jahrhunderten ihre heutige Existenz. Dirigenten, Regisseure, Sänger, Instrumentalisten, Manager, Orchester, die gesamte Musikindustrie und nicht zuletzt der Staat durch hohe Steuereinkünfte verdienen an seinen Werken ungeheure Summen. Für die Förderung der heutigen Komponisten ist hingegen kein Geld vorhanden. Das wird einmal böse Folgen haben.

Die Klassiker spielt man durch die ständige Wiederholung mit der Zeit tot – und dann gibt es keine neuen Werke. Wenn man Mozart heute fragen könnte, wo er seine beispiellosen Einkünfte aus den Aufführungen seiner Werke am besten anlegen sollte, dann würde er mit Sicherheit antworten: für die Förderung meiner kompositorischen Nachfolger.

Mein Mozart ist eine liebenswerte Lichtgestalt. Es ist tröstlich, daß so ein Mensch auf unserer Erde gelebt und gewirkt hat.

Mozarts Oper „Così fan tutte“ wird ab 4. August, 20 Uhr, im Heckentheater des Rheinsberger Schlosses zu sehen sein. Erstmals wird dabei das RIAS Jugendorchester musizieren. Bis zum 12. August wird es viele Veranstaltungen auf dem Festival geben. Informationen gibt es bei der Tourist-Information Rheinsberg, Telefon (03 39 31) 3 92 96, oder unter www.kammeroper-schloss-rheinsberg.de.

Don Giovanni in Berlin: Nicht jeder Opernliebhaber kann modernen Inszenierungen etwas abgewinnen. Foto: Komische Oper Berlin / Rittershaus


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