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29.07.06 / Aufbruch in eine bessere Zukunft / Ansprache Wilhelm v. Gottbergs beim siebten Sommerfest der LO in Lötzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Juli 2006

Aufbruch in eine bessere Zukunft
Ansprache Wilhelm v. Gottbergs beim siebten Sommerfest der LO in Lötzen

Verehrte Frau Bürgermeisterin Piotrowska, meine Damen und Herren, liebe Landsleute.

Zum siebten Mal veranstaltet heute die Landsmannschaft Ostpreußen aus Deutschland ein zentrales Sommerfest für die deutsche Minderheit im Ermland und in Masuren. Mit eingeladen sind auch polnische Freunde und Offizielle aus der Kommunalverwaltung sowie Deutsche, die extra zu diesem Sommerfest angereist sind oder die sich zum heutigen Zeitpunkt gerade als Touristen in dieser schönen Urlaubsregion aufhalten.

Wie auch vor zwei Jahren sind wir erneut an diesem Platz zusammengekommen, hier in der Masurenmetropole Gizycko, die wir aufgrund ihrer deutschen Vergangenheit Lötzen nennen.

Frau Bürgermeisterin, ich sage Ihnen im Namen aller hier Anwesenden ein herzliches Danke dafür, daß wir heute erneut Gäste Ihrer Stadt sein dürfen. Wie schon vor zwei Jahren, hat die Stadt Gizycko auch dieses Mal wieder organisatorisch und materiell Unterstützung für die Durchführung dieses Sommerfestes geleistet. Bitte übermitteln Sie unseren Dank auch dem Stadtparlament Ihrer Stadt.

Liebe Landsleute der deutschen Minderheit, hier in Masuren und auch aus dem Ermland, die Landsmannschaft Ostpreußen hat schon vor vielen Jahren eine Obhutspflicht für sie alle übernommen.

Wir konnten diese Obhutspflicht vor der Wende in Polen, vor 1990 nur ungenügend ausüben. Aber mit bescheidener humanitärer Hilfe konnten wir auch schon in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts unsere Landsleute unterstützen.

Mit der demokratischen Umgestaltung ab 1990 begann für alle Menschen in Polen eine neue Zeit, ein Aufbruch in eine bessere Zukunft. Die kleine deutsche Minderheit im südlichen Ostpreußen hat dabei besonders gewonnen. In der kommunistischen Sowjetzeit Polens waren die Deutschen eine tabuisierte, nicht existente Gruppe, deren Angehörige mehr versteckt als offen benachteiligt wurden.

Heute leben die Deutschen hier im Lande als anerkannte Minderheit mit gesicherten Rechten. Gestern konnte die AGDM in Allenstein ihr 15jähriges Bestehen feiern und auch die anderen deutschen Gesellschaften in der Woiwodschaft Allenstein (Ermland und Masuren) wurden schon vor zwölf oder 14 Jahren gegründet. Wir freuen uns darüber und wir danken Gott für diese Entwicklung.

Wir freuen uns auch, daß Polen in die Gemeinschaft der freien Völker Europas zurückgekehrt ist und die Polen die Vorzüge der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Freizügigkeit für sich in Anspruch nehmen können.

Schmerzlich ist uns der Gedanke, daß viele, allzu viele Ostpreußen die Zeitenwende nicht mehr erlebt haben. Das gilt auch für Landsleute, die nach 1945 aufgrund von Flucht und Vertreibung in der Bundesrepublik gelebt haben. Sie hätten gerne - unter voller Inanspruchnahme der persönlichen Freiheit - so wie das heute möglich ist, die Stätten ihrer Kindheit und Jugend besucht.

Das deutsch-polnische Vertragswerk von 1990 hat die Grundlage für ein partnerschaftliches Nachbarschaftsverhältnis geschaffen. Die Menschen in beiden Staaten haben das Vertragswerk mit Leben erfüllt.

Die heimatverbliebenen Deutschen im südlichen Ostpreußen haben dabei eine friedensstiftende Vermittlerrolle übernommen. Sie sind einerseits loyale Staatsbürger Polens, und das muß auch so sein, und andererseits als Angehörige der deutschen Minderheit Brückenbauer bei dem Prozeß der Normalisierung zwischen unseren Völkern. Polen und Deutsche können dankbar sein, daß dieser Prozeß bisher sehr erfolgreich war.

Wir haben die schlimme Entartung des deutsch-polnischen Verhältnisses während der nationalsozialistischen deutschen Besetzung Polens nicht vergessen. Es ist ja leider eine Tatsache, daß die deutsche NS-Diktatur im Zweiten Weltkrieg Polen mit brutalem Terror geknechtet hat und dem Stalinismus in Polen die Tür geöffnet hat.

Gott sei es gedankt, und ich sage dies mit voller Überzeugung, zum Beginn des Jahres 1945 war es für Polen mit dem deutschen Gewaltregime vorbei.

Danach waren die Deutschen dran. Durch Flucht, Vertreibung, Gewaltmaßnahmen, Zwangsassimilierung und Diskriminierung mußten die Ostdeutschen hier im Lande und noch viel stärker im Königsberger Gebiet für vorangegangene deutsche Verbrechen bezahlen.

Die schweren Jahre für Polen zwischen 1939 und 1945 einerseits und für die Deutschen zwischen 1945 und 1955 andererseits haben eine emotionale Mauer zwischen unseren Völkern geschaffen, die wir gemeinsam seit 1990 Stück für Stück abgeräumt haben.

Das ist eine großartige Leistung, an der viele mitgewirkt haben, Polen wie Deutsche. Und nicht zuletzt Sie, liebe Landsleute in den deutschen Gesellschaften, hier im südlichen Ostpreußen.

Mit der Alternativbezeichnung "südliches Ostpreußen" für die heutigen polnischen Regionen "Ermland" und "Masuren" wollen wir an die sehr lange deutsche Vergangenheit dieses Landes erinnern, das nun seit über 60 Jahren eine polnische Gegenwart hat. Ich weiß, daß die polnischen Menschen dafür Verständnis haben.

Vor zwei Monaten ist das deutsch-polnische Jahr zu Ende gegangen. Es beinhaltete eine Vielzahl von Veranstaltungen hier im Lande und in Deutschland, bei denen Polen und Deutsche gemeinsam mitgewirkt haben. Es war gewissermaßen ein Jahr, in dem Polen und Deutsche unablässig im Gespräch waren.

Das ist gut und wichtig, denn nach der Normalisierung des deutsch-polnischen Verhältnisses wollen wir eine weitere Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen erreichen.

Wir wollen ein freundschaftliches Miteinander als gleichberechtigte Partner in der Europäischen Union. Dazu ist ein ständiger Dialog wichtig, den wir hier im Lande ja auch führen. Wir haben im Ermland und in Masuren gewissermaßen ständig ein deutsch-polnisches Jahr.

Es gibt kein Heimattreffen der Ostpreußen in Deutschland ohne polnische Ostpreußen als Gäste. Es gibt kein Sommerfest der deutschen Gesellschaften im Ermland, in Masuren ohne polnische Gäste. Mit ihren bisherigen fünf kommunalpolitischen Kongressen hat die LO ostpreußische Kreisvertreter und polnische Kommunalpolitiker aus Ostpreußen zum Dialog zusammengeführt. Wir wollen im nächsten Jahr erneut ein ähnliches Gesprächsforum auf ostpreußischen Boden veranstalten.

Damit leisten wir unseren Beitrag, daß Polen und Deutsche in gegenseitiger Achtung und Toleranz zueinander finden und als Frucht daraus unzählige individuelle Freundschaften entstehen.

Dabei will ich in Erinnerung rufen, daß es in der tausendjährigen Geschichte unserer Völker lange Zeitabschnitte gab, in denen Harmonie und Einigkeit unser Verhältnis kennzeichnete. Daran gilt es anzuknüpfen.

Die historische Wahrheit des 20. Jahrhunderts kann nicht umgedeutet werden. Aber die schlimmen Ereignisse zwischen 1914 und 1950 durften nicht Veranlassung sein, in den Schützengräben des kalten Krieges zu verharren. Gott sei Dank haben wir das überwunden.

Geschichte ist nach vorne immer offen, wir gehen einer besseren Zukunft entgegen. Im Interesse der Jugend unserer Völker und aufgrund unserer Verantwortung für den Frieden können wir nicht anders handeln.

Erinnerung und Trauer - hüben wie drüben - aufgrund der Ereignisse, die nun über 60 Jahre zurückliegen, sind im 21. Jahrhundert kein Grund mehr für Entzweiung, sondern die Basis für Freundschaft. Dazu möge auch dieses Sommerfest beitragen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche diesem Sommerfest einen weiteren harmonischen Verlauf mit guten Gesprächen und Freude an den Darbietungen.


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