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12.08.06 / "Ein Riesen-Eigentor geschossen" / Zweierlei Gedenken: Flierl eröffnet Mahntafeln am "Checkpoint" - Potsdamer Linke wollen Lenin zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. August 2006

"Ein Riesen-Eigentor geschossen"
Zweierlei Gedenken: Flierl eröffnet Mahntafeln am "Checkpoint" - Potsdamer Linke wollen Lenin zurück
von Markus Schleusener

Am Morgen des 4. August macht sich Alexandra Hildebrandt fertig für eine Freilicht-Museumseinweihung. Und zwar an genau der Stellen, an der vor gut einem Jahr ihre private Mauergedenkstätte abgeräumt worden ist. Dort entsteht jetzt eine staatliche Mauergedenkstätte. Hildebrandt ist schlecht gelaunt - was wird das werden?

Noch schlechter gelaunt ist Frank Henkel, der CDU-Generalsekretär. Der Wahlkampf läuft miserabel. Seine Partei unterkellert gerade laut Umfragen alles demoskopisch Dagewesene. Dann trifft er auf eine Abordnung der Jungen Union. Seine Laune klart sich etwas auf. Die JU ist generalstabsmäßig auf die Museumseinweihung vorbereitet. Schilder, Transparente ("Nie wieder Sozialismus in Deutschland, Herr Wowereit") - der Parteinachwuchs hat an alles gedacht. Zusammen begibt man sich in die Friedrichstraße. Zum einstigen Grenzkontrollpunkt "Checkpoint Charlie", einem der bekanntesten Orte des Kalten Krieges.

Dort steht Berlins postkommunistischer Kultursenator Thomas Flierl und weiht das Denkmal ein. "Die Nachkriegsordnung wurde Deutschland von den Siegermächten aufgezwungen", sagt er und schreitet zur Einweihung. Berlin hat ab heute ein neues Museum in Form eines bedruckten Bauzauns.

Es ist schon eine besondere Ironie, daß ausgerechnet Flierl, der die 2005 abgeräumten Kreuze als "zu emotional" charakterisiert haben soll, nun eine solche Gedenkstätte an der selben Stelle in Gegenwart eines Vertreters der US-Botschaft der Öffentlichkeit übergibt. Übertroffen wird die Ironie nur noch dadurch, daß zu den Sponsoren der 175 Tafeln auch Berlins Lieblingsmäzen Hans Wall gehört. Im Englischen bedeutet "Wall" schließlich "Mauer", und in der Zone hieß die Mauer ja auch "antifaschistischer Schutzwall".

Die Gedenkstätte bedeute "keine Relativierung des SED-Unrechts", betont Flierl, der selbst 1976 der SED beitrat und auch in den 80er Jahren noch Moskau-freundliche Propaganda in Ostberliner Kulturgazetten verbreitete. Genau deswegen suchten die Berliner CDU und einige Berliner Medien nach entlarvenden Verklärungen der roten Barbarei in Flierls Ansprache, ohne jedoch fündig zu werden.

Trotzig erklärt CDU-Generalsekretär Frank Henkel dennoch: "Die Fotoschau ist an Banalität und Geschichtsverfälschung kaum noch zu überbieten." Belege dafür liefert er nicht. Und der "Welt" ist die Ausstellung nicht Amerika-freundlich genug, sie erinnere an "ein schlechtes Schulbuch", kritisiert die Berliner Tageszeitung.

Alexandra Hildebrandt traut dem sich geläutert gebenden Flierl - auf die Ausstellung angesprochen - grundsätzlich nicht: "Was kann man von einem Kultursenator erwarten, der seit 1976 SED-Mitglied ist und dieses System mitgetragen hat?" fragt sie.

Flierl erklärt dagegen nach der kurzen Einweihungszeremonie in einer spontanen Pressekonferenz: "Ich habe mir die Tafeln noch gar nicht genau angesehen." In zwei bis drei Jahren solle das Grundstück bebaut werden - so lange sollen die Tafeln hängen.

Ganz anders sieht die Vergangenheitsbewältigung in Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam aus. Hier sind die Fronten noch klar. Es geht nicht um Mauertote, sondern um Lenin. Genauer gesagt um eine Statue des Sowjetdiktators.

Das Lenindenkmal stand vor einem früheren sowjetischen Offizierskasino. Das Grundstück in der Hegelallee hat inzwischen ein westdeutscher Investor gekauft, der das Gebäude renovieren läßt. Im Zuge der Bauarbeiten wurde die Statue abtransportiert.

Nun streitet die Stadt darüber, ob sie zurückkommen soll. Die Linkspartei ist naturgemäß für die Rückkehr des Revolutionärs, während die CDU heftig opponiert, schließlich sei Lenin einer der schlimmsten Gewaltverbrecher. Potsdams SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs sitzt zwischen allen Stühlen und kann "nach eigener Einschätzung auch ohne Lenin leben". Entscheiden wird der Landeskonservator, der am 20. August aus dem Urlaub zurückkehrt.

Zurück zum Checkpoint Charlie. Der Freitagvormittag endet doch noch mit einer positiven Überraschung für Alexandra Hildebrandt. Die Museumschefin, die die Zusammenarbeit mit Flierls Mitarbeitern abgelehnt hat, hat etwas entdeckt, als Flierl bereits weg ist und Henkel ein Interview im Lokalfernsehen gibt.

"Das müssen Sie sehen. Die haben sich ein Riesen-Eigentor geschossen", ruft die gebürtige Ukrainerin den Journalisten zu. Sie hat eine Tafel gefunden, auf der ihr Schreiben abgedruckt ist. Statt sich zu beteiligen, hatte sie ein Bild der Mauerkreuze und einen längeren Brief geschickt. Das Bild haben die Gestalter der Tafeln nicht verwendet, aber sie haben den harmlos eingeleiteten Brief ungekürzt wiedergegeben. Der letzte Absatz lautet: "Die von bürgerlicher Initiative aufgebaute und am 31. 10. 2004 eröffnete Gedenkstätte ‚Sie wollten nur die Freiheit' mit den 1067 Kreuzen für die Opfer der deutsch-deutschen Teilung wurde vom rot-roten Berliner Senat aus politischen Gründen brutal abgerissen."

Offensichtlich haben sich wirklich weder Flierl noch seine Genossen den Text näher angesehen, sondern einfach 1:1 abgedruckt. Für Hildebrandt ist es noch ein guter Tag geworden.

Die Betreiberin des Mauermuseums an der Friedrichstraße, Alexandra Hildebrand, mit Berlins CDU-Generalsekretär Frank Henkel bei der Enthüllung der neuen Gedenktafeln, Foto: Schleusener


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