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12.08.06 / Das Regensburger Gruselkabinett

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. August 2006

"Moment mal!"
Das Regensburger Gruselkabinett
von Klaus Rainer Röhl

Wenn ein Besucher der alten Reichsstadt Regensburg, die viele Jahrhunderte lang Tagungsort des deutschen Reichstags war und sich heute auch gerne "Papststadt" nennt, die Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt, wird er, weil er vielleicht aus dem Osten Deutschlands stammt oder sich für die deutsche Kultur in den Ostprovinzen interessiert, die "Ostdeutsche Galerie" besuchen wollen. Die sehenswerte Sammlung alter Bilder, Plastiken sowie anderer Kunst- und Gebrauchsgegenstände stammt von Deutschen im Osten. Gelangt er in die Nähe des hellen, solide gebauten neoklassizistischen Gebäudes, dessen Eingangshalle von vier Säulen getragen wird, weicht er unwillkürlich zurück: Alle vier Säulen sind mit einer knallroten Teppichbodenrolle ummantelt, noch nicht einmal regelmäßig stehen sie vor dem Portikus, sondern fallen auseinander wie achtlos hingeworfenes Kinderspielzeug. Eine Baustelle? Doch was wie ein vorübergehender Schutz für die Eingangssäulen aussieht, soll überhaupt nicht vorübergehen nach dem Willen der neuen Herren der Ostdeutschen Galerie, es ist - Kunst! Das "Museum Ostdeutsche Galerie", gegründet 1966 auf der Grundlage des Bundesvertriebenengesetzes und noch heute getragen von der Bundesrepublik Deutschland, der Stadt Regensburg und dem Staat Bayern, liebevoll gepflegt und gern von Vertriebenen besucht, ist unter die Räuber gefallen. Mitsamt seinem nicht unerheblichen Etat und dem von der Galerie vergebenen, sehr begehrten "Lovis-Corinth-Preis". Und das ganz legal. Vor zwei Jahren machte sich die an die Spitze der Galerie gelangte neue Leiterin Ulrike Lorenz daran, zusammen mit der Künstlergilde Esslingen den von der Ostdeutschen Galerie vergebenen "Lovis-Corinth-Preis" umzufummeln. Konnten die bisherigen Preisträger, Karl Schmidt-Rottluff, Oskar Kokoschka, Otto Herbert Hajek, Markus Lüppertz und Sigmar Polke durchaus für deutsche Kunst in Osteuropa als repräsentativ angesehen werden, so wollte man diesmal mit der Wahl der Tschechin und "Installations-Künstlerin" Magdalena Jetelova ein Zeichen setzen, für "kulturelle Öffnung und Integration im geeinten Europa". Der sozusagen runderneuerte Preis sollte künftig nicht mehr die Erinnerung an die deutsche Kultur im Osten Europas wachhalten, sondern nun den "Austausch mit Künstlern aus den Staaten Ostmitteleuropas fördern".

Dieses war der erste Streich. Im zweiten Zug wurde die Lovis-Corinth-Preisträgerin 2006 auch gleich beauftragt, mit einer Sonderausstellung frischen Wind in die "Ostdeutsche Galerie" zu bringen. Eine Tschechin in der Ostdeutschen Galerie? Oh nein, Frau Jetelova hat längst einen deutschen Paß, seit sie 1985 in die Bundesrepublik "emigrierte". Ebenfalls einen deutschen Paß hat ihr Chef, der Tscheche Paval Liska, seit Jahren bereits wissenschaftlicher Direktor des Museums "Ostdeutsche Galerie". Alles noch klarer? Deutsche Kultur in Osteuropa. So kann man es auch sehen. Seit dem 29. Juni ist die neue Ausstellung beziehungsweise die Installation der Frau Magdalene Jetelova eröffnet. Nach ihrem Motto "Nichts soll so bleiben, wie es ist." Das Museum oder, wie sie es jetzt nennen, das "Kunstforum" soll nicht länger ein "Archiv abgelegter Gegenstände und verstaubter Erfahrungen sein, sondern offen für die Bürger der Stadt und die Aufgaben der Politik". Hatte nicht Rudi Dutschke gefordert, man solle die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringen? Deshalb die fallenden Teppichrollen im Eingang. Im Inneren geht das Gruselkabinett erst richtig los. Zwischen die Ölgemälde und Aquarelle, die "Seelenlandschaften zwischen Ostsee und Riesengebirge", plazierte die "Künstlerin" grelle Leuchtkästen mit "Farbdias, Videos, Installationen, Objekten und weiteren Arbeiten", die sechs ihrer Meisterschüler, Koreaner, Neuseeländer, Litauer, Kroaten und Tschechen, zwischen die "Mentalitäts- und Erinnerungsreste der alten Ausstellung, mit denen keiner mehr etwas anfangen kann", gestreut haben, schief und krumm, wie bei Hempels unter dem Sofa. Aber: "Ist etwas auf Erden schief und krumm, so stinkt es bestimmt nach Petroleum", reimte Kurt Tucholsky einst über die amerikanischen Ölmagnaten und ihre über Leichen gehende Politik. Doch es gibt nicht nur Öl-Interessen. Es gibt auch Interessen in der Kunst. Auch damit kann man viel Geld verdienen und Schaden anrichten. Sagen wir es so: Ist etwas im deutschen Kunstbetrieb schief und kaputt, so denkt man bestimmt an Beuys' Schutt. Beziehungswiese an seine "Akademie der bildenden Künste" in Düsseldorf. Die Tschechin mit deutschem Paß Magdalena Jetelova (60) ist Professorin in Düsseldorf.

Was macht Frau Jetelova, wenn sie gerade keine Zeichen setzt? Laut Lehrstuhl-Bezeichnung ist sie Bildhauerin, doch "Bildhauer zu sein, bedeutet nicht nur mit einem Material zu arbeiten", sagt sie, sie arbeitet mit "Fotografie, Laser, Holz, Ruß (klar), Metall, Video, Wörtern und Sand" (klaro), sie will "dieses Spiel mit Wahrnehmung, Verschiebung, einer Verrückung der Ebenen (alles klar)". Zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn machte Magdalene Jetelova "hauptsächlich mit raumsprengenden Möbelskulpturen aus monumentalen Eichenstämmen von sich reden, als ironisches Abbild der realsozialistischen Wirklichkeit" (ach so). Dann kamen die Natur und die Architektur dran, mit denen die Bildhauerin sich ihre Späße erlaubte. Gegen das kommunistische Regime Fidel Castros hatte sie die atemberaubende Idee, eine "Video-Installation" vom Abriß eines maroden Hochhauses zu drehen, die im zweiten Teil rückwärts läuft, so daß am Ende das Hochhaus stolz aufgerichtet wieder dasteht. Irre komisch. Den Titel dafür "Venceremos / Sale" (Wir werden siegen! / Ausverkauf) fand sie so originell, daß sie ihn für das Regensburger Gruselkabinett gleich noch einmal verwendete. Die "FAZ" trocken, eher lobend als abwertend: "Sie hat als Abbruchexpertin Karriere gemacht." Alles klar: Ausverkauf. Mit dem läppischen Flohmarkt, Gesamtkunstwerk genannt, wollen Frau Jetelova und ihre Freunde aus Brünn die "Ostdeutsche Galerie" aus ihrem angeblichen Dornröschenschlaf aufschrecken. Richtiger gesagt, sie wollen die Absicht ihrer Gründer von 1966 in ihr Gegenteil umkehren. Fragt sich nur, wer den ganzen Unfug bezahlen soll: Weiterhin die Bundesrepublik Deutschland, die Stadt Regensburg und der Freistaat Bayern?


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