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12.08.06 / Wenn leben zur Qual wird / Es sterben mehr Menschen durch eigene Hand als durch Verkehrsunfälle

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. August 2006

Wenn leben zur Qual wird
Es sterben mehr Menschen durch eigene Hand als durch Verkehrsunfälle
von Ernst Kulcsar

Der alte Herr, der jüngst wegen der Höllen-Hitze aus dem Fenster eines Nürnberger Altenheims in den Tod sprang, ist weder der erste, der sich das Leben nimmt, noch der erste Hitzetote. Aber er ist wahrscheinlich der erste, der nachweislich wegen der Hitze den Tod suchte: "Diese fürchterliche Hitze. Ich halte diese Qualen einfach nicht mehr länger aus", so der kurze Abschiedsbrief. Die "Nürnberger Abendzeitung", die den Vorfall meldete, berichtete auch von einer "unerklärlich massiven Selbstmordwelle in Franken". Allein in Nürnberg wurden seit Anfang Juni 30 Suizide registriert. Damit hat sich die Sommerhitze als neueste Suizid-Ursache erwiesen.

In den meisten Fällen ist die Selbsttötung Symptom einer Depression, einer verwandten psychischen Störung oder von schweren Erkrankungen respektive Behinderungen. Gründe wie Lebenskrisen oder Ehrverlust sind weitaus seltener.

Einen besonderen Fall stellen jene schwerkranken Patienten dar, deren Todeswunsch durch andere erfüllt wird. Das Thema ist rechtlich, medizinisch und ethisch äußerst umstritten. Seltener schon geht dem Selbstmord die Tötung Dritter voraus, meist Partner und Kinder, dann spricht man vom "erweiterten Suizid".

Ob ein Suizid moralisch zulässig ist, darüber streitet man seit der Antike und in allen Weltreligionen. In westlichen Gesellschaften wurde er lange Zeit als unmoralisch und entehrend betrachtet, während er in anderen Kulturen eine Methode zur Wiederherstellung der verlorenen Ehre ist. So galt es bei den Römern als ehrenvoll, sich in ausweglosen Situationen ins Schwert zu stürzen. Im Judentum wurden Selbstmörder wie Schwerverbrecher behandelt, da allein Gott Leben gab und nehmen konnte.

Die christliche Kirche hatte ursprünglich keine Meinung zum Suizid. Erst im 5. Jahrhundert betrachtete Kirchenvater Augustinus den Selbstmord als Übel. Später verurteilte die (katholische) Kirche den Selbstmord kategorisch als Sünde.

Auch im Islam ist der Suizid verboten. Menschen, die sich töten, droht ein "ewiges Höllenfeuer", allerdings ist ein Suizid, der die Vernichtung von "Feinden des Glaubens" zum Ziel hat, der sicherste Weg ins Paradies, so islamistische Organisationen.

Der Buddhismus verbietet oder ächtet den Suizid zwar nicht, betrachtet ihn aber aus dem Verständnis des Reinkarnationsglaubens als unsinnig.

Die "Weltgesundheitsorganisation" (WHO) schätzt, daß es weltweit etwa eine Million Suizide pro Jahr gibt und zehn bis 20 Millionen gescheiterte Versuche. Nach einer Meldung der EU-Kommission wählen in den EU-Ländern jährlich 58000 Menschen den Freitod. Es sterben also in der EU jährlich mehr durch die eigene Hand, als es Verkehrstote gibt (50700). Auch in Deutschland war 2005 die Anzahl der Suizide (11000 bis 12000) größer als die der Verkehrstoten (5362).

Besonders häufig ist die Anzahl der Todesfälle bei den 15- bis 35jährigen. Die Zahl der Suizidversuche liegt um den Faktor zehn bis 15 höher als jene der ausgeführten Suizide, nämlich bei 100000 bis 150000.

Weltweit sind die Behörden alarmiert und wollen diese Zustände nicht mehr hinnehmen. Da Depressionen Suizid-Hauptursache sind, wurde die Wirksamkeit der Aufklärung darüber vom "Nürnberger Bündnis gegen Depression" untersucht. Im Ergebnis der Maßnahmen (Kinospots, Aktionstag etc.) aus den Schlußfolgerungen ging die Zahl der Selbsttötungen in Nürnberg um 25 Prozent zurück.

Im Jahr 2003 wurde von der WHO erstmals der 10. September als Welt-Suizid-Präventionstag ausgerufen, da Suizide nach Auffassung der WHO eines der größten Gesundheitsprobleme der heutigen Welt darstellen.

Mord oder Selbstmord?: Die Polizei ist in der Aufdeckung von Kapitalverbrechen immer erfolgreicher, dank moderner Ermittlungstechniken. Unser Foto zeigt eine Szene aus der ZDF-Krimireihe "SOKO Köln". Foto: ZDF


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