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12.08.06 / Von Dankbarkeit erfüllt / Zum Tod des Pianisten Gottfried Herbst

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. August 2006

Von Dankbarkeit erfüllt
Zum Tod des Pianisten Gottfried Herbst
von Silke Osman

Wer ihm einmal begegnet ist, wer einmal erlebt hat, wie er mit seinem Instrument, dem Klavier, umging, wie er Werke großer deutscher Tonsetzer interpretierte, der wird diese Begegnung nicht vergessen haben. "Abgeklärt ruhig und ausgeglichen, dabei doch temperamentvoll freundlich und einfallsreich", beschrieb ihn einmal die "Süddeutsche Zeitung". Wenn Gottfried Herbst Kompositionen von Haydn, Händel, Schumann, Schubert oder Debussy interpretierte, wenn er sie gar vorher seinem Publikum mit einfühlsamen Worten erläuterte, dann wurde man geradezu mitgerissen von der Intensität seiner Interpretation.

In Lyck erblickte er am 3. April 1928 das Licht der Welt. Schon früh erhielt er Musikunterricht, zunächst auf der Blockflöte, dann auf dem Cello. Im Schülerorchester des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums spielte er mit; seinen ersten Klavierunterricht erhielt er bei Erna Mozartski in Lyck. Neben der Musik waren es die Naturwissenschaften, die ihn begeisterten. Mit zwölf Jahren besaß er ein Teleskop und bestaunte die Sterne: "Das Bedürfnis, stets zu lernen, Inseln des Wissens anzusteuern und zu durchforschen, zwischen ihnen geistiges Umland aufzufüllen, das steckt seit Kinderjahren in mir."

Ein jähes Ende bereitete diesen Träumen die Flucht aus der Heimat. Über die Festung Königsberg und Danzig erreichte Gottfried Herbst schließlich Berlin - zu Fuß. Dort konnte er sein Abitur nachholen sowie ein Musikstudium am berühmten Sternschen Konservatorium und der Philosophie und Musikwissenschaften an der Freien Universität aufnehmen. Heinz Tiessen, der Komponist aus Königsberg, erkannte das Talent des jungen Ostpreußen und förderte ihn sehr. Konzerterfolge blieben nicht aus. Stuttgart, München und Zürich, wo er als Assistent von Geza Andra arbeitete, waren die nächsten Stationen in seinem Leben.

Auch im Alter gab der Künstler noch Konzerte, bei denen er sein Publikum begeisterte. Ab 2000 war der 1976 von der Landsmannschaft Ostpreußen mit dem Kulturpreis für Musik Ausgezeichnete viele Male in seiner Vaterstadt, um auch dort die Menschen mit seiner Kunst zu erfreuen. Bei seinem ersten Konzert in Lyck erinnerte er sich: "Ich bin im Januar '45 bei minus 30 Grad aus Lyck fort, nun komme ich nach 55 Jahren zurück - bei plus 30 Grad." Einmal im Jahr konzertierte der Ostpreuße auf der Insel Capri im Centro Caprese; auch spielte er in Lausanne und in vielen deutschen Städten wie etwa auf den Heidelberger Klaviertagen. Selbst Konzerte in Gefängnissen gab der Ostpreuße. Die Presse lobte ihn als "einen reifen Pianisten, der mit Weisheit und Erfahrung und abgeklärtem Blick an die Werke heranging".

In einem Gespräch sagte der Pianist einmal, der lange Jahre im bayerischen Icking lebte: "Schaue ich auf mein Leben zurück, so kann mich nur große Dankbarkeit erfüllen. Eine behütete und sorgenfreie, frohe Kindheit, die schweren Jahre 1944 bis 46 weiß Gott wie doch überstanden ... ich durfte mir den Traum erfüllen, Musik zu studieren, mein Leben mit Musik zu füllen. Ich begegnete vielen Menschen und Persönlichkeiten, die mich zum Teil auch formten und prägten, dafür bin ich besonders dankbar. Hie und da durfte ich Menschen im Medium der Musik erreichen, durfte sie teilhaben lassen an dem, was mein Herz bewegte. Ich habe Freunde weltweit, aber ich bin auch ein glücklicher Leser. Bücher waren mir zu allen Zeiten meines Lebens wichtig. Daher bin ich auch jetzt viel allein, aber nie einsam."

Am 24. Juli ist Gottfried Herbst von dieser Welt abberufen worden. Die Erinnerung an seine liebenswerte Art, an sein großes musikalisches Können aber ist geblieben.


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