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19.08.06 / Erzwungene Wege zu sich selbst / Die Berliner Ausstellung "Flucht und Vertreibung" - Viele Fragen bleiben offen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. August 2006

Erzwungene Wege zu sich selbst
Die Berliner Ausstellung "Flucht und Vertreibung" - Viele Fragen bleiben offen
von Klaus D. Voss

Die Kultur des Erinnerns ist ein Grundstein zivilisierter Gesellschaften - und ein Maßstab für die politische Kultur in einem Staat. Die Ausstellung „Erzwungene Wege: Flucht und Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts“, die jetzt die erste Bewährung vor den Augen der Besucher bestehen muß, stellt vieles auf die Probe. Die Ausstellung ist sorgsam durchdacht, sie wird ohne Aufgeregtheiten präsentiert. Der Ort im Zentrum Berlins, im Kronprinzenpalais Unter den Linden, nahe zur Museumsinsel mit Blick auf den Sarkophag der DDR, den schon halb abgerissenen „Palast der Republik“, ist gut gewählt. Daß hier die Erinnerung wachgehalten bleibt, im Zentrum der deutschen Geschichte, war die Mühen der Ausstellung wert. Nicht ohne Erfolg, wie der Zustrom in den ersten Tagen zeigt: Auffallend viele jüngere Menschen vertiefen sich in die Dokumente. Doch es bleiben Fragen offen.

Das Schicksal der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen zum Ende des Zweiten Weltkriegs wird in der Ausstellung in die Leiden anderer europäischer Völker eingebettet, die ebenfalls vor Willkür und Verbrechen fliehen mußten: Griechen und Armenier, Ungarn und Türken, Polen und Zyprioten. Menschen, die zum Spielball politischer Interessen gemacht wurden oder zum Opfer grausamer Rache. Eine beeindruckende Mahnung, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Aber das Schicksal der Deutschen tritt im Hauptteil der Ausstellung weit zurück. Man kann gegen die Berliner Ausstellung wenig einwenden, nur das eine: Es fehlt das kleine Quentchen Mut, das eine Sache zu etwas Großem macht.

Es scheint durch, daß man sich nur getraut hat, die Leiden der Deutschen in verdünnter Dosierung zu zeigen. Warum? Die Besucher geben offen an, mehr Antworten erwartet zu haben. Niemand wäre auf die Idee gekommen, bei einer Ausstellung in Deutschland den Opfern des Holocaust die Namen und Gesichter anderer anzufügen, die ebenfalls von Völkermördern getötet wurden. Das verbietet sich von allein. Ist es nicht so, daß man die Leiden des einzelnen mißachtet, wenn man sein individuell erlebtes Schicksal durch das der anderen teilt? Auch die Würde der Opfer ist unteilbar.

Im Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte sind Brüche nicht selten; das öffentliche Erinnern an Flucht und Vertreibung ist in einer solchen Bruchspalte versteckt. Doch die Biographien von heute lebenden zehn Millionen Menschen sind mit diesem düsteren Kapitel verbunden, als Betroffene und als deren Nachkommen. „Man wolle durch ein europäisches Tor gehen, um einen Blick auf das deutsche Schicksal zu werfen“, meinte die Präsidentin des „Bundes der Vertriebenen“, Erika Steinbach, als Initiatorin der Berliner Ausstellung. Im Grunde auch ein erzwungener Weg, selbst wenn am Ziel ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ stehen sollte.


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