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19.08.06 / Tortur / Durch Krieg und Enteignung

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. August 2006

Tortur
Durch Krieg und Enteignung

„Ein ganzes Lebenswerk, dahin.“ Ergreifend beschreibt Christa von Oppel in „Nur ein Stein blieb - Eine Geschichte von Flucht und Vertreibung“ ihre bewegende Lebensgeschichte. Auf einem Rittergut bei Sachsen aufgewachsen, schildert sie das Leben dort, den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, die Kriegszeit, den Einmarsch der Sowjets, die Besatzungszeit, die Enteignung und den Neuanfang im Westen. Literarisch umgesetzt wurden die Berichte der 1921 in Wellerswalde Geborenen von der Autorin Alexandra Cavelius, der es gelungen ist, Christa von Oppelns Biographie in mitreißende Worte zu verpacken. Christas Eltern erhalten vom Vater des Vaters das Rittergut Wellerswalde bei Leipzig, doch die an den alten von Oppeln zu entrichtenden Pachtzahlungen drücken die junge Familie sehr. Der Vater, immer wieder unter Depressionen leidend, droht, wenn die Kinder nicht gehorchen, mit Selbstmord. 

Auf die Gefühle der Kinder nehmen die Eltern, die nach Abschluß der Familienplanung getrennte Schlafzimmer bewohnen, wenig Rücksicht. Der Älteste wird auf ein Internat geschickt, „ein ,Muß‘ für angehende Gutsherren … Verletzte Kinderseelen hin oder her.“ Da in der Familie kaum Gemeinsamkeiten vorherrschen, geht jeder seinen Weg. Während die Schwester mit der Strickliesel spielt, schart Christa eine Kinderbande um sich, ihre Mutter scheucht die Angestellten und der Vater schafft sich eine Geliebte an, die er im Krieg, während die Mutter auf einem Verwandtenbesuch ist, sogar mit nach Hause bringt. Früh distanziert sich die Familie von den Nationalsozialisten, doch irgendwann hält man es doch für besser, die Töchter wenigstens zum „Bund deutscher Mädel“ (BDM) zu lassen. Christa lernt die Reisen mit dem BDM bald schätzen. Sie absolviert ihr Pflichtjahr und verliebt sich erstmals, doch der junge Mann fällt schon in den ersten Kriegstagen. 

Claus heißt ihre zweite Liebe, die sie, obwohl ihre Mutter ihn als „völlig unpassend“ bezeichnet, ehelicht. Von nun an vermittelt der Roman auch mit Hilfe von Christas Tagebucheinträgen in Form von Briefen an Claus, was sich im Leben der von Oppelns tut. Die große Liebe der jungen Ehefrau und Mutter zu ihrem Mann wird hierin besonders deutlich. Dann kommen die Sowjets, die die Bevölkerung schikanieren, wahllos töten und Frauen, auch Christa, vergewaltigen. „29. April 1945: Könnest du nur bei mir sein und mir beistehen. Liebster, ich sehne mich so sehr nach dir. Es ist alles Wahnsinn!“ Gleich unter diesem Eintrag steht „An diesem Tag ist mein Mann von einer russischen Handgranate zerrissen worden. Vielleicht war es besser, daß ich das erst Jahre später erfahren habe. Claus war mein letzter Halt. Hätte ich gewußt, daß er nicht mehr lebt, hätte ich keine Kraft gehabt weiterzumachen.“ Und Christa hatte noch einiges durchzustehen: Sie verliert ihr zweites Kind, erfährt vom Hungertod ihres Vaters als Kriegsgefangener in Auschwitz und wird als Gutstochter wie eine Verbrecherin behandelt. „Der erste Geburtstag meines (ersten) Kindes war der letzte Tag, an dem uns das Gut Wellerswalde noch gehörte. Zwei Monate danach habe ich mir meine ersten weißen Haare ausgerissen. Da war ich 23 Jahre alt.“ R. Bellano

Christa von Oppel / Alexandra Cavelius: „Nur ein Stein blieb - Eine Geschichte von Flucht und Vertreibung“, Piper, München 2006, geb., 379 Seiten, 22,90 Euro, Best.-Nr. 5671


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