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26.08.06 / Das Spiel mit den Daten / Eigentlich schützt das Bundesdatenschutzgesetz den Bürger, eigentlich …

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. August 2006

Das Spiel mit den Daten
Eigentlich schützt das Bundesdatenschutzgesetz den Bürger, eigentlich …
von Sverre Gutschmidt

Die eigenen Personaldaten als sorgsam gehütetes Geheimnis - diese Form von Datenschutz ist Illusion geworden. Seit dem ersten deutschen Datenschutzgesetz in Hessen 1970 hat sich die Welt der elektronischen Speicherung und Verarbeitung von Informationen radikal verändert. Der alte Grundsatz, daß Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie erhoben wurden, paßt längst nicht mehr. Politik, Ämter und Wirtschaft durchschauen den Bundesbürger ohnehin besser den je. Behördliche Datenschützer sind im Rückzugsgefecht.

Gegen die Vorratsspeicherung in der Telekommunikation ist kaum noch ein rechtliches Argument denkbar, der Patient mit allseits lesbarer Krankenkassenchipkarte ist bald Wirklichkeit. Das klassische Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist überholt - besonders unter dem Anspruch der Terrorfahnder ist die Debatte, welche personenbezogenen Fakten herausgegeben werden, was schützenswert und privat bleiben soll, längst überfällig.

Unter www.datenschutz.de  findet man sogar im Internet einen „gemeinsamen Service Ihrer Datenschutzinstitutionen“. Informationen stehen dort zu Politiker-Affären (Flug-Affäre) bereit. Die Lkw-Maut wird in dem Service-Portal kritisch auf Schwachstellen durchleuchtet. So heißt es im „virtuellen Datenschutzbüro“ mit realem Sitz in Kiel:

„Zunächst sind die neuen (Maut-)Brücken mit ihren Kameras und der eingesetzten Technik nicht ohne Brisanz. Obwohl Daten eigentlich nur für die Lkw-Maut erhoben werden sollen, werden auch alle vorbeifahrenden Pkw fotografiert.“ Die Betreiber erheben Pkw-Daten, die sie nichts angehen. Ein Verstoß gegen den klassischen Datenschutz, selbst wenn die Pkw-Daten innerhalb kürzester Zeit gelöscht werden. „Die Befürchtung, daß die einmal erhaltenen Daten doch in irgendeiner Form genutzt werden, scheint allerdings nicht völlig realitätsfremd“, so die Datenschützer.

Die Maut-Betreiber halten sich jedenfalls äußerst streng an die Datenschutzvorgaben, auch als es in Hessen darum ging, einen Doppelmörder zu fassen Ein Lkw-Fahrer, der die Tat begangen haben soll und über die Mautdaten seines Lasters leicht zu ermitteln gewesen wäre, wird wahrscheinlich unbekannt bleiben. Der Antrag der Polizei, Mautdaten für die Fahndung zu nutzen, war unter Verweis auf das geltende Recht, sprich den Datenschutz, abgelehnt worden. Proteste gegen diese absurd scheinende Handhabung halfen nicht. „Toll Collect“ war im Recht. Nun bereiten Politiker ein neues Gesetz zur Weitergabe dieser Daten vor. Laut Bundesinnenministerium ist in der Koalition nur noch strittig, bei welchen Delikten die Polizei im Archiv des Mautbetreibers „Toll Collect“ Einblick nehmen darf.

Sicher ist das Thema Maut kein Anlaß, vom „großen Bruder“ zu phantasieren. Ein Überwachungsstaat ist nicht real. Es ist nur ein Einzelfall, und doch beschreibt er gut das Mißverhältnis beim Datenschutz. Oppositionsparteien und Verbände befürchten des neuen Gesetzes wegen „eine völlige Aushöhlung des Datenschutzes“ (Jerzy Montag, Grüne). Der Bürger versteht dagegen längst nicht mehr, wann Daten zurecht erhoben und weitergereicht werden. Wer die angegrauten Regeln der Landesdatenschutzgesetze studiert, hat noch größere Verständnisprobleme.

So beim Bankgeheimnis, das faktisch nicht mehr existiert. Wer ein Konto eröffnet, gibt im Kleingedruckten der Geschäftsbedingungen dem Finanzamt zwangsläufig das Einverständnis zum gläsernen Bürger. Wer Konten bei mehreren Banken hat, gilt Finanzämtern bereits als verdächtig. Vieles erscheint nicht mehr verhältnismäßig.

Wo etwas mal geschützt ist und mal nicht, verkommt der Datenschutz zu einer Frage des Zufalls oder politischer Machtkämpfe um Symbolisches. Warum sonst gelten für Geheimdienstkontakte von Politikern und Prominenten (siehe Stasi-Akten) offenbar andere Daten- und Persönlichkeitsschutzrechte als beispielsweise für Arbeitsuchende?

Die Frage, was geht und was nicht, ist keine grundsätzliche mehr. Derzeit plant die Bundesregierung ein Gesetz zum Urheberrecht, das die Datenschützer der Bundesländer heftig kritisieren. Davon, wie die Richtlinie ausgearbeitet wird, hängt beispielsweise ab, ob die Musikindustrie die Herausgabe von Daten potentieller Raubkopierer erzwingen kann - ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis.

Zur zentralen Frage ist geworden, was Datenabgleiche und Analysen der zahlreichen gesammelten Fakten generell enttarnen können. Die derzeit politisch diskutierte europäische oder nationale Antiterror-Datei ist ein wichtiges Beispiel dafür. Auch gegen diese Maßnahme gibt es Widerstand, weil das Datenschutzrecht eine globale Auswertung dieser Daten nicht vorsieht. Auf das Vorhaben aber ganz zu verzichten und somit jede Chance zu verpassen, über die offenen innereuropäischen Grenzen hinweg handelnde Bombenleger zu fassen, ist ebenso undenkbar. Die Politik muß sich entscheiden.

 

Das Datenschutzgesetz

Das Bundesdatenschutzgesetz regelt mit den Datenschutzgesetzen der Bundesländer den Umgang mit personenbezogenen Daten. Hauptprinzip: Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten ist nur erlaubt, wenn entweder eine klare Rechtsgrundlage besteht, oder wenn die betroffene Person ausdrücklich (meist schriftlich) ihre Zustimmung zur Nutzung gegeben hat. Wo automatisierte Nutzung vorliegt, sind behördliche oder betriebliche Datenschutzbeauftragte zu ernennen. Datenvermeidung (Datensparsamkeit) und Anonymisierung sind, wo immer möglich, anzuwenden. Betroffen sind Informationen, die persönliche oder sachliche Verhältnisse einer natürlichen Person beschreiben. Dazu gehören die Personal- oder Telefonnummer, E-Mailadresse, Internetcode eines benutzten Rechners - grundsätzlich Daten, die unmittelbar die Identifizierung einer Person ermöglichen. Bestimmte Datenarten sind besonders geschützt: ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse Überzeugung, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit und Sexualleben.


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