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26.08.06 / Ein Zeichen für den Überwachungsstaat? / 1983 liefen Linke Sturm gegen die geplante Volkszählung

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. August 2006

Ein Zeichen für den Überwachungsstaat?
1983 liefen Linke Sturm gegen die geplante Volkszählung
von Hans Heckel

Der erste Anlauf zur vorerst letzten Volkszählung in der Bundesrepublik fiel 1983 zeitlich zusammen mit den Großdemonstrationen gegen die unmittelbar bevorstehende Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen und der eben erst vom Wähler bestätigten „Bonner Wende“. Die linke Hälfte des politischen Spektrums war zutiefst aufgewühlt, weshalb Protagonisten des linken Lagers kaum Mühe hatten, ihre Anhängerschaft glauben zu machen, daß jene Volkszählung nicht weniger sei als die letzte Etappe auf dem Weg in den totalen Überwachungsstaat.

Geplant war die Zählung für den April und Mai, also zufällig für die Zeit kurz nach dem Wahlsieg der am 1. Oktober 1982 per Mißtrauensvotum an die Macht gelangte Koalition von Union und FDP unter der Führung von CDU-Chef Helmut Kohl. Soweit kam es nicht: Mehrere Verfassungsbeschwerden konnten erreichen, daß das Vorhaben vom Bundesverfassungsgericht am 13. April 1983 vorläufig ausgesetzt wurde, bis endgültig über die Beschwerden entschieden sei. Am 15. Dezember hatten die Volkszählungsgegner gesiegt: Der vorliegende Fragenkatalog greife erheblich und ohne Rechtfertigung in Grundrechte des einzelnen ein, urteilten die Karlsruher Richter. Er sei daher nicht verfassungskonform und müsse überarbeitet werden.

An den Protesten hatte sich ein breites Bündnis linker bis linksextremer Kreise beteiligt. Mit Parolen wie „Zählt nicht uns, sondern eure Tage!“ brachten militante Volkszählungsgegner ohne Umschweife zum Ausdruck, daß ihnen die Zählung bloß als Vorwand diente, um das „System“ der Bundesrepublik an sich vorzuführen.

Gern griffen Volkszählungsgegner auch auf George Orwells weltbekannten Roman „1984“ zurück, in welchem dieser die Horrorvision einer alles überwachenden Diktatur entwarf. Orwell dienten Nationalsozialismus und Kommunismus als Vorbilder für seine düstere Fiktion. Das Jahr 1984 ergab sich lediglich aus der Ziffernumkehrung des Erscheinungsjahres 1948. Da es nun aber unmittelbar bevorstand, diente der Romantitel den Volkszählungsgegnern als willkommenes Mittel, ihr Anliegen dramaturgisch zuzuspitzen.

Das Bundesverfassungsgericht erkannte in seinem Urteil das „informationelle Selbstbestimmungsrecht“ der Bürger an, soll heißen: Die Bürger müßten wissen, „wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß“. Es gebe keine „belanglosen“ Daten, alle personenbezogenen Erhebungen müßten einzeln gerechtfertigt werden und dem Befragten müsse klar sein, wofür konkret die Informationen über ihn eingeholt würden. Dies war nach Auffassung der Richter bei der geplanten Volkszählung nicht gegeben.

Erst 1987 konnte dann im zweiten Anlauf eine um die strittigen Fragen reduzierte Zählung durchgeführt werden, die auf vergleichsweise geringen Widerstand traf. Als eine Folge der Verzögerung wird die grassierende Wohnraumverknappung am Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre betrachtet. Mit ausreichendem Datenmaterial hätte der Engpaß Jahre zuvor bereits vorhergesehen werden können, argumentieren Befürworter der Volkszählung von 1983.


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