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26.08.06 / Wenn Bacchus lacht / Ein Besuch im Weinmuseum zu Speyer ist nicht nur etwas für Trinkfeste

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. August 2006

Wenn Bacchus lacht
Ein Besuch im Weinmuseum zu Speyer ist nicht nur etwas für Trinkfeste
von Esther Knorr-Anders

Beginnen wir gleich mit Flaschen, und zwar mit den kostbarsten, die das seit 1910 bestehende, 1993 neueröffnete und fein herausgeputzte Weinmuseum birgt. Aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. stammt die grünlichgelbe Amphora, die nahe Speyer in einem römischen Steinsarkophag gefunden wurde. Fasziniert starrt man auf den noch flüssigen Weinrest am Flaschenboden, darüber schillert ein verharztes, rötliches Gemisch. Nicht weniger eindrucksvoll eine kleine, opalisierende Apothekerflasche aus Großjena bei Naumburg; der Deckel aus Blei gibt kund, daß dieses vierkantige Raritätenstück Sallewein von anno 1687 enthält. Vier Flaschen mit Wein der Jahrgänge 1540, 1631, 1822 und 1828 aus dem Besitz der Königlich Bayerischen Hofkellerei Würzburg vervollständigen die Sammlung einstiger Genüsse im Weinmuseum zu Speyer.

Akribisch verdeutlicht das Museum anhand seiner Exponate 2000 Jahre Weinkultur in der Pfalz, bindet auch den Mittelmeerraum, Lothringen und Mitteldeutschland in die Schau ein. Dem Weinbau und Weingenuß liegt eine über 8000jährige Geschichte zugrunde. Mit Wein wurden die glücklichen Feste des Lebens gefeiert, mit Wein wurde Abschied genommen; er war und ist Bestandteil religiöser Kulte. Wo Römer lebten, wurde Wein angebaut. Da kein Legionär zu bewegen gewesen wäre, ohne seine Tagesration Wein ein Arbeitsgerät zur Hand zu nehmen, mußte das edle Naß in ausreichender Menge vor Ort zum Gedeihen gebracht werden. Der Import aus der fernen Heimat war zu teuer. So entstand der Weinbau in der Pfalz. Was die Römer an Weinkultur hinterließen, setzten in späteren Jahrhunderten trinkfreudige und trinkfeste Mönche in den Klöstern fort.

Aber auch die weltlichen Potentaten wollten ihre Weinberge nicht verkümmern lassen und verpachteten sie an Winzer, wobei allerdings darauf geachtet werden mußte, daß außer Reben noch genügend Getreide und Gemüse Gelegenheit zum Wachstum erhielt. Mehrfache, politisch bedingte Absatzkrisen im 19. und 20. Jahrhundert machten der Pfalz zu schaffen. Nach 1933 verwirklichte der als Gauleiter eingesetzte Josef Bürckel die Idee, die Weinbaugemeinden an der Haardt zu einer „Deutschen Weinstraße“ zusammenzufassen. Sie wurde zu einem frühen und oft kopierten Weinvermarktungserfolg. August Croissant (1870- 1941) ließ es sich nicht nehmen, genannte Straße mit dem Aquarell „Das Weintor bei Schweigen“ festzuhalten.

Unter den zahlreichen Prachtfässern besticht eine „Mostlotte“, ein Holzfaß für bereits während der Lese gequetschte Trauben von etwa 1880. Um diese Zeit arbeiteten viele Juden als Weinhändler. Und so zeigt die „Mostlotte“ auf dem vorderen Faßboden das „Davidschild“, den sechszackigen Stern inmitten von geschnitzten Traubenranken; eine zierliche Küferfigur grüßt mit dem Weinglas.

Ein mit Goldauflage verziertes Prunkfaß wurde zur Silberhochzeit des pfälzisch-kurfürstlichen Paares Carl Theodor und Elisabeth Auguste 1766 gefertigt. Weinkrüge, Pokale, Humpen, Gläser in vielfältigen Formen sind zu sehen.

Bestechend schön ein grünschimmernder Humpen aus Böhmen. Der Bildschmuck, acht emaillierte Medaillons, zeigt Zwerge mit Utensilien der Winzerarbeit.

Das Nonplusultra aller Weingläser, der „Römer“ mit konischem Fuß und Nuppen, präsentiert sich in reicher Auswahl; überkommener Mär zufolge soll der erste Römerkelch dem „Busen der Aphrodite“ nachgebildet worden sein. Es konnte nicht ausbleiben, daß die Stimmungsbild-Malerei sich des Sujets „Freundliche Zecher und fröhliche Weinbauern“ annahm. Eduard Grützners „Falstaff“ und Johann Jakob Serrs „Herbstfest bei Rhodt“ legen beredtes Zeugnis ab.

Das Rudiment einer römischen Säule, die aus dem antiken Speyer (Noviomagus) in unsere Zeit herübergerettet werden konnte, gibt eine kultische Weinernte wieder.

Nackte Bacchanten hangeln im Rebengeflecht, schwere Trauben neigen sich. Man glaubt das Lachen des Dionysos (römisch: Bacchus) zu hören.

Klassischer Mythos läßt uns wissen, daß Götterhäuptling Zeus unerlaubte Liebschaft mit Semele aus Theben unterhielt. Die als gütige Alte verkleidete Zeusgattin Hera riet Semele, ihren Liebhaber nach seiner wahren Natur zu fragen. Wutentbrannt gab sich Zeus als „Himmelsfeuer“, als Gebieter über Donner und Blitz zu erkennen; Semele ward von den Flammen verzehrt. Traurig!

Doch die Frucht dieser Liebe, Dionysos-Bacchus, wurde gerettet. Er schuf aus der Traube den Wein und genießt seit jener Zeit unsterbliche Beliebtheit. Alsdann: Zum Wohl!

Das Weinmuseum Speyer im Historischen Museum der Pfalz, Domplatz, 67324 Speyer, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr geöffnet, Eintritt 4 / 3 Euro.


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