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02.09.06 / Tausche Martin gegen Werner / Aus kleinen Dingen können große Geschichten erwachsen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. September 2006

Tausche Martin gegen Werner
Aus kleinen Dingen können große Geschichten erwachsen
von Frieda-Louise Drent

Sie war nicht darauf vorbereitet, ihren Exmann bei diesem Konzert zu sehen. Einen Augenblick lang nahm es ihr den Atem, doch dann versuchte sie, ihn einfach zu ignorieren. Ihre Freude an den musikalischen Darbietungen war jedoch dahin. Was machte er hier? Er war doch nach München gezogen, damals, mit seiner neuen. War sie etwa auch hier? Susanne wagte es nicht, sich eingehend umzuschauen. Sie hatte aber dauernd das Gefühl, daß er sie anstarrte. In der Pause versuchte sie, ihm auszuweichen, aber offensichtlich war er darauf aus, sie anzusprechen. Trotz ihrer abweisenden Haltung erzählte er ihr, daß er sich von seiner neuen Freundin getrennt habe und jetzt definitiv zurückgekehrt sei. Dabei  sah er sie an, als ob er darauf wartete, daß sie ihm vor lauter Freude um den Hals fallen würde! Susanne hingegen verspürte alles andere als Freude und wollte sich nach einem kurzen Gruß entfernen.

„So warte doch! Wollen wir nicht ein bißchen plaudern? Wie geht es dir denn so?“

„Ehrlich gesagt wüßte ich nicht, was wir noch zu plaudern hätten!“

„Na hör mal! Immerhin waren wir 18 Jahre verheiratet!“

„Ach, jetzt auf einmal spielt das wieder eine Rolle?  Wenn ich mich recht entsinne, gab es da eine Zeit, wo dir das völlig egal war!“

„Sei doch nicht so bitter!“

„Ich bin überhaupt nicht bitter! Ich habe nur keine Lust, die Vergangenheit wieder aufzuwärmen. Ich habe damit abgeschlossen, und zwar endgültig.

Nimm das bitte zur Kenntnis!“

Der Gong, der das Ende der Pause ankündigte, erlöste sie aus dieser  unangenehmen Unterhaltung. „Es geht weiter. Nun denn, tschüs. Martin!“

Schnell entfernte sie sich.

„Darf ich dich mal anrufen?“ Sie tat, als hörte sie ihn nicht mehr.

Wie Susanne befürchtet hatte, bedrängte Martin sie in den nächsten Tagen unaufhörlich mit Anrufen und einmal  stand er sogar mit einem riesigen Blumenstrauß vor ihrer Tür. Sie öffnete nicht. Anscheinend war er fest entschlossen, sich sein altes ‚Spielzeug‘ zurückzuholen, jetzt, wo ihm das neue abhanden gekommen war. Aber Susanne war nicht willig, auf seine Avancen einzugehen. Sie mußte handeln!

„Jetzt hör mir mal gut zu! Ich will nicht, daß du mich fortwährend anrufst. Ich möchte mit dir nichts mehr zu schaffen haben! Habe ich mich jetzt klar genug ausgedrückt? Außerdem habe ich längst einen neuen Freund, mit dem ich sehr glücklich bin!“

Darauf war er wohl nicht vorbereitet. Auf die Idee, daß es für Susanne nach ihm einen anderen Mann geben könnte, wäre er nie gekommen!

Natürlich war es ihr klar, daß Martin ihr das nicht ohne weiteres abnehmen würde, und da weitere ‚zufällige‘ Begegnungen in ihrer kleinen Stadt nicht auszuschließen waren, mußte Susanne sich in der nächsten Zeit wohl oder übel mit ihrem erfundenen Freund in der Öffentlichkeit zeigen.

„Gibt es denn in deiner Klinik keinen geeigneten Kandidaten, den du bitten könntest, diese Rolle zu spielen?“ fragte ihre beste Freundin, mit der sie diese heikle Angelegenheit besprach. „Da laufen doch bestimmt ein paar nette Jungs herum!“

„Na, ich weiß nicht ... Das ist mir doch zu peinlich! Außerdem sind die doch alle in festen Händen, die werden sich hüten! Allerdings ... Werner ist Witwer ... Aber nein, den frag’ ich nicht! Das ist ein so liebenswerter, feiner Mensch. Dem kann ich doch sowas Verrücktes nicht zumuten!“

Beim nächsten Theaterbesuch traf sie diesen Werner zufällig bei der Garderobe. Sie unterhielten sich gerade sehr angeregt, als Susanne zu ihrem Schreck Martin schnurstracks auf sie zukommen sah.

Ehe sie sich ihrer Handlung richtig bewußt wurde, stellte sie ihm Werner Kirchhoff als ihren Freund vor, der Gott sei Dank sehr schnell reagierte, sich seine Überraschung nicht anmerken ließ und das Spiel sofort mitspielte. Er schien sogar amüsiert zu sein.

Martin hingegen konnte seinen Ärger kaum verbergen. War es also doch wahr!

Er murmelte ein paar Floskeln und entfernte sich dann so schnell wie möglich.

Er war so wütend, daß er überhaupt nicht mehr in der Stimmung war, sich mit einem Theaterstück zu beschäftigen. Stattdessen verließ er das Theater, um irgendwo seinen Ärger hinunterzuspülen.

Das paßte übrigens gut, denn so bekam er nicht mit, daß Susanne und Werner gar nicht nebeneinander saßen.

Werner nahm die Sache zu Susannes Erleichterung mit Humor und erklärte sich spontan bereit, diese Rolle auch weiterhin zu spielen. „Solange wie nötig, versteht sich!“ fügte er etwas verschmitzt hinzu. Seinen – wie sie meinte – etwas merkwürdigen Gesichtsausdruck wußte sie dabei nicht recht zu deuten; wie sie sich auch über ihre eigenen Gefühle in diesem Augenblick nicht ganz im Klaren war.

Schon bald hatte Susanne sich so sehr an Werner und an ihre gemeinsamen Unternehmungen gewöhnt, daß es ihr zunächst gar nicht auffiel, daß sie schon seit mehreren Wochen nicht mehr auf ihren Verflossenen gestoßen waren, was doch eigentlich der Sinn ihrer Aktionen war... Erst als ihre Freundin sie darauf ansprach, kam ihr diese Tatsache richtig zum Bewußtsein.

Dann gab es ja eigentlich gar keinen Grund mehr, daß sie weiter ... Sie stellte fest, daß ihr die gemeinsamen Stunden mit Werner unentbehrlich geworden waren. Aber ob er genauso empfand? Sie mochte gar nicht daran denken, daß die schöne Zeit jetzt vielleicht vorbei sein sollte. Was sie nicht mehr für möglich gehalten hatte, war eingetroffen! Sie hatte sich verliebt!

Ein ernsthaftes Gespräch war wohl dennoch angesagt, und diese Voraussicht machte sie ganz nervös.

Dieses Gespräch sollte jedoch ganz anders verlaufen als Susanne befürchtet hatte: Es führte nämlich direkt zu ihrer Verlobung!


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