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09.09.06 / Ausbeutung muß beendet werden / Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel fordert mehr Macht über die Stromkonzerne

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. September 2006

Ausbeutung muß beendet werden
Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel fordert mehr Macht über die Stromkonzerne
von Jürgen Liminski

Er gilt als der Robin Hood der Stromkunden. Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel kämpft in der Tat gegen übermächtige Gegner sozusagen mit Pfeil und Bogen, also den bescheidenen Mitteln eines Landesministers, für niedrigere Energiepreise und gegen den Monopolmißbrauch der großen Energieunternehmen. Als einziger

Landesminister hat er für dieses Jahr sämtliche Anträge auf Strompreisanhebungen abgelehnt. Hessens Verbraucher können es ihm danken, sie zahlen - neben Niedersachsen - die niedrigsten Strompreise in Deutschland. Zudem will Rhiel Netzdurchleitungsentgelte - also die Gebühren, die die Netzbetreiber für den Stromtransport verlangen - um 10 bis 25 Prozent senken. Auch das würde preisdämpfend wirken.

Aber schon liegen neue Anträge der Stromriesen auf drastisch höhere Preise für 2007 vor. Um bis zu 20 Prozent wollen sie die Strompreise hochschrauben. Rhiel bleibt gelassen. Er werde, sagt er in einem Gespräch mit dieser Zeitung, seine Haltung nicht ändern und "die Anträge genauso kritisch prüfen wie im Vorjahr". Er wolle "keine falschen Hoffnungen machen, bevor die Anträge nicht ausgewertet sind". Dennoch hält er höhere Preise angesichts der "riesigen Gewinne der vier großen Energiekonzerne E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall" für "nicht akzeptabel. Man kann sagen, das ist das Strom-Gewinn-Quartett, das 80 Prozent der Stromerzeugungskapazität besitzt und in diesem engen Oligopol die Kunden ausbeutet durch überhöhte Preise. Diese Ausbeutung muß unterbunden werden."

Die Energieunternehmen weisen die Schuld für die hohen Preise weit von sich. Auch der Staat könne etwas tun, schließlich machen die Steuern mehr als ein Drittel des Endpreises aus. Rhiel räumt ein, daß auch die Politik die Stromverbraucher entlasten könnte. Deshalb habe er "die Bundesregierung aufgefordert, die Stromsteuer von zwei auf einen Cent zu halbieren". Das sei auch zu finanzieren. Der Staat brauche nur die CO2-Zertifikate versteigern, die er den Stromkonzernen bislang schenke. Die Stromkonzerne machten "aus diesem Geschenk einen Extra-Gewinn von mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr, weil sie den Wert der kostenlos zugeteilten CO2-Zertifikate auf den Strompreis draufschlagen". Das sei ein Hauptgrund für die hohen Strompreise in Deutschland. "Diese Gewinne zu Lasten der Verbraucher muß der Staat abschöpfen und an die Bürger zurück geben." Den Einwand, die EU erlaube nur zehn Prozent der Zertifikate zu versteigern, ist für Rhiel kein Hindernis. "Das ist ein politischer Fehler. Die Bundesregierung sollte wenigstens diese zehn Prozent der CO2-Zertifikate versteigern. Zusätzlich sollte Deutschland in der EU dafür kämpfen, daß die Mitgliedsstaaten alle Zertifikate mittels einer Versteigerung vergeben dürfen".

Aber allein die Entlastung durch die Senkung der Stromsteuer würde die Stromrechnung eines vierköpfigen Durchschnittshaushalts um rund 36 Euro erleichtern. Würde die Stromsteuer ganz abgeschafft, hätte ein Durchschnittshaushalt 72 Euro mehr in der

Tasche. Zusätzlich würden alle Unternehmen entlastet, die jetzt noch Stromsteuer zahlen. Das könnte den Konsumenten ebenfalls zu Gute kommen. Auf die Frage, ob er mit diesen Thesen nicht gegen manche Umweltpolitiker in der großen Koalition angehe, die über die hohen Energiepreise fast frohlockten, weil auf diese Weise Wind- oder Solarstrom konkurrenzfähiger werde, meint Rhiel lakonisch: "Das Klimaschutzziel heißt ‚Weniger CO2-Emissionen' und nicht ‚höhere Energiepreise'." Die Begrenzung der Anzahl der CO2-Zertifikate könne die CO2-Emissionen effektiver verringern.

Ein weiteres Problem der hohen Strompreise besteht darin, daß einige Stadtwerke ihren Strom bei den großen Stromerzeugern einkaufen müssen und die gestiegenen Bezugskosten an die Endkunden weiter geben. Aber "so pauschal" könne man das nicht sehen. Zum einen machten viele Stadtwerke beträchtliche Gewinne, zum anderen hätten auch Stadtwerke sinkende Kosten für die Durchleitung des Stroms, den sie einkaufen. Denn "das ist ein Ergebnis der neuen Regulierung der Netzdurchleitungsentgelte. Sinkende Netzentgelte können steigende Beschaffungskosten teilweise kompensieren."

Einige Stromunternehmen drohen, Investitionen in Stromnetze zu unterlassen, wenn die Preise gedeckelt und die Netzentgelte reguliert würden. Das wirft die Frage nach der Versorgungssicherheit bei den Stromnetzen auf. Dem stellt Rhiel ein "klares Nein" entgegen. Die Netzregulierung sichere Umfang und Qualität der Netze durch eine hohe garantierte Mindestverzinsung für die Netzbetreiber. "Außerdem: In den Stromnetzen fielen bisher überhöhte Monopolgewinne an. Die flossen nicht in mehr Netzsicherheit, sondern füllten die Taschen der Aktionäre."

Rhiel ist nicht nur bei den Stromriesen, sondern auch in seiner Partei, der CDU, als ordoliberaler und dennoch sozial denkender Kopf bekannt. So sieht er auch den anhaltenden Richtungsstreit in der CDU eher unter konzeptionellen, nicht dogmatischen Gesichtspunkten. Eine Grundsatzdebatte sei von Zeit zu Zeit nötig, denn ohne Kompaß gehe die Orientierung verloren. Rhiel: "In der Wirtschaftspolitik empfehle ich meiner Partei einen ordoliberalen Kurs - in Abgrenzung zu Neoliberalen und Staatsgläubigen: Vorrang hat freier Wettbewerb. Aber Wettbewerb ist nicht auf jedem Markt möglich. Manchmal muß der Staat streng regulieren, wie bei den Stromnetzen."

Alois Rhiel, geboren 1950 in Marburg, ist Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung des Landes Hessen. Der CDU-Politiker setzt sich für eine konsequente Regulierung von Bereichen ein, in denen Wettbewerb versagt wie eben in der Energiewirtschaft. Als Wirtschaftswissenschaftler sieht er sich als Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft.

Das CO2-Zertifikat

Das Kyotoprotokoll verpflichtet die teilnehmenden Staaten, die Kohlendioxid-Emissionen zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, hat man sich für ein marktwirtschaftliches Instrument entschieden: den Handel mit Emissionsrechten, der zunächst für zwei Perioden - 2005 bis 2007 und 2008 bis 2012 - vorgesehen ist. Basis für den Emissionshandel ist die Verpflichtung für Kraftwerksbetreiber und große Industrieunternehmen, für jede durch Produktion von Energie oder Gütern ausgestoßene Tonne CO2 eine Berechtigung nachzuweisen.

Diese Berechtigungen sind den Unternehmen als Zertifikate von den Regierungen der EU überwiegend kostenlos zugeteilt worden. Um den Anreiz zu erhöhen, die CO2-Emissionen zu senken, erhalten die Unternehmen weniger Zertifikate, als sie für eine Vollausstattung entsprechend ihrer Produktion brauchen. In ganz Europa fehlen dadurch in der ersten Handelsperiode zwischen 2005 und 2007 rund 200 Millionen Zertifikate. Es gibt für die Unternehmen verschiedene Wege, mit dieser Knappheit umzugehen. Sie können Zertifikate zukaufen, Produktionsprozesse emissionsärmer gestalten oder die Modernisierung von Anlagen vorantreiben. Weil die Unternehmen verschiedene Wege gehen, wird es Käufer und Verkäufer von Zertifikaten geben. Dieses Preissignal soll den wirkungsvollsten Weg zur Senkung von CO2-Emissionen aufzeigen.


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