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09.09.06 / Vergnügungsfahrt und Fluchtweg / Ein Ostpreuße erinnert sich an seine ersten Fahrten auf der Reichsautobahn

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. September 2006

Vergnügungsfahrt und Fluchtweg
Ein Ostpreuße erinnert sich an seine ersten Fahrten auf der Reichsautobahn

Meine persönlichen Kindheitserinnerungen gehen darauf zurück, daß in Kreuzburg an einer Weggabelung ein blaues Schild stand mit der Aufschrift "Reichsautobahn 11 km". Hier handelte es sich um die Ausfahrt "Kobbelbude", über die in östlicher Richtung auch Kreuzburg zu erreichen war (zirka 16 Kilometer südlich von Königsberg). Mein Vater besaß zu der Zeit ein Motorrad (1938 bis 1939) mit Beiwagen, mit dem natürlich nicht die ganze Familie auf einmal transportiert werden konnte, schließlich waren wir sechs Kinder. Mein Platz war damals als Siebenjähriger vorne auf dem Benzintank oder im Beiwagen. Ich erinnere mich noch, als wir einmal im Frühjahr 1939 auf dem Weg ins Samland waren zu einer Hochzeit, als mein Vater sich auf der Autobahn zu einer kleinen Rennfahrt verleitet fühlte, und er unbedingt auf Tempo 120 Stundenkilometer beschleunigen wollte, aber so etwa bei Tempo 110 flog meine ganz neue Schirmmütze davon. Kurzerhand wurde umgedreht, denn das Verkehrsaufkommen war damals noch sehr gering. Die Mütze wurde gesucht und auch gefunden.

Die zweite, weniger erfreuliche Erinnerung an "unsere Autobahn" geht auf das Frühjahr 1945 zurück. Als wir nach erfolgter Flucht über das zugefrorene Frische Haff, auch schon bei Dirschau über die Eisenbahnbrücke die Weichsel überquert hatten, ging bei Kolberg der 2. Kessel zu, und wir kamen mit Pferd und Wagen nicht mehr weiter. Anfang März wurden wir vor Stolp von der Roten Armee überrollt und nach Hause geschickt - "idi nachaus" hieß es dann. So nach und nach erleichterte man uns von allen Habseligkeiten. Besonders hervor taten sich die polnischen Milizen, zwar in Zivil, aber mit Karabinern und rot-weißen Armbinden versehen. Zum Schluß hatten wir nur ein kleines Handwägelchen mit ein paar Kleinigkeiten.

Von Elbing aus entschieden wir uns, die Autobahn zu benutzen, weil wir feststellten, daß sie vom Militär überhaupt nicht genutzt werden konnte wegen einiger zerstörter Brücken. Somit waren wir vor der Willkür durchfahrender Truppen geschützt, die sich des öfteren sehr gewalttätig benahmen. In einigen Tagen erreichten wir die Ausfahrt Zinten. Es war mitten am Tag und wir mußten auch an den Panzerkasernen vorbei, die überhaupt nicht zerstört und voll mit russischem Militär waren, um in Richtung Kreuzburg zu gelangen. Wir beteten zu Gott um Hilfe und Beistand, schauten weder nach links noch nach rechts und tippelten an den vielen Wachposten vorbei, die den Eingang zur Kaserne bewachten und siehe da, keiner nahm Notiz von uns.

Nach einigen Kilometern war die Straße dann wegen Minengefahr vollkommen gesperrt. Solche Schilder haben wir immer sehr respektiert. Rechts ab führte eine Art Knüppeldamm in Richtung Moritten, Schnakeinen und dann nach Kreuzburg. Hier kamen wir dann am 8. April an. Die Stadt Königsberg war zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht gefallen, was wir aber nicht wußten. Dieser Teil der Straße Zinten-Kreuzburg ist bis heute immer noch gesperrt und vollkommen zugewachsen. Ob er wohl jemals von den Minen aus der Verteidigung des Heiligenbeiler Kessels geräumt worden ist? Armin Matt


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