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23.09.06 / Spatenstich mit Folgen / Türkei gräbt mit neuem Staudamm Syrien und Irak das Wasser ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / 23. September 2006

Spatenstich mit Folgen
Türkei gräbt mit neuem Staudamm Syrien und Irak das Wasser ab
von R. G. Kerschhofer

Der Zeitpunkt war günstig: Denn als der türkische Ministerpräsident Erdogan Anfang August den Spatenstich für den Ilisu-Staudamm am Tigris vornahm, war die Weltöffentlichkeit mit dem Libanon ausgelastet. So ging unter, daß auch dieses Projekt dazu beiträgt, Europa weiter in die regionalen Konflikte zu verstricken und Europäer zur Zielscheibe von Haß und Gewalt zu machen.

Für den Bau von Staudämmen gibt es an sich gute Gründe, primär die Stromerzeugung. An Flußläufen kommen Hochwasserschutz und allenfalls Verbesserungen für die Schifffahrt dazu und in Trockengebieten Bewässerungsprogramme. Gegen Staudämme gibt es ebenfalls Argumente - gute und weniger gute. Wobei in Mitteleuropa meist die weniger guten zählen, denn die von "Umweltschützern" gepriesenen Alternativen sind längerfristig nicht einmal ökologische Alternativen, geschweige denn ökonomische.

Schwerer wiegen Bedenken über notwendige Umsiedlungen. So betrifft der Jangtse-Staudamm mehr als eine Million Menschen. Wenn er jedoch, wie die Chinesen beteuern, tatsächlich 150 Millionen vor Hochwasser schützt, sieht die Sache wohl anders aus. Ein weiteres Problem ist die Flutung von Kulturdenkmälern, wie das beim Assuan-Staudamm zutraf. Aber in beiden genannten oder in ähnlich gelagerten Fällen ist das Abwägen von Nachteilen alleinige Sache der betreffenden Länder, denn Dritte kommen nicht zu Schaden.

Die türkischen Staudämme an Euphrat und Tigris hingegen haben grenzübergreifende Auswirkungen. Denn Bewässerungsprojekte und die Oberflächenverdunstung der Stauseen verringern die Wassermenge, die den Unterliegern Syrien und Irak zur Nutzung verbleibt. Bereits jetzt führt der Euphrat um 30 bis 40 Prozent weniger Wasser - mit Auswirkungen auch auf den Zusammenfluß der beiden Ströme, auf den Schatt-el-Arab, der die Grenze zwischen Irak und Iran bildet: Da weniger Süßwasser nachströmt und das Gefälle minimal ist, dringt das schwerere Meerwasser landeinwärts ins Grundwasser vor und führt zur Versalzung irakischen und iranischen Gebiets. Die Türkei hat natürlich nichts zu befürchten, sind doch nur "Schurkenstaaten" betroffen.

Der Ilisu-Stausee wird auch archäologisch interessantes Gebiet überfluten. Dabei geht es um Kulturen, die lange vor den Türken existierten und zu denen sie keine Beziehung haben. Die möglichen Funde könnten kulturgeschichtlich so bedeutsam sein wie die Baudenkmäler Ägyptens. Zum Pech der Archäologen handelt es sich aber um nicht annähernd so eindrucksvolle Objekte wie in Ägypten, und folglich werden internationale Initiativen kaum so viel Geld für Bergungen aufbringen. Ganz abgesehen von den Risiken: Denn die türkischen Stauseen überfluten kurdisches Siedlungsgebiet! Die Abgesiedelten verschwinden in den Elendsvierteln türkischer Großstädte oder gar in Europa, während die durch Bewässerung neu erschlossenen Gebiete primär mit "echten" Türken besiedelt werden. Wundert sich noch jemand über kurdische "Terroristen"?

Für Deutschland, Österreich und die Schweiz steht auch einiges auf dem Spiel, denn das Ilisu-Konsortium hat die benötigten Turbinen und Ausrüstungen in diesen drei Ländern bestellt. Da die Exportrisiko-Garantien vorläufig noch durch Einsprüche blockiert sind, könnte der kuriose Fall eintreten, daß die Bürger der drei Länder diesmal ausgerechnet von Umweltschutz-Organisationen und aus den falschen Gründen vor echtem finanziellen und vielleicht sogar persönlichem Schaden bewahrt werden.


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