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30.09.06 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. September 2006

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Freunde unserer großen ostpreußischen Familie,

daß die Anrede diesmal etwas länger ist, hat seinen Grund: Ich habe auf unserem Seminar im Ostheim in Bad Pyrmont mit Freude feststellen können, daß unser Kreis erheblich gewachsen ist. Viele neue Teilnehmer konnte ich neben unseren Getreuesten, die so etwas wie den Urstamm unserer Familie bilden, begrüßen, einige aus der nachfolgenden Generation oder auch Menschen ohne blutsmäßige Bindung zu unserer Heimat, die aber diese so lieben, daß sie ihr geradezu verfallen sind - wie ein Berliner sagte, der auf seiner letzten Ostpreußenreise 60 (!) Filme verschossen hat! Vor solch einem Auditorium hatte ich ein leichtes Heimspiel, alle gingen begeistert mit und waren nicht nur aufmerksame Hörer, sondern auch rege Mitgestalter. So wurde auch dieses fünfte Familien-Seminar ein voller Erfolg, wie schon zwei Tage später der Brief einer Königsbergerin aus Eutin bewies: "Ganz frisch sind noch die Eindrücke vom Seminar im Ostheim, vor allem von dieser Begegnung, wovon ich seit Jahren träumte. Nun wurde es wahr, und ich bin mehr als begeistert! Nochmals und immer wieder Dank!"

Den gebe ich gerne zurück, denn auch jeder Vortragende kann sich nur solch einen Teilnehmerkreis wünschen, wie mir die Referenten bestätigten. Zu ihnen gehörten der Geschäftsführer des "Kirchlichen Suchdienstes" HOK aus München, René Massier, und seine Mitarbeiterin Rosemarie Schuran, die über ihr breitgefächertes Aufgabengebiet sprachen, von dem auch schon viele Ostpreußen profitieren konnten. Neben den über 20 Millionen Personen, die in den Unterlagen des Suchdienstes namentlich nach den ehemaligen Wohnorten registriert sind, werden auch spezifische Unterlagen über die ehemaligen Reichs- und Siedlungsgebiete bewahrt. Der Kirchliche Suchdienst HOK sieht sich als eine Art "Gralshüter" der dort vorhandenen Dokumentationen, die eine fundierte Grundlage für Nachforschungen bieten - "Schätze, auf die weder Staat noch Gesellschaft verzichten können", wie Herr Massier ausführte. Die Vermißtensuche ist noch heute eines der Hauptprobleme unserer Arbeit, deshalb hatten wir diesen Vortrag bewußt in den Vordergrund gestellt, und er fand regen Anklang, ebenso das ausgelegte Basismaterial für Nachforschungen. Hierüber werden wir noch gesondert berichten wie auch über den Vortrag des Kreisvertreters von Heiligenbeil, Georg Jenkner, der das zweite Hauptthema unserer Arbeit behandelte: "Familienforschung - Familienchronik". Was dieses Referat auszeichnete, waren die anhand eigener Forschungen gemachten Ausführungen, die nicht nur aufzeigten, wie faszinierend Ahnensuche sein kann, sondern die auch wichtige Hinweise und Ratschläge enthielten, die von den Teilnehmern interessiert und dankbar aufgenommen wurden. Aktuell und hautnah - so zeigten sich diese Vorträge, für die ich den Referenten danke wie auch Frau Karla Weyland, die mit einem Diavortrag "Ostpreußen auf Briefmarken" glänzte.

Wie immer war eine Autorenlesung in das Programm eingefügt, diesmal war es Dr. Detlef Arntzen, der seine Novelle "Der Brief meiner Mutter" las, die in die wohl schwersten Stunden unseres Vertriebenendaseins zurückführte und die - hier literarisch gekonnt aufbereitet - zeigt, wie unvergessen und unbewältigt jene furchtbaren Ereignisse bleiben, die sich im Schicksal der nun gealterten "Wolfskinder" besonders tragisch widerspiegeln. Dieses von Anita Motzkus behandelte Thema, in das die im Kreis Gerdauen geborene Ostpreußin eigene Erlebnisse aus ihrer Kindheit, aber auch solche von ihren heutigen Besuchen in Litauen einbrachte, konnte leider nicht so ausführlich behandelt werden, wie es sich aufgrund des großen Interesses als notwendig erwies - das Programm war so reichhaltig, die Zeit zu kurz -, aber wir haben uns vorgenommen, es hier in unserer Ostpreußischen Familie weiter auszuführen und zu ergänzen. Wie so vieles, was in diesem so diskussionsreichen Seminar angesprochen wurde, das auch heitere Stunden brachte. Dafür bot der "Spinnstubenabend" die Plattform, für den ich alte Märchen, Sagen und "schuchrige" Geschichten aus der Heimat ausgesucht hatte, die durch echte Volkslieder - in den ostpreußischen Spinnstuben bis in unsere Zeit hinein gesungen - ergänzt wurden. Hierfür dem Musik-Duo Ingrid Labuhn und Jürgen Schwanke aus Chemnitz ein ganz großes Dankeschön. Sie bewirkten mit, daß dieser Spinnstubenabend länger als drei Stunden dauerte!

Natürlich kam auch unsere eigene "Familie" nicht zu kurz, ich gab einen Überblick über ihre Vergangenheit und Gegenwart und auf eine hoffnungsvolle Zukunft. Wenn sie so wird wie die Gegenwart können wir zufrieden sein, denn als "Schmandbonbons" konnte ich einige brandneue Erfolge präsentieren, die ich nun unserm ganzen Leserkreis vermitteln will. Zuerst ein Dankesbrief von unserm Landsmann Hans Sehring, der auf Suche nach Verwandten aus Grünwiese / Heiligenbeil ist: "Wir haben bei der Suche nach Zeitzeugen und eventuellen Verwandten meiner verstorbenen Frau und Mutter Eleonore geborene Mertens nicht nur erstere gefunden, sondern auch die Cousine Hiltraud mit ihrer noch rüstigen 92jährigen Mutter. Das ist nach der anfänglichen Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen doch wie ein Sechser im Lotto. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mir geschah, als eine Stimme am Telefon sagte: ,Hallo, hier ist die Hiltraud!' Auch muß ich erwähnen, wie herzlich offen, ehrlich und freundlich uns doch fremde Menschen entgegenkamen, um uns bei der Suche behilflich zu sein. Danke den wunderbaren Menschen aus Ihrer großen Familie, die wir im Verlaufe unserer Suche kennenlernen durften. Es ist Balsam für die Seele zu erfahren, wie viele Menschen ihre Heimat noch so tief im Herzen tragen."

Nüchterner - schon weil sie in englisch ist - die E-Mail von Mr. Mike Kemp aus Cornwall - aber welchen Erfolg birgt sie! Spät kommt er, doch er kommt: "Ich bin Engländer und lebe im UK. Meine verstorbene Mutter stammt aus Masuren in Ostpreußen, und ihr Geburtsname ist Frieda Pietrzik. In Ihrer Internetausgabe vom 1. März 2003 bin ich auf einen Artikel von Ruth Geede gestoßen. Er bezieht sich auf eine Dame namens Irmgard Koschensperger, die jetzt in Hessen lebt. Anscheinend sucht sie nach ostpreußischen Verwandten. Carl und Caroline Pietrzik, die Großeltern der Dame, waren auch meine Großeltern und stammen aus Pietrzicken, südlich Johannisburg. Mit einer Cousine, die bei Köln lebt, habe ich 2003 die Gegend besucht und war dabei auch in Pietrzicken und Burgdorf, wo meine Mutter geboren wurde. Ich bin sehr interessiert, mit dieser Dame in Kontakt zu treten!" Das dürfte inzwischen geschehen sein, und vielleicht erhalten wir ja bald eine erfreuliche Bestätigung der Verwandtschaft!

Es ist möglich, daß sich in einem besonders schwierigen Fall erste Spuren abzeichnen, ich will nur ganz vorsichtig über diese Möglichkeit berichten. Es geht um das Kinderheim in Braunsberg, das wir erstmalig im - noch immer ungelösten - Fall Katrin Schuck erwähnten. Aufgrund dieser Veröffentlichung wandte sich Frau Ursula Bierig aus Rostock an uns, die vermutet, daß ihr damals noch sehr kleiner Vetter aus Schillgehnen dort hingekommen ist. Da sie aber nur den Nachnamen des Kindes - Neumann - weiß, ist die Suche fast aussichtslos. Glaubte ich. Aber nun meldete sich unser Landsmann Jürgen Saschek aus Bremen, der Ende Oktober 1945 als Neunjähriger mit zwei Brüdern in das Kinderheim kam, da seine Mutter und der jüngste Bruder verhungert waren. Der Vater, Molkereidirektor in Rhein, war im Sommer aus englischer Gefangenschaft entlassen worden und lebte in Westdeutschland, was aber niemand wußte. Die drei Brüder blieben deshalb in Braunsberg, als die deutschen Kinder im Januar 1946 nach dem Westen transportiert wurden. Ihnen wurde übel mitgespielt: Obgleich die Leiterin des Kinderheims den kleinen Jürgen schon aus dem Kindergarten kannte, also von seiner deutschen Herkunft wußte, erklärte sie, daß die drei Brüder polnischer Abstammung seien. Ihr Name wurde polonisiert, aus dem evangelischen Jürgen Saschek wurde der katholische Marek Zaszek. Nur durch glückliche Umstände kamen die Brüder im Sommer 1947 zu ihrem Vater nach Niedersachsen. Die ganze Geschichte werde ich später einmal bringen, hier muß ich nun zum Punkt kommen und lasse Herrn Saschek erzählen:

"Nach dem Abtransport der deutschen Kinder wurde das Heim von einer Polin geführt. Kurze Zeit später wurde ein etwa zweijähriger Junge, offenbar Deutscher, eingeliefert. Er weinte viel und sagte, wenn er etwas nicht wollte: das mag ich nicht. Ich glaube, er hieß Gerhard. Die Heimleiterin nannte ihn "Genusch". Es wäre möglich, daß dieser Junge der Cousin von Frau Bierey aus Rostock sein könnte. Das Kinderheim, "dom dziecko" genannt, wurde im Sommer 1947 in das nahe Dorf Sonnenstuhl verlegt." Ob das eine echte Spur ist? Jedenfalls werden wir bald mehr hören, denn Frau Bierey will nun über Braunsberger Behörden versuchen, näheres über "Genusch" zu erfahren. Ich danke zuerst einmal sehr Herrn Saschek für seine so aufschlußreichen, detaillierten Ausführungen.

Erinnern Sie sich, daß das Ehepaar Anita und Helmut Gutowski aus Heilbronn ihre Goldene Hochzeit gerne mit Verwandten feiern wollte und deshalb weitere Nachkommen der kinderreichen Großeltern Karl und Luise Maziul aus Vallenzinnen, Kreis Johannisburg, suchte. Der erste Aufruf erbrachte keine Resonanz, aber ein weiterer im Juni: Es meldeten sich Andreas Maziul aus Berlin und Erich Marzikzik aus Bad Wildbach. Ob sie mitgefeiert haben, weiß ich nicht, aber gefreut hat sich das Goldene Hochzeitspaar, dem ich nachträglich noch sehr herzlich gratuliere.

Ganz kurz berichtet: Für Herrn Theo Geesmann, der unsere Ostpreußische Familie bisher nicht kannte, haben sich überraschende Kontakte ergeben: Auf der Suche nach Verwandten seiner Frau meldete sich unter anderem eine Leserin aus Hannover, die einige Jahre im Hause ihrer Großeltern Nieswandt in Lyck gelebt hat. Und viel hat sich im Hinblick auf die angebotenen Fotos getan, aber das ist schon wieder eine Sache für sich. Über diese und weitere Erfolge also demnächst mehr!

Wie schwierig manchmal das Nachforschen ist, beweist die folgende Suchfrage, die mir nach dem Lesen des Briefes von Herrn Werner Pioch aus Duisburg, den er mir bereits im Juli zusandte, doch sehr rätselhaft schien, so daß nachgefaßt werden mußte. Ganz geklärt ist sie auch noch nicht, aber vielleicht ergibt sich ja eine Lösung aus dem Leserkreis. Herr Pioch ist in Danzig geboren, wie auch sein Vater, seine Mutter soll ihren Angaben nach als 18jähriges Mädchen aus Ostpreußen nach Danzig gekommen sein. Als Herkunftsort wurde Jeglia, Kreis Löbau, Neidenburg, angegeben. Nun liegt Löbau in Westpreußen. Ein Jegliak gab es tatsächlich im Kreis Neidenburg, später umbenannt in Fichtenwalde. Bei Nachfragen ergab sich, daß das gesuchte Jeglia in Westpreußen liegen müßte, denn alle andern Ortsnamen, die Herr Pioch in den vorhandenen Urkunden gefunden hat, weisen darauf hin: Standesamt Eichwalde, Pfarramt Tillitz, Standesamt Rybno, Kreis Neumark. Der Mädchenname der Mutter ist Johanna Jazembski, die Eltern hießen Franz und Rosalie Jazembski. Also versuchen wir es mit dem Forschen nach den Jazembskis aus Jeglia, Kreis Löbau. Falls sich eine Spur findet, würden Herr Pioch und seine Geschwister sich freuen, denn "da wir jetzt alle Rentner sind, haben wir Interesse an unsern Wurzeln!" Was meine Eingangsworte bestätigt! (Zuschriften an Werner Pioch, Linzer Straße 25 in 47249 Duisburg, Telefon 02 03 / 70 50 36.)

Gerade in unserer Ostpreußischer Familie erweckt manche Schilderung von den Umständen, die zu Fragen führten, Erinnerungen an eigene Erlebnisse in ähnlicher Lage. So erging es auch Frau Marlene Haase, als sie von dem - erfüllten - Suchwunsch von Frau Waltraut Monzel geborene Perk las, die Informationen über ihren Fluchtweg suchte, denn sie hatte nur vage Erinnerungen daran, weil sie damals erst 13 Jahre alt gewesen war. Bei Frau Haase sind diese Eindrücke noch schemenhafter, denn sie war erst fünf Jahre alt, als sie ihre Kinderheimat in Königsberg-Seligenfeld verlassen mußten. So beruhen die Erinnerungen an ihren Fluchtweg wahrscheinlich mehr auf den Erzählungen von Mutter und Großmutter, und "da habe ich als junger Mensch viel zu wenig nachgefragt". Das holt sie nun jetzt nach und hofft, daß auch ihr unsere Leserinnen und Leser helfen können. Frau Haase - damals Marlene Kirchheim - weiß noch, daß sie mit ihrer Familie und weiteren Verwandten Anfang 1945 "mit einem sehr großen Schiff" Königsberg verlassen hat, es nahm nur alte Menschen, Frauen und Kinder mit. Es ging zuerst bis Pillau, dann weiter zur Halbinsel Hela und Gotenhafen. Dort warteten sie unter Tieffliegerangriff auf ein Schiff, das dann auch kam: Es war - wie bei Frau Krause - die "Deutschland", aber in diesem Fall soll die Flucht über See eine Woche lang gedauert haben. Die Flüchtlinge kamen nach Kolding, Dänemark, und landeten dann in einem kleinen Lager in Aalborg. Später fanden sie Angehörige in Deutschland und konnten ausreisen. Das ist alles, was Frau Haase über ihren Fluchtweg weiß, genaue Daten gibt es nicht, aber vielleicht finden sich - wie bei Frau Monzel - doch Leser, die aufgrund der Schilderungen erkennen, daß sie auch auf den Schiffen oder im Lager waren. Frau Haase wäre auch an entsprechenden Fotos, vor allem von der "Deutschland", interessiert. Sie hat übrigens mit großem Interesse das Buch des Dänen Henrik Havrehed "Die deutschen Flüchtlinge in Dänemark 1945-1949" gelesen, das die vagen Eindrücke noch vertieft hat. (Marlene Haase, Seigerhüttenweg 50 in 38855 Wernegerode, Telefon 0 39 43 / 2 45 34.)

Eure

Ruth Geede

Foto: Haus in Memel: Wer nähere Angaben zu dem Gebäude machen kann, wende sich an Leuther von Gersdorff, Telefon und Fax (0 80 24) 41 00, E-Mail: gersdorff.l.v@t-online.de  (privat)


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