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30.09.06 / Der Mann, der nach Canossa ging / Vor 950 Jahren begann die Regierungszeit des Königs und späteren Kaisers Heinrich IV.

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. September 2006

Der Mann, der nach Canossa ging
Vor 950 Jahren begann die Regierungszeit des Königs und späteren Kaisers Heinrich IV.
von Bruno Hantel

Nach dem Tod des ersten Saliers auf dem Throne des Heiligen Römischen Reiches am 5. Oktober 1056 wurde dessen erst sechs Jahre alter Sohn als Heinrich IV. zum Nachfolger designiert. Die Verwaltung des Reiches lag nun in den Händen seiner Mutter Agnes von Poitou. Da sie der Forderung nicht nachkam, auf die Regentschaft zu verzichten, ließ der Erzbischof von Köln Anno II. den mittlerweile zwölfjährigen König von der Rheininsel bei Kaiserswerth entführen. Bald erzwang der Erzbischof von Hamburg-Bremen Adalbert seine Herausgabe - doch nur für kurze Zeit, denn dann mußte er die Erziehung des Jungen und die Staatsgeschäfte wieder Anno überlassen. So wurde der heranwachsende Heinrich zum Spielball der Mächtigen, die ihn sogar ohne sein Einverständnis verheirateten. Erst nach und nach gelang es ihm, sich aus der Bevormundung zu lösen und eigenes Profil zu zeigen.

Der seit langem schwelende Machtkampf zwischen dem römischen Papsttum und dem deutschen Königtum spitzte sich zu, als 1073 Gregor II. Papst wurde. Dessen Ziel war die Unterordnung der weltlichen Macht unter die geistliche, während Heinrich die königliche Oberherrschaft über die Bischöfe anstrebte. Als der Papst 1075 damit drohte, den König in den Bann zu tun und ihn abzusetzen, berief Heinrich den Reichstag nach Worms ein und ließ den "falschen Mönch" unter Zustimmung der Bischöfe absetzen. Hierauf machte Gregor seine Drohung wahr. Erstmals traf einen König der Bannstrahl. Kaum hatte der die Nachricht von seiner Exkommunikation erhalten, ließ er seinerseits den Papst exkommunizieren und absetzen.

Doch zeigte sich nun, daß Heinrichs Stellung nicht so gefestigt war wie Gregors. Einen Mann als König anzuerkennen, der unter dem Kirchenbann stand, fiel den Fürsten schwer, zumal der Umgang mit einem Gebannten die eigene Exkommunizierung nach sich zog; und so waren sie sich bald einig, den ohnehin unbeliebten König seines Amtes zu entheben und einen anderen zu wählen, wenn es ihm denn nicht gelänge, den päpstlichen Bannfluch zu lösen.

Da entschloß sich Heinrich zu einem Schritt, der ihm Eingang in die Geschichtsbücher verschaffte. Obwohl in jenem denkwürdigen Jahre 1076 der Rhein bereits im November zugefroren und der anschließende Winter ein sehr strenger war, entschloß er sich, dem Papst, der in Deutschland die abtrünnigen Fürsten treffen wollte, zuvorzukommen und ihm über die Alpen entgegenzuziehen, um von ihm die Absolution zu erreichen. Samt Frau und dreijährigem Sohn zog er, "bald auf Händen und Füßen kriechend, rutschend, fallend und rollend", wie es heißt, bei Mont Cenis über die Westalpen. Der Papst wollte einer Begegnung mit dem König ausweichen und zog sich auf die Burg Canossa der Markgräfin Mathilde von Tuszien zurück.

Am Festtag der Bekehrung des heiligen Paulus, am 25. Januar, zog Heinrich in einem Büßergewand vor diese Burg. Drei Tage verharrte der König frierend vor dem Burgtor und tat so Buße, bis der Papst sich genötigt sah, die Absolution zu erteilen. Ob dieser Zweck dieses Mittel rechtfertigte, das ist eine Frage, die seitdem nicht nur von Historikern kontrovers diskutiert wird, ohne zu einem endgültigen Urteil gekommen zu sein.

Heinrich durfte zwar nun sein Königsamt wieder ausüben, aber die Fürsten ignorierten einfach die Lossprechung vom Bann und wählten Rudolf von Schwaben zum Gegenkönig - und das mit geheimer Zustimmung des Papstes. Das Ergebnis war - mit einem modernen Wort ausgedrückt - Bürgerkrieg. Heinrich trug den Sieg davon und setzte sich durch. Die rebellischen Fürsten und Herzöge ließ er ächten, ihre Lehen an treue Anhänger vergeben.

Im Jahre 1080 bannte der Papst den König ein zweites Mal, aber diesmal erwies sich die päpstliche Waffe als stumpf. Heinrich zog nach Rom, vertrieb Gregor und ließ den Erzbischof von Ravenna als Clemens III. zum Pontifex wählen. Letzterer krönte ihn Ostern 1084 zum Kaiser, sicherlich ein Höhepunkt in der Biographie dieses Herrschers.

Wenig Glück hatte Heinrich mit seinem Nachwuchs. 1093 empörte sich sein Erstgeborener Konrad, den er 1087 in Aachen hatte zum Mitkönig krönen lassen, gegen ihn. Der Kaiser verlor Italien und versuchte nun, wenigstens Deutschland für sich zu retten. Da stellte sich auch sein zweiter Sohn Heinrich gegen ihn. Letzterem gelang es durch Verrat, seinen Vater auf der Burg Böckelheim an der Nahe gefangenzusetzen und nach dessen erzwungener Abdankung dessen Nachfolge als Heinrich V. anzutreten.

Heinrich IV. glückte zwar die Flucht, aber bevor er zum Gegenschlag ausholen konnte, erlag der mittlerweile 55jährige am 7. August 1106 einer Krankheit. Der Leichnam des Monarchen ist in dem von ihm erbauten Dom zu Speyer beigesetzt.

Die Ausstellung "Heinrich IV. - Kaiser, Kämpfer, Gebannter" hat die "Herrschergestalt zwischen Kaiserkrone und Büßergewand" zum Thema und ist noch bis zum 15. Oktober dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr im Historischen Museum der Pfalz Speyer, Domplatz, 67146 Speyer, Telefon (0 62 32) 62 02 22, Fax (0 62 32) 62 02 23, E-Mail: info@museum.speyer, zu sehen. Der reguläre Eintritt beträgt 7 Euro, der ermäßigte sechs Euro. Kinder und Jugendliche zahlen 2,50 Euro beziehungsweise 3 Euro. Auf das Ereignis, das Heinrich IV. berühmt machte, konzentriert sich die noch bis zum 5. November in Paderborn zu sehende Ausstellung "Canossa - Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik". Nähere Auskünfte erteilt die Tourist Information Paderborn, Marienplatz 2 a, 33098 Paderborn, Telefon (0 52 51) 88-29 80, Fax (0 52 51) 88-29 90, E-Mail: tourist-info@paderborn.de.

Foto: Angebliches Antlitz des Kaisers und Königs: In der Ausstellung "Heinrich IV - Kaiser, Kämpfer, Gebannter" gezeigte Konstruktion des Herrscherkopfes (Historisches Museum der Pfalz Speyer)


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