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14.10.06 / Deutsche müssen Europäer sein wollen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Oktober 2006

Gedanken zur Zeit:
Deutsche müssen Europäer sein wollen
von Wilfried Böhm

Als Konrad Adenauer in den 50er Jahren eine größere Gruppe junger Leute, die in einem seiner erfolgreichen Wahlkämpfe aktiv mitgearbeitet hatten, ins Bonner Kanzleramt eingeladen hatte, dankte deren Sprecher dem Kanzler überschwänglich und beteuerte: "Ein guter Deutscher sein, heißt heute, guter Europäer sein." Schmunzelnd erwiderte der "Alte": "Wat Se da so schön je-sacht ham is richtig" und fügte verschmitzt lächelnd hinzu: "Aber verjessen se niemals: dat jilt auch umjekehrt ..."

Das von Adenauer mit Schuman und de Gasperi geschmiedete europäische Schutzbündnis war in diesen Jahren die richtige Antwort auf die kommunistische Herausforderung. Wenn die Chance für einen in Frieden und Freiheit wiedervereinigten demokratischen Nationalstaat erhalten werden sollte, lag diese Antwort Adenauers genau in Deutschlands Interesse. Wer diesem Ziel dienen wollte, für den waren christlich-abendländische und humanistische Europa-Bekenntnisse zeitgemäß und somit politisch nützlich, ja sogar unverzichtbar.

Ein halbes Jahrhundert später rüstet sich die erste deutsche Kanzlerin Angela Merkel für die am 1. Januar 2007 beginnende deutsche Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union (EU).

Sie vertritt einen glücklicherweise wiedervereinigten demokratischen Nationalstaat, wenn auch "das kleinste Deutschland, das es je gab", wie der US-Botschafter Wolters zu sagen pflegte. Adenauers Mahnung aus den 50er Jahren aber bleibt richtig wie eh und je.

Das bedeutet angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Probleme im eigenen Land, die in vielen Jahren herangewachsen sind, die finanziellen Leistungen für die EU einzuschränken, auf keinen Fall aber, sie zu erhöhen. Hat doch Deutschland trotz seiner enormen und notwendigen finanziellen Aufwendungen für die Überwindung der Sozialismusfolgen im Deutschland zwischen Rügen und Thüringer Wald unverdrossen seine Rolle als Hauptnettozahler der EU weitergeführt.

Während von 1990 bis 2004 über 440 Milliarden - in D-Mark gerechnet - in den Bereich der ehemaligen DDR flossen, wurden im gleichen Zeitraum über 310 Milliarden - ebenfalls in D-Mark - als Nettozahlungen, also unter Abzug der Rückflüsse aus EU-Mitteln - in die Brüsseler Umverteilungsmaschinerie abgeführt.

Wenn gleichzeitig der deutsche Vizepräsident der EU-Kommission Günter Verheugen die große Machtfülle ranghoher Mitarbeiter der EU beklagt und feststellt: "Es gibt einen ständigen Machtkampf zwischen Kommissaren und hohen Beamten" und man müsse höllisch aufpassen, daß "Beamte, die ohne demokratische Legitimation seien, wichtige Fragen nicht unter sich ausmachen", dann ist das alles andere als ein Zeichen für eine demokratische Struktur der EU.

Schon vor sieben Jahren hat der luxemburgische Ministerpräsident Claude Juncker im Nachrichtenmagazin "Spiegel" dargelegt, wie die EU funktioniert: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt - bis es kein Zurück mehr gibt." Eine größere Mißachtung der Bürger Europas ist bei demokratischem Selbstverständnis nicht vorstellbar.

Die Volksabstimmungen über den Europäischen Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden mit dem "Nein" der Bürgerinnen und Bürger zweier EU-Nettozahler sind angesichts solcher Zustände nicht verwunderlich.

Es ist zu hoffen, daß die deutsche Bundeskanzlerin während der deutschen Ratspräsidentschaft das Votum der Franzosen und Niederländer respektiert und nicht, dem Wunsch ihrer euromanischen Umgebung folgend, den "Verfassungsprozeß wieder in Gang setzen will".

Weiß sie doch sehr genau, daß diese EU nicht unbedingt das Lieblingskind der Deutschen ist, von denen 57 Prozent im Jahr 2004 erst gar nicht zur Europawahl gingen und von denen, die sich beteiligten, erstaunlich viele ungültige Stimmen abgaben.

Eine weitere wichtige Aufgabe der deutschen Ratspräsidentschaft ist, die Bedeutung der deutschen Sprache im organisierten Europa nicht nur als Amts- und Arbeitssprache, sondern auch als Verhandlungssprache erheblich zu stärken. Die deutsche Sprache wird von mehr Menschen gesprochen als jede andere Sprache in der EU.

Die Beendigung des unsinnigen und teuren Wanderzirkus des EU-Parlaments zwischen Brüssel und Straßburg ist ebenso eine wichtige Aufgabe, Straßburg als alleiniger Parlamentssitz eine vernünftige Lösung.

Das Denken in teureren und wirtschaftlich unsinnigen Gemeinschaftsprojekten, die allein aus europäischem politischen Prestigedenken mit "Symbolcharakter" gestartet wurden, wie der Rüstungskonzern "EADS", sollte beendet und Brüsseler Bürokratie abgebaut werden. Damit hat die deutsche Kanzlerin viele Chancen, die deutsche Ratspräsidentschaft zu einem Erfolg für Deutschland und Europa werden zu lassen.


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