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14.10.06 / Unbestechlicher Schilderer seiner Zeit / Der Danziger Daniel Chodowiecki stieg vom beliebten Bildchronisten zum Berliner Akademiedirektor auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Oktober 2006

Unbestechlicher Schilderer seiner Zeit
Der Danziger Daniel Chodowiecki stieg vom beliebten Bildchronisten zum Berliner Akademiedirektor auf
von Rüdiger Ruhnau

Als sich am 2. Mai dieses Jahres der Politkünstler und Plakatprovokateur Klaus Staeck zum Präsidenten der Akademie der Künste wählen ließ, erinnerte man sich mit Wehmut an die Persönlichkeit eines Daniel Chodowiecki, der neun Jahre lang Vizedirektor und von 1797 bis 1801 Akademiechef dieser altehrwürdigen Berliner Institution gewesen ist.

Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg gründete nach römischem und Pariser Vorbild 1696 eine Kunstakademie, die seinerzeit zwei Aufgaben hatte: Einmal die einer Lehranstalt für Bildende Künste und die der Beratung des preußischen Hofs in allen künstlerischen und architektonischen Fragen. Nach Platons Modell einer "Versammlung kluger Köpfe" zählte die Akademie Andreas Schlüter, Karl Friedrich Schinkel, Gottfried Schadow, aber auch die Häupter der deutschen Dichterschule zu ihren Mitgliedern: Goethe, Herder, Wieland.

Von den deutschen Künstlern des 18. Jahrhunderts ist Daniel Chodowiecki der populärste. Die Akademie ernannte ihn schon früh zu ihrem Mitglied und vertraute ihm die Illustration des Genealogischen Kalenders an, für den er 1770 zwölf Szenen zu Lessings "Minna von Barnhelm" radierte. Zwei Jahre zuvor hatte die Uraufführung dieses ersten, volkstümlichen deutschen Lustspiels mit ungeheurem Erfolg in Berlin stattgefunden. Bekanntlich kommt in dem Lustspiel expressis verbis das "Danziger Goldwasser" vor, und selbstverständlich hatte auch Chodowiecki eine seiner Radierungen dem heimatlichen Nationalgetränk gewidmet.

Das alte Preußen, von den Besatzungsmächten nach dem Zweiten Weltkrieg von der Landkarte getilgt, muß wieder eine gerechtere Bewertung erfahren. Wer aber wäre als unbestechlicher Bildschilderer des Friderizianischen Zeitalters besser geeignet als der in Berlin zum begeisterten Preußen gewordene Daniel Chodowiecki aus der Hansestadt Danzig. Sein künstlerisches Schaffen steht an der Schwelle vom Rokoko zum Naturalismus. So wie Lessing den Kampf gegen den "welschen Schwulst" auf literarischem Gebiet aufnahm, so versuchte Chodowiecki mit seinen bildlichen Darstellungen gegen die affektierte Manieriertheit in der Rokokomalerei anzutreten. Er repräsentierte mit seinen künstlerischen Ansprüchen ein selbstbewußtes Bürgertum, er wurde der bedeutendste Illustrator und Sittenschilderer der damaligen Zeit und schuf mit den bürgerlich-moralisierenden Bildfolgen ein Wertesystem, das mit den Begriffen von Ehrbarkeit, Pflicht, Arbeit und Familienglück den Idealen des deutschen Bürgertums entsprach.

Weniger bekannt ist des Danzigers Tätigkeit für die Berliner Hugenottengemeinde, die heute noch existiert. Daniel Chodowiecki hatte 1855 die älteste Tochter des angesehenen Gold- und Silberstickers Jean Barez geheiratet, wodurch er Mitglied der reformierten Hugenottengemeinde wurde. Der calvinistische Glaube war ihm keineswegs fremd, schon von seiner Mutter und Großmutter war ihm der Umgang mit der französisch-reformierten Gedankenwelt vertraut gemacht worden. Viele Jahre lebte Chodowiecki innerhalb der französischen Kolonie Berlins, wurde in das Konsistorium der Kirchengemeinde gewählt, die ihm wichtige, ehrenamtliche Ämter übertrug. Ein Höhepunkt seiner Tätigkeit für die Hugenottengemeinde bestand in der bildnerischen Gestaltung des Französischen Doms am Gendarmenmarkt. Für das von Gontard errichtete Gotteshaus, prachtvolles Beispiel preußischer Architektur, lieferte Chodowiecki die Entwürfe für die plastische Ausschmückung der Giebelfassade. Mit seinem Anteil an der künstlerischen Ausgestaltung des Französischen Doms hat Chodowiecki ein für jeden sichtbares Denkmal geschaffen, das dank der vorzüglichen Restaurierung durch die früheren Ostberliner Behörden, im alten Glanz wiedererstanden ist.

Die Grundlage der Kunst Chodowieckis bildete ein unermüdliches Naturstudium. Es befähigte ihn, den Illustrationen der verschiedenen Themen ein lebendiges Bild seiner eigenen Umwelt zu geben. Besonders glücklich war seine Zusammenarbeit mit dem berühmten Satiriker und Philosophen Georg Christoph Lichtenberg. Dieser hatte wohl als Professor der Physik und Mathematik Erfolge gehabt, doch den Ruhm verdankte er in erster Linie seinen literarischen Schriften. Der Göttinger Universitätsprofessor bat Chodowiecki, eine Reihe seiner Beiträge für den "Göttinger Taschen Calender" mit Kupferstichen zu schmücken. Es entstand beispielsweise die eindrucksvolle Serie von Gegenüberstellungen des natürlichen und des gekünstelten Verhaltens von Personen bei verschiedenen Anlässen. Beim Publikum fanden Text und Bilder einen solchen Anklang, daß der Verlag rund 8000 Exemplare absetzen konnte, für die Zeit um 1778 eine erstaunlich hohe Zahl. Ähnlich erfolgreich verlief auch Chodowieckis illustrative Mitarbeit an Lavaters "Physiognomischen Fragmenten" sowie sein Bildbeitrag für die Herausgabe des "Elementarwerks" von J. B. Basedow.

Die Zahl von Chodowieckis Kupferstichen, die allein als Illustrationen zu Büchern entstanden sind, beläuft sich auf über 2000. Wir finden Illustrationen zu Shakespeare und Cervantes, zu Klopstock und Bürger, zu Voltaires "Candide", zu Goethes "Werther" und Schillers "Räuber". Die erstaunlich hohe Zahl ist durch seinen außerordentlichen Arbeitseifer zu erklären; es hat kaum einen fleißigeren Künstler gegeben als ihn. Einfach in der Lebensweise, mäßig im Genuß, trat als weitere erwähnenswerte Charaktereigenschaft eine seltene Liebenswürdigkeit hinzu, die ihm vielerseits Freundschaft und Verehrung eintrug. Von seinem Humor zeugen die köstlichen Bilder, die er für den Familien- oder Freundeskreis anfertigte.

Daniel Chodowiecki hatte noch beabsichtigt, die Kleidertrachten seines Jahrhunderts in ihren Veränderungen darzustellen, die Zeichnungen auch bereits entworfen, als ihm der Tod am 7. Februar 1801 den Zeichenstift entriß. Die Königlich Preußische Akademie der Künste widmete ihrem verewigten Direktor einen Nachruf, den die "Vossische Zeitung" nachdruckte, darin heißt es: "Sein Wert als Künstler ist allgemein bekannt; aber daß er auch ein sehr edler, wohltätiger Mann war, würden nur seine näheren Freunde wissen, wenn nicht einige Anekdoten von seiner edlen Art, wohlzutun, bekannt geworden wären."


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