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14.10.06 / Endstation Sperrmüll? / Ein gemeinnütziger Verein kümmert sich in Hamburg um Künstlernachlässe

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Oktober 2006

Endstation Sperrmüll?
Ein gemeinnütziger Verein kümmert sich in Hamburg um Künstlernachlässe
von Helga Steinberg

Die alte Dame war betrübt. Sollte ihr Lebenswerk einmal auf dem Sperrmüll landen?

Seit ihrer Jugend hatte sie gemalt. Sie hatte sogar eine Kunstschule besuchen können, die eine oder andere Ausstellung mit ihren Bildern beschicken dürfen.

Jetzt aber mußte sie sich darum kümmern, was mit all den Bildern geschehen sollte, wenn sie ins Altersheim ziehen würde.

Kinder hatte sie keine, Neffen und Nichten waren nicht in der Lage, sich fachgerecht um das empfindliche Erbe zu kümmern. Und wer war finanziell schon so ausgestattet, ein eigenes Museum um sein Lebenswerk zu errichten, wie es prominente Kollegen taten? Eine Stiftung ins Leben rufen? Ach was, dazu war sie nun zu alt. Und wie sollte das gehen?

Oft genug stehen Erben nicht nur vor einer Fülle von Kunstwerken, sondern auch vor einem ausgemachten Problem: Wohin mit den sperrigen Bildern, den gewichtigen Skulpturen, wohin gar mit dem schriftlichen Nachlaß und anderen Archivalien? Verkaufen? Kommt nicht in Frage.

Museen oder Galerien sind entweder nicht interessiert oder stellen die Werke in ihr Depot, sprich in den Keller, wo sie vor sich hinmodern. Bald ist die Zeit über sie hinweggegangen, dabei hat die kunstinteressierte Öffentlichkeit ein Recht, auch etwas über weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler und ihr Werk zu erfahren.

Das dachten sich auch Hamburger Wissenschaftler, Museumsleute, Nachlaßerben und Sammler. Sie gründeten 2003 den gemeinnützigen Verein "Forum für Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern e. V." und schufen so eine bundesweit einmalige Institution, die bereits viel Interesse erfuhr.

Die Kunstwissenschaftlerin Gora Jain vom Vorstand des Forums hob in einem Gespräch mit der Preußischen Allgemeinen Zeitung die dringende Notwendigkeit hervor, sich um die Nachlässe dieser Art zu kümmern. Die Entwicklung sei rasant. Zur Zeit betreue der Verein, der sich zunächst einmal um Künstler kümmert, die einen Bezug zu Hamburg haben, vier Nachlässe, darunter den des Malers und einstigen Berliner Akademiepräsidenten Friedrich Ahlers-Hestermann (1883-1973) und den der Fotografin Ingeborg Sello (1916-1982). Mit weiteren Erben ist man im Gespräch, denn schließlich müssen auch alle juristischen Einzelheiten geklärt werden, wenn die Nachlässe dem Verein als Eigentum übergeben werden sollen.

Doch nicht nur Erben melden sich bei dem Verein, auch Künstler selbst nehmen Kontakt auf. Sie erhalten dann Hinweise, wie sie ihr Werk strukturieren können, um die spätere Arbeit zu erleichtern. So dürfen Daten und Signaturen nicht fehlen.

Auch qualitätvolle Nachlässe weniger bekannter Künstler müssen sicher verwahrt, wissenschaftlich aufgearbeitet und dokumentiert sowie der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Kriterien für die Aufnahme seien Ausstellungen in Museen oder Galerien, die Nennung in Lexika oder auch eine akademische Ausbildung. In Zweifelsfällen entscheide ein künstlerischer Beirat über die Aufnahme. Engagierte Juristen, Fotografen und Restauratoren sind bei dieser Arbeit ebenso gefragt wie Kunsthistoriker. Mitgliedsbeiträge und Spenden finanzieren die laufenden Kosten.

Geplant sind neben der Aufarbeitung auch regelmäßige Ausstellungen im Frühjahr und Herbst.

Das Hamburger Pilotprojekt, an dem auch Studenten beteiligt sind, könnte Schule machen, damit für nachgelassene Kunstwerke die Endstation eben nicht Sperrmüll heißt.

Nähere Informationen beim "Forum für Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern e. V.", Künstlerhaus Sootbörn, Sootbörn 22, 22453 Hamburg, Telefon (0 40) 52 20 18 80, E-Mail: info@kuenstlernachlaesse.de, www.kuenstlernachlaesse.de. Noch bis zum 22. Oktober sind im Künstlerhaus Sootbörn Arbeiten der Hamburger Malerin Else Weber (1893-1994) zu sehen, donnerstags und freitags von 16 bis 19 Uhr, am Wochenende von 12 bis 17 Uhr, Eintritt frei.


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