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21.10.06 / Auf den Spuren ostpreußischer Kultur / Die Gruppe Insterburg aus Sachsen veranstaltete in der Heimat einen Frieda-Jung-Abend und traf sich mit Sem Simkin

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. Oktober 2006

Auf den Spuren ostpreußischer Kultur
Die Gruppe Insterburg aus Sachsen veranstaltete in der Heimat einen Frieda-Jung-Abend und traf sich mit Sem Simkin

An diesem lauen Abend im Hof des Insterburger Hotels "Zum Bären" (U Medwedja) fand sich die Heimatgruppe Insterburg aus Sachsen zu einem Kulturabend zusammen. Wäre es 80 Jahre früher gewesen, hätte die ostpreußische Dichterin Frieda Jung vorbeischauen können, als die vertriebenen Insterburger und ihre Nachfahren mit Gedichten, Erinnerungen und Anekdoten ihrer gedachten. Frieda Jung, 1865 in Kiaulkehmen geboren, wohnte nach dem Ersten Weltkrieg bis zu ihrem frühen Tod 1929 ganz in der Nähe: Es sind nur einige Schritte von der Friedrichstraße rechts um die Ecke in die Tunnelstraße zum heutigen Hotel "Zum Bären".

Der Aufenthalt der Gruppe aus Sachsen war auch in den folgenden Tagen ganz der Kultur gewidmet: Es gab Begegnungen mit Vertretern der Stadtverwaltung von Insterburg, die eine Bibliothek - auch mit deutschen Werken - aufbaut, sowie mit dem russischen Dichter und Träger des Ostpreußischen Kulturpreises für Literatur Sem Simkin, der bereits mehrere Werke ostpreußischer Dichter übersetzt und herausgebracht hat.

Der Leiter der Gruppe, Dr. Gerd Berger aus Chemnitz, hatte bereits vor Beginn der Reise, an der mit Gerlies Niesner und Eberhard Jung auch Verwandte Frieda Jungs teilnahmen, den Abend zu Ehren der ostpreußischen Künstlerin organisiert. Die Urgroßnichte aus Berlin und der Urgroßneffe aus Bonn berichteten aus dem Leben ihrer Urgroßtante, gaben Anekdoten, die in der Familie Jung weitergegeben worden waren, zum besten, trugen Gedichte vor und lasen aus ihren Erzählungen "In der Morgensonne".

Gerlies Niesner und Eberhard Jung suchten auch das Haus mit Balkon in der Friedrichstraße auf, in das Frieda Jung nach dem Ersten Weltkrieg aus Buddern gezogen war. Auch dieses Haus ist, wie so viele andere im Königsberger Gebiet, arg heruntergekommen.

Auf dem Neuen Friedhof, auf dem Frieda Jung beerdigt worden war und wo bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ein Stein mit Bronzerelief an sie erinnerte, fanden sie keinerlei Hinweise mehr. An den Rändern war das Areal zur Müllkippe verkommen, lediglich die alten Bäume verwiesen auf die Hauptachse des einstigen Gottesackers. Im hinteren Teil des verwilderten Waldstücks nahe der Angerapp fanden die Besucher Erdkuhlen, die auf alte Gräber hindeuteten. Zudem wuchsen hier Zierpflanzen, wie sie in freier Natur nicht vorzukommen pflegen.

Einen weiteren Abend verbrachte die Gruppe als Gast der Stadtverwaltung, die für eine intensive und freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Deutschen und älteren Insterburgern plädierte. So würden die alten Pläne über die immer maroder werdende Kanalisation benötigt sowie Bücher aus der Zeit vor der sowjetischen Eroberung gesucht.

Ein gutes Beispiel für die Aufarbeitung der Zeit vor 1945 ist eine in Englisch für den Schulunterricht verfaßte Broschüre mit dem Titel "From history of Kaliningrad region: Insterburg - Chernyakhovsk" aus dem Jahr 2002. Darin beschreibt die Autorin Irina Tren neben der Geschichte Insterburgs vor dem Einmarsch der Russen auch die Nachkriegsentwicklung der Stadt und ruft einige ihrer bekannten Bewohner ins Gedächtnis der Neubürger. In der Broschüre wird an den Architekten Hans Scharoun (1893-1972), den Unternehmer Ernst Brandes (1862-1935) sowie an die in Kiaulkehmen - später umbenannt in Jungort - geborene Dichterin Frieda Jung erinnert. Bedauerlicherweise wird sie - wohl wegen der Übersetzung aus dem Russischen - durchgängig als "Frieda Ung" bezeichnet. Auch erscheint der spätere Reichspräsident Paul von Hindenburg in der Broschüre als General "Gindenburg".

Am dritten Abend konnte trotz einer Buspanne Sem Simkin über seine Arbeit und seine Pläne berichten. Der Dichter, der früher zur See gefahren ist, hat es sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele ostpreußische Schriftsteller in zweisprachigen Ausgaben herauszubringen. Sems getreuer Dolmetscher Lew vermochte es, die wegen der Reifenpanne verspätete und genervte Gruppe mit Sems Geschichten zu fesseln. Simkin konnte auch einige der mitgebrachten Bücher wie "Du mein einzig Licht", "Gedächtnis der Erde" und "Feuerstein" an Frau und Mann bringen.

Simkin berichtete auch von seinen Arbeiten an einem dieses Jahr in Königsberg erschienenen 205 Seiten starken Buch mit Gedichten Frieda Jungs. Unter dem Titel "Nur Du und Ich / Tolko tü i ja", hat der Russe den 1925 bei Gräfe und Unzer in Königsberg erschienenen Band "Ausgewählte Gedichte" von Frieda Jung in einer zweisprachigen Ausgabe in Deutsch und Russisch herausgegeben. Dabei wurden den ursprünglichen Gedichten noch einige weitere Poeme hinzugefügt. Illustriert wurde der Band von Tamara Tichonowa. Das Vorwort schrieb Eberhard Jung. Die ISBN-Nummer lautet 5-901597-26-5. (Eju)

Foto: Auf dem Frieda-Jung-Abend: Eberhard Jung (stehend) mit Gerlies Niesner (links von ihm) und Dr. Gerd Berger (rechts von ihm) (Foto: Jung)


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