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28.10.06 / Wenn einer eine Reise tut ... / Kleine und große Reiseabenteuer - oder eigentlich ist nichts passiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Oktober 2006

Wenn einer eine Reise tut ...
Kleine und große Reiseabenteuer - oder eigentlich ist nichts passiert
von Willi Wegner

An jenem Abend, als ich von der Reise zurückkam, sagt Elsbeth: "So, und nun erzähl mal!" und hängt an meinen Lippen, daß ich meine, es wäre besser, ich hätte die ganze Erzählerei schon hinter mir.

"Ich habe dir doch bereits am Telefon gesagt, Elsbeth", sage ich, "wie's war. Die Herren Wolf und Schlomann waren selbst auf Reisen, die Firma Zobelhof hat mich dreimal weggeschickt und dann doch nicht empfangen und bei Hollerbrink bin ich mit meinem Anliegen auf Granit gestoßen."

"Und sonst?" fragt Elsbeth. "Was hast du sonst erlebt in den drei Tagen?" "So gut wie nichts", sage ich. "Wie war denn die Fahrt?" fragt Elsbeth. "Es war sehr schwül, als du wegfuhrst." "Nun ja", sage ich. "Da saß im Abteil, mir gegenüber, ein Brautpaar. Richtig so ein Paar auf der Hochzeitsreise. Sie noch ein Dutzend Nelken in der einen Hand, ließen schon die Köpfe hängen, und die andere Hand unter seinen Arm geklemmt, und beide die Augen zu, bis der Schaffner kam wegen der Fahrtausweise." "Siehst du", sagt Elsbeth. "Du kannst doch erzählen. Wenn du nur willst."

In diesem Augenblick hat sie meine Fingerknöchel entdeckt. "Wie ist denn das passiert?" will sie wissen. "Aufgescheuert", sage ich. "An einem dieser Schließfächer. Habe mich ja erst um ein Hotel gekümmert und bin dann per Taxi wieder zurück, um den Koffer zu holen. Also kurz und gut, der Koffer wollte nicht wieder raus, auch mit Gewalt nicht, bis ein Bahnbeamter von der anderen Seite des Schließfachs die Geschichte geregelt hat. Eine ältere Dame vom Nebenschließfach hat mir dann noch Verbandszeug geschenkt. So'n flaches Päckchen, weißt du. Und der Hotelbesitzer hat dann abends gemeint, ich solle ja aufpassen, nichts sei schlimmer als sich die Hände zu verletzen, vornehmlich die Finger, vor allem wenn man zufällig vielleicht Pianist wäre wie ein anderer seiner Gäste."

"Hattest du denn ein schönes Hotel?" fragt Elsbeth. "Mehr oder weniger", sage ich. "Viele merkwürdige Leute. Zwei von ihnen haben sie gestern festgenommen. Angeblich haben sie mit Rauschgift gehandelt." "Und sonst? Gab's sonst was? Warst du nicht mal aus - zum Beispiel abends?" Elsbeth sieht mich an, mit einem seltsamen Blick, so etwas schräg von der Seite. "Doch", sage ich, "vorgestern. Ball der einsamen Herzen." "Ach! Und du hast wirklich getanzt?" "Nein, das nicht", sage ich. "Du weißt doch, ich tanze schlecht und auch nicht gern. Ich habe zugeguckt. Nur so." "Bist du nicht angerufen worden? Von einer der Damen?" "Ich wußte überhaupt nicht", sage ich, "daß es ein Lokal war, in dem nur Damen auffordern - und dann noch telefonisch. Das hat mich ehrlich irritiert. Genau wie das Aquarium, weißt du. Ich hatte einen Platz, von dem aus ich immer auf ein großes Wandaquarium starren mußte, mit Zierfischen, so ein bengalisch erleuchtetes ..." "Wieso", sagt Elsbeth, "läßt du dich irritieren durch ein Aquarium?" "Weil du eine Fische-Frau bist", sage ich. "Da mußte ich dauernd an dich denken ... Und dann muß ich dir noch gestehen, daß meine andere Hose, die graue, so gut wie ruiniert ist." "Du bist doch nicht etwa in dieses Aquarium hineingestiegen?" sagt Elsbeth. "Warst du betrunken?" "Nein!" sage ich. "Bestimmt nicht! Aber ich saß gestern morgen auf einer Bank am Flußufer, als einem der dort spielenden Kinder ein Ball ins Wasser fiel ..." "Da bist du in den Fluß gesprungen!?" sagt Elsbeth. "Nein", sage ich, "aber ich wollte den Ball noch vom Ufer aus erwischen, ehe er abtrieb, und dabei bin ich abgerutscht. Mehrere nette Leute jedoch, Fußgänger, Rentner, zwei Kindermädchen, ein Postbote, haben mir geholfen. Sie haben mich hochgezogen, so daß eigentlich so gut wie nichts passiert ist. Bis auf die beim Abrutschen verschmutzte Hose ..."

"So gut wie nichts passiert?!" lacht Elsbeth. "Auf der ganzen Reise nichts passiert - daß ich nicht lache! Und was", fragt sie, "ist mit dem Ball geschehen?" "Er ist weggeschwommen, flußabwärts", erwidere ich. "Ich hab' den Kindern 20 Euro geschenkt. Für einen neuen Ball - aber weißt du, was sie getan haben?" "Nein, erzähl's mir!" lacht Elsbeth. "Ich höre dich so gern erzählen." "Diese Rasselbande", sage ich, "hat sich für das ganze Geld Eis gekauft!"


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