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04.11.06 / Unüberlegt und einseitig / Auswahlprozeß der Eliteuniversitäten läßt einige Fragen aufkommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. November 2006

Unüberlegt und einseitig
Auswahlprozeß der Eliteuniversitäten läßt einige Fragen aufkommen
von George Turner

Drei deutsche Universitäten dürfen sich nun als Eliteuniversitäten fühlen. Nach einem bereits abgeschlossenen Auswahlverfahren können später weitere dazu kommen. Positiv bewertet wurden bisher Anträge auf Einrichtung von Graduiertenschulen zur Förderung von Doktoranden und Forschungscluster, das heißt großen, vernetzten Forschungsvorhaben. Mindestens je einmal muß eine Universität in diesen Bereichen erfolgreich sein, bevor sie in die dritte Stufe gelangt, bei der es um den Elitestatus geht. Entscheidend ist dann das vorgelegte Zukunftskonzept. Es ist also gar nicht über das entschieden worden, was bereits geleistet wurde, vielmehr stand das zur Debatte, was man in Angriff nehmen will. Nun ist dies bei Anträgen um Fördermittel üblich. Solche Anträge hängen auch nicht in der Luft, sondern bauen in der Regel auf Vorleistungen auf. Dennoch bleibt festzuhalten, daß Vorhaben beurteilt worden sind, nicht bereits abgeschlossene Leistungen. Deshalb ist es mindestens irreführend, davon zu sprechen, daß den Auserwählten der Elitestatus zuerkannt worden sei; sie berechtigen zu Hoffnungen und haben Chancen, im internationalen Konzert von Spitzenuniversitäten mitzuspielen. Mehr konnte nicht gesagt werden. Das ist trotzdem eine ganze Menge. Warum dann die Aufregung in anderen Universitäten und bei Politikern?

Bei der Auswahl einer kleinen Zahl von Spitzenuniversitäten entsteht der Eindruck - beziehungsweise wird durch die Berichterstattung erweckt -, daß eine deutliche Zäsur zwischen den Universitäten bestehe. Daß aber gerade keine klare Trennlinie gezogen werden kann, wird belegt durch die Tatsache, daß Graduiertenschulen und Forschungscluster an 19 Universitäten bewilligt worden sind. Es gibt also nicht etwa einen Qualitätsunterschied derart, daß nur an den Universitäten in München und Karlsruhe Exzellenz vorhanden beziehungsweise zu erwarten wäre. In München sind vier beziehungsweise drei "Leuchttürme", in Karlsruhe zwei ausgemacht. Wo aber ist der Unterschied zu Aachen mit drei und Bonn, Gießen, Dresden, Heidelberg und der Medizinischen Hochschule Hannover mit je zwei? Auch diejenigen, die nur mit einem Antrag erfolgreich waren (Kiel, die Berliner FU, TU und HU, Göttingen, Frankfurt, Würzburg, Mannheim, Erlangen-Nürnberg, Freiburg und Konstanz), liegen nicht etwa meilenweit zurück.

Der Wettbewerb um Graduiertenschulen und Forschungsschwerpunkte hat zu erfreulichen Aktivitäten in den Hochschulen geführt. Die Entscheidungen über die Graduiertenschulen und die Exzellenzcluster sind ebenso zu akzeptieren wie andere Urteile über Anträge auf Förderung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat haben sich über Jahrzehnte in solchen Prozessen bewährt.

Von der Politik wurde entschieden, eine dritte Stufe vorzusehen, nämlich die Kür von Spitzen- beziehungsweise Eliteuniversitäten. Das konnte den Eindruck erwecken, als erwarte man, daß es Universitäten gäbe, die als Ganze exzellent seien. Das werden selbst die drei Sieger nicht für sich in Anspruch nehmen. Das eine oder andere Fach ist an anderer Stelle mindestens ebenso gut, möglicherweise sogar besser aufgestellt. Den Politikern in Bund und Ländern mußte klar sein, daß es Verlierer unter den 16 Ländern geben würde, als sie sich darauf einließen, daß "bis zu zehn" Universitäten als Ganze gefördert werden sollten.

Das Geschrei zum jetzigen Zeitpunkt kommt zu spät. Aus der Staatskanzlei eines norddeutschen Flächenstaates war vorab zu hören, daß entscheidend sei, ob man in den beiden ersten Förderstufen dabei sei; der Elitestatus interessiere gar nicht so sehr. Das zeugt von einer bemerkenswerten Ahnungslosigkeit, wie die Entscheidungen von Wettbewerben in der Öffentlichkeit aufgenommen und verarbeitet werden: Da werden aus dem Sport übernommene Begriffe eingesetzt. Die Differenzierung in eine 1. Liga und Absteiger ist fast zwangsläufig.

Auch die Universitäten haben es versäumt, rechtzeitig auf die Tücken des Verfahrens aufmerksam zu machen. Bei der Hochschulrektorenkonferenz hat das sehr persönliche Gründe: Der Präsident war zu der Zeit, als man den Finger hätte heben müssen, zurückgetreten. Der amtierende Vizepräsident und ein anderes Mitglied des Präsidiums, das sonst seiner Stimme Nachdruck zu verleihen versteht, waren mit ihren Universitäten (Aachen und Heidelberg) unter den zehn in der Vorrunde. Warum sollten ausgerechnet sie das Verfahren in Frage stellen. Andere, deren Institutionen nicht mehr im Rennen waren (von 27 Universitäten aus zehn Ländern waren zehn in die Vorauswahl gekommen), hätten sich bei einer Intervention dem Vorwurf ausgesetzt, schlechte Verlierer zu sein.

Richtig nämlich wäre gewesen, die dritte Stufe auszusetzen oder sie gar nicht in Angriff zu nehmen. So wirkt das Verfahren planwirtschaftlich. Und das ist auch kein Wunder. Gestartet wurde es nämlich Anfang 2004 von der früheren Bundesbildungsministerin Bulmahn, SPD, mit der absurden Vorstellung, eine Spitzenuniversität neu zu gründen. Im Lauf der Diskussion kam man dann auf fünf, letztlich auf die Vorgabe "bis zu zehn". Als ob man eine solche Zäsur willkürlich vornehmen könnte. Spitzenuniversitäten werden nicht ernannt, sondern entwickeln sich. Eine Unzahl von mehr oder weniger glücklichen Versuchen, Universitäten zu "ranken", führt immer wieder zu der Erkenntnis, daß man nicht ganze Institutionen vergleichen kann, sondern immer nur Fächer oder Fachgruppen. Danach kann man eine grobe Einteilung derart vornehmen, daß Fächer an bestimmten Universitäten "Spitze" sind, an anderen ordentlicher Durchschnitt und an einigen auch einmal weniger gut. Wenn man nach den Bewilligungen in den ersten beiden Förderstufen die Ergebnisse abgewartet hätte, wären die bereits vorhandenen Erkenntnisse von Rankings vermutlich größtenteils bestätigt worden. Eine nicht von vornherein feststehende Zahl von Universitäten hätte dann mehr herausragende Bereiche als andere. Die Entwicklung zu Spitzenuniversitäten wäre organisch verlaufen. So ist es auch in der Geschichte der uns ständig als Vorbild vorgehaltenen US-amerikanischen Eliteuniversitäten gewesen. Sie sind weder vom Himmel gefallen noch durch wen auch immer in den Adelsstand erhoben worden. Sie haben sich entwickelt - step by step.

Foto: Elitenschmiede? Nach einem bundesweiten Auswahlverfahren wurde die Karlsruher Universität als eine von drei sogenannten Eliteuniversitäten ausgewählt. (vario-press)


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