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18.11.06 / Freiheitskampf ohne Schwert / Königin Luise ebnete den Weg zum modernen Staat

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. November 2006

Freiheitskampf ohne Schwert
Königin Luise ebnete den Weg zum modernen Staat
von Rebecca Bellano

Jedes Land hat seine Freiheitskämpfer. Die meisten von ihnen kämpften gegen eine fremde Macht, einige gegen einen Unterdrücker im eigenen Land, andere hingegen mußten sich gegen Mächte von innen und außen wehren. Die Inder verehren Mahatma Gandhi, die meisten Lateinamerikaner Simon Bolivar, die Iren haben so viele Freiheitskämpfer, daß sie manchmal selbst den Überblick verlieren. Nicht nur zum Bedauern von Alice Schwarzer und Co. sind jedoch die meisten auch international bekannten Kämpfer für die Freiheit männlich. Allenfalls die Franzosen können mit Johanna von Orléans (1412-1431) aufwarten, die weit über die französischen Grenzen hinweg bekannt ist und auch bei jungen Menschen zumindest ein "Ach die" entlockt.

Doch ist es angesichts des 200. Jahrestages der Niederlage Preußens gegenüber dem napoleonischen Frankreich nicht vielleicht angebracht, den Blick auf eine Frau zu werfen, die durchaus auf ihre Weise für die Freiheit ihres Heimatlandes kämpfte? Der Vergleich Luises von Preußens mit dem französischen Bauernmädchen Jeanne d'Arc dürfte allerdings gleich von zwei, sich konträr gegenüberstehenden Lagern Widerspruch provozieren, trotzdem ist er nicht aus der Luft gegriffen.

Noch während Alice Schwarzer und Co. sich vehement dagegen aussprechen dürften, die als brav ergebene Gattin und fürsorgende Mutter von zehn Kindern bekannte preußische Königin als Freiheitskämpfern zu bezeichnen, mag der Vergleich auch Verehrern der Königin mißfallen. Diese sanftmütige Schönheit mit einem Bauernmädchen zu messen, das um sich reden machte, weil es himmlische Stimmen zu vernehmen behauptete, die es aufriefen, das Schwert gegen die englischen Unterdrücker zu führen, klingt für Luisen-Bewunderer bestimmt dreist. Allen anderen dürften derartige Vergleiche herzlich egal sein, da die wenigsten wissen, wer die gebürtige Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz überhaupt war, geschweige denn, was sie geleistet hat.

Das war jedoch nicht immer so. Im 19. Jahrhundert und auch in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde ein Luisen-Kult gepflegt, der der 1810, im Alter von 34 Jahren verstorbenen Königin für die Beurteilung ihrer Person in unserer Gegenwart eher geschadet hat. Damals wurde Luise wegen ihrer patriotischen Tugend und hehren Moral auf ein Podest bürgerlich-nationaler Verehrung gehoben. Dies löste vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ob nun der "patriotischen Tugend", "hehren Moral" oder "bürgerlich-nationalen Vehrung" wegen, von vorn bis hinten Befremden, wenn nicht sogar Ablehnung aus. Luise wurde eher als ein leerer, wenn auch schöner Puppenkopf gesehen, der seinem Mann untertänig war, in 15 Jahren zehn Kinder gebar, ständig kränklich, oberflächlich, ungebildet, der Vergnügungssucht hingegeben und naiv religiös war.

Inzwischen neigen Kenner der deutschen Geschichte dazu, die preußische Königin weder in die eine noch in die andere Richtung zu überzeichnen. Sie war eine Frau ihrer Zeit und ihres Umfeldes, die, und das ist ohne Zweifel, es durchaus versucht hat, für ihr Vaterland und dessen Bewohner zu kämpfen. Daß ihr hier nur beschränkte Mittel zur Verfügung standen, sie aufgrund ihrer Herkunft nicht wie Johanna von Orléans zum Schwert greifen konnte, sondern ihre einzige Waffen ihr weiblicher Charme und ihre Schönheit waren, müßten auch Feministinnen, die derartiges verachten, anerkennen.

Und auch für die heutige Jugend bietet vor allem die junge Prinzessin Anknüpfungspunkte. Luise war als Kind und Jugendliche ein Wirbelwind, ihr häuslicher Privatunterricht bei einer biederen Erzieherin reizte sie nicht sonderlich, Luises Rechtschreibung war stark verbesserungsfähig, von Etikette hielt die junge Dame nicht viel. Frisch vermählt liebte sie Hoffeste, tanzte bis in den Morgen hinein und war von der Häuslichkeit ihres biederen Gatten wenig angetan. Kronprinz Friedrich Wilhelm strebte das gegenteilige Leben seines Vaters an, der ausschweifend lebte, nicht nur mehrere Mätressen, sondern auch Ehefrauen nebeneinander hatte. Doch Luise fügte sich den Neigungen ihres sparsamen Gatten, und selbst als Napoleon Preußen bedrohte, bat sie ihn nur, mutig entgegenzuschreiten, rebellierte jedoch nicht offen. Trotzdem sprach Napoleon, wenn er von Preußens Regierung redete, abfällig vom "Weiberregiment", denn es war ein offenes Geheimnis, daß König Friedrich Wilhelm III., wenn er sich denn mal zu einer, meist zu späten Entscheidung durchrang, von seiner Frau beeinflußt worden war. Auch die anfangs guten Beziehungen zu Rußland waren Luise zu verdanken, die Zar Alexander I. erst verehrte, später bewußt zum Nutzen Preußens an sich band.

Luise war eine der wenigen preußischen Königinnen, die Kriegsschauplätze besuchte, und sich somit auch der Gefahr aussetzte. Dies tat sie jedoch aus ihrem eigenen Wollen heraus, ihr Bitt-Besuch beim Sieger Napoleon 1807 in Tilsit soll hingegen auf Wunsch verzweifelter preußischer Diplomaten zustandegekommen sein, die hofften, daß die Königin mehr erreichen würde als ihr hölzerner Mann. "Sie versammelt alle unsere großen Männer um sich, die der König vernachlässigt, und von denen doch nur allein Rettung kommen kann, ja, sie ist es, die das, was noch nicht zusammengestürzt ist, hält", schrieb General von Kleist damals seiner Schwester, was offenbart, daß man der jungen Frau mehr zutraute als ihrem Ehemann, dem König. Und auch wenn Luise bei Napoleon trotz Erniedrigung nichts erreichte außer immerhin seiner Anerkennung für ihr Tun, so hat sie Preußen trotzdem gestärkt. Denn neben der Tatsache, daß sie Stück für Stück die die Lage nicht erkennenden, vor allem machtbesessenen Berater ihres Mannes gegen Reformer wie Hardenberg austauschte, gelang es ihr, die Bewohner ihres Landes für sich einzunehmen, ein Nationalgefühl zu schaffen, das erst die Bereitschaft für die zu durchstehenden Leiden zugunsten Preußens ermöglichte.

"Mir kommen die Tränen, wenn ich an die Zukunft denke, meine armen Kinder!" "Die Krone hat für mich nicht den großen Reiz ..." Sätze wie diese vermitteln im Zusammenhang mit den Taten Luises noch heute einen Eindruck, daß die liebende Mutter wie eine Löwin bereit war, die Heimat ihrer Kinder mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Und auch wenn sie nicht wie Jeanne d'Arc auf dem Scheiterhaufen endete, so hat die Getriebene sich so sehr für ihre Ziele aufgerieben, daß sie früh den Strapazen erlag.

 

Zeitzeugen

Friedrich Wilhelm III. - Preußens König war seit 1793 mit Luise verheiratet. Seine Neutralitätspolitik gegenüber Frankreich sicherte Preußen aber nur kurzfristig Landzuwachs. Preußen geriet dadurch immer mehr in eine außenpolitische Isolation. Der König trug wegen seiner späten Abwehrbereitschaft an der Niederlage Preußens im Jahr 1806 eine erhebliche Schuld.

Carl August Fürst von Hardenberg - Er gehört neben Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein zu den preußischen Reformern. Hardenberg (1750-1822) war Staatskanzler. Die Stein-Hardenbergschen Reformen führten zur Gewerbefreiheit und Bauernbefreiung. Hardenberg reorganisierte nach dem Wiener Kongreß - er erreichte hier für Preußen Gebietszuwächse - die Verwaltung.

Zar Alexander I. Pawlowitsch - Der Zar (1777-1825) war einer der großen Gegenspieler Napoleons. Der wankelmütige Freund Preußens vermittelte, nachdem die Truppen Rußlands und Preußens bereits über die Memel zurückgedrängt waren, den Tilsiter Frieden von 1807. Der Frieden mit Frankreich sicherte dem Zaren die Türkei als Einflußbereich zu. 1812 kam es zum Bruch. Die französischen Truppen, zunächst bis nach Moskau hinein siegreich, mußten sich von Hunger und Epidemien gezeichnet aus Rußland verlustreich zurückziehen. Von einst 250000 Mann erreichten nur 40000 die preußische Grenze.

Johann Wolfgang von Goethe - Der Dichter und Staatsmann (1794-1832) erlebte in Weimar 1806 nach der Schlacht von Jena das Marodieren der französischen Soldaten. Der Träger des Kreuzes der französischen Ehrenlegion (1808) war indessen weder ein Freund Frankreichs noch ein Anhänger der aufkeimenden patriotischen Bewegung in Deutschland. Goethe blieb, was er war: neutraler Zeitzeuge, Dichter ("Faust" 1806), Wissenschaftler und Liebhaber.

Napoleon I. - Er veränderte den europäischen Kontinent vollständig. Auch Preußens Reformen sind ohne die Niederlagen gegen Napoleons Truppen kaum denkbar. Teile seines Rechtssystems sind noch heute in Deutschland gültig.


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