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18.11.06 / Mehr scheinen als sein

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. November 2006

Mehr scheinen als sein

Mehr sein als scheinen, lautet eine preußische Tugend. Vor 200 Jahren, das heißt bis zur Stunde der Wahrheit von Jena und Auerstedt, galt in Preußens Armee jedoch eher das Gegenteil. Das spiegelte sich selbst in der Bewaffnung. So waren die Gewehre ganz gerade und kurz geschaftet. Der Vorteil war, daß die Geradlinigkeit - im wahrsten Sinne des Wortes - bei Paraden dem Auge schmeichelte. Der Nachteil, daß darunter die Funktionsfähigkeit litt, weil das Anlegen und Zielen erschwert wurde, galt dabei als sekundär. Noch unbrauchbarer machte man die Gewehre dadurch, daß man das Spiel durch die Lockerung der Verbindungsteile erhöhte, damit das imponierende Klappern beim Griffekloppen verstärkt wurde.

Die buchstäbliche Oberflächlichkeit der damaligen preußischen Armeeführung, die Form vor Inhalt setzte, wird auch in der Beurteilung der Franzosen deutlich. So mokierten sich viele ordnungsliebende Preußen darüber, daß die französischen Soldaten das Haar nicht etwa ordnungsgemäß zum Zopf geflochten trügen, sondern mit wirrer Mähne daherkämen. Ebenso wurde kritisiert, daß vielen von ihnen die Uniformstücke nachlässig am Leibe hingen.

Wie es jedoch buchstäblich unter der Oberfläche, nämlich in den Franzosen aussah, ihr Geist, ihre Motivation, wurde bei aller Kritik ignoriert. Und dabei liegt neben allem Skurrilen und Anekdotischen gerade darin die entscheidende Ursache für die damalige Überlegenheit Frankreichs. Während die preußische Armee aus gepreßten Leibeigenen und gemieteten Söldnern bestand, die mit Prügel zum Kampf angehalten werden mußten, kämpften auf französischer Seite wehrpflichtige Landeskinder.

Vor Napoleons Kaiserkrönung kämpften sie für die Ideale der Französischen Revolution und die Rechte, die ihnen die Republik gewährte.

Nach der Krönung kämpften sie vor allem für ihren Kaiser als Verkörperung der Größe Frankreichs - und für ihren eigenen Aufstieg, denn anders als in Preußen trug in Frankreich jeder Soldat den Marschallstab im Tornister.

Dieses Leistungsprinzip war nicht nur ein zusätzlicher Ansporn, sondern gebar auch eine bessere militärische Führung als jene Preußens, die sich nur durch adelige Herkunft und Dienstalter auszeichnete. M. R.


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