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18.11.06 / Presse unter dem Auge des Kreml / Arbeitsbedingungen für Journalisten in Rußland haben sich weiter verschlechtert

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. November 2006

Presse unter dem Auge des Kreml
Arbeitsbedingungen für Journalisten in Rußland haben sich weiter verschlechtert
von M. Rosenthal-Kappi

Wenn Präsident Putin bei Auslandsaufenthalten von Journalisten oder Politikern auf die fehlende Pressefreiheit in seinem Land angesprochen wird, antwortet er stets souverän, er setze sich selbstverständlich für die schrittweise Liberaliserung der Medien ein. Von einer Zensur könne im heutigen Rußland überhaupt keine Rede mehr sein. Das gehöre in die Zeit des Kommunisums, in der ausnahmslos alle Medien vom KGB kontrolliert wurden. Heute sei dies beim besten Willen nicht mehr möglich, allein schon aufgrund der Fülle an Publikationen in TV, Funk, Internet und Printmedien sowohl in den Stadtzentren als auch in den Regionen. Heute gibt es insgesamt 300000 Radio-Tele-Gesellschaften in Rußland. Die Tatsache, daß hinter russischen Medien mächtige Indutriellengruppen stecken, sieht Putin eher als Garant für Meinungsfreiheit und Vielfalt. Antidemokratische Strömungen mag er nicht erkennen.

Die Tatsachen sprechen jedoch eine andere Sprache. Die nichtstaatliche Organisation "Reporter ohne Grenzen" veröffentlichte jüngst ihren Jahresbericht mit dem jährlichen Rating zum Thema "Pressefreiheit". Unter den 168 bewerteten Staaten erreichte Rußland lediglich Rang 147, verlor damit gegenüber dem Vorjahr zehn Plätze und schnitt damit wesentlich schlechter ab als andere ehemalige Sowjetstaaten wie die Ukraine (104) oder Georgien (89).

Zu den Gründen für das miese Abschneiden gehören neben den verschlechterten Arbeitsbedingungen für Journalisten die Unterbindung der Berichterstattung über Tschetschenien - jüngstes Opfer wurde die unabhängige Journalistin Anna Politkowskaja, die schon in den vergangenen Jahren über die Mißstände in Tschetschenien berichtet hatte - sowie das fortschreitende Bestreben der Regierung, Kontrolle über die Medien zu erlangen. Der Trend, Differenzen mit Journalisten mittels eines Auftragskillers anstatt juristisch zu klären, hält schon seit einigen Jahren an. Im Westen wurden nur einige wenige Journalistenmorde bekannt wie der an dem russischstämmigen US-Bürger Paul Chlebnikow im vergangenen Jahr, der als Chef des "Forbes"-Magazins in Moskau tätig war. Bis heute blieb der Fall ungelöst. In diesem Jahr fanden neben Politkowskaja zwei weitere Menschen - der Kameramann eines Rostower Fernsehsenders sowie der Reporter einer Dagestaner Wochenzeitung - in der Ausübung ihres Berufs den Tod. Acht weitere Journalisten wurden gewaltsam attackiert und acht verhaftet. Die anwachsende Gewalt, von einem Klima der Straffreiheit begleitet, zwingt Journalisten dazu, eine weitgehende Selbstzensur zu üben, wenn sie überleben wollen.

Betrachtet man die Entwicklung der Pressefreiheit seit dem Zerfall der Sowjetunion, so läßt sich feststellen, daß sich die Regierungsstile der jeweiligen politischen Ära in den Rahmenbedingungen der Pressearbeit widerspiegeln: Mitte der 80er Jahre, in der Zeit von Glasnost und Perestrojka, entwickelten sich die russischen Medien von einem Mittel der Parteipropaganda zu einem Forum verschiedener Meinungen. In der Jelzin-Ära wurden dann die wichtigsten Medien von Oligarchen kontrolliert, die sie als Mittel ihrer Machtkämpfe und zur Durchsetzung eigener Interessen nutzten. Seit dem Amtsantritt Putins wurde die staatliche Kontrolle über die Medien leise aber stetig immer weiter ausgebaut. Die drei wichtigsten Fernsehsender ORT, Rossija und NTV sowie viele Printmedien unterstehen entweder direkt oder durch staatliche Konzerne wie "Gasprom" dem Staat und vertreten dessen nationale Wirtschaftsinteressen. Kremlkritische Medien haben es in dieser Situation schwer. Sie verfügen nicht über die finanziellen Mittel wie die Konkurrenzblätter der Energieriesen. Die Kaufkraft der Leser ist gering, die Anzeigenauftragslage schlecht - möglicherweise wegen der Furcht der Inserenten vor Verfolgung durch die Behörden -, so daß kritische Medien sich zumeist am Rande der wirtschaftlichen Existenz bewegen. Sie sind oft auf ausländische Unterstützung angewiesen. Zu den üblichen Drangsalierungsmethoden gegen sie gehört das Filzen der Redaktionen durch Steuerbehörden oder die Schließung eines Verlags. Ferner kann die Weigerung der meist staatlichen Druckereien das "Aus" bedeuten. Auf diese Weise wird eine Zeitung oder ein Fernsehsender in den Ruin getrieben. Danach ist es ein leichtes für dem Präsidenten nahestehende, kapitalstarke staatliche Industrielle, ein bis dahin unabhängiges Presseorgan zu übernehmen.

Daß die russische Presse ihren Einfluß auf die Gesellschaft einbüßt, kann fatale Folgen haben. Die Bevölkerung vertraut inzwischen den Worten ihres Präsidenten, der vor allem die Berichterstattung im Fernsehen maßgeblich prägt, mehr als den Medien. Auch den Mord an Anna Politkowskaja haben laut Meinungsforschungsinstitut "Levada" nur wenige Russen bewußt verfolgt. In der Umfrage gab über die Hälfte der Teilnehmer an, ihre Artikel nicht gelesen zu haben. Lediglich Personen über 40 behaupteten, mit Wut und Empörung reagiert zu haben, Menschen zwischen 18 und 24 zeigten sich gleichgültig gegenüber der Ermordung.

Als wirklich freies Medium bleibt lediglich das Internet, dessen Kontrolle für den Staat nicht so leicht zu bewerkstelligen ist.

Weil sie zuviel Zivilcourage zeigte Sie war die prominenteste Journalistin der russischen Oppositionszeitung "Nowaja Gaseta". Anna Politkowskaja wurde am 7. Oktober im Eingang ihres Hauses in Moskau von unbekannten Tätern erschossen. Die Veröffentlichung ihres Berichts über Tschetschenien stand kurz bevor. Die 1958 in New York geborene Anna Politkowskaja arbeitete als Reporterin, Buchautorin und als Aktivistin für Menschenrechte. Sie veröffentlichte Bücher über den Krieg in Tschetschenien, deckte couragiert Korruption im Verteidigungsministerium und dem Oberkommando der Streitkräfte in Tschetschenien sowie Menschenrechtsverletzungen auf. 2002 bot sie sich als Vermittlerin im Moskauer Geiseldrama an. Auf dem Flug nach Moskau wurde ein Giftanschlag auf sie verübt. Sie setzte ihre Arbeit dennoch unermüdlich fort. "Sie hatte ein Herz für Menschen, nicht für Herrscher", wird sie im "Königsberger Express" beschrieben.


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