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25.11.06 / Meine Freunde die Meckerer

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. November 2006

"Moment mal!"
Meine Freunde die Meckerer
von Klaus Rainer Röhl

Ich habe einen Freund, der ständig meckert. Wenn er mit dem Auto unterwegs ist, hat er sein Beschwerdebüchlein stets rechts neben sich, um die Nummern der Überholsünder zu notieren. Wenigstens für sich. Da murmelt er die Verwünschungen nur vor sich hin. Wenn einer dabei ist, meckert er laut: "Der fährt doch viel zu schnell. Immer auf der Überholspur. Hier ist 100 vorgeschrieben. 100 und nicht 140. Peng! Jetzt überholt er doch rechts. Nun reicht's mir aber. Den müßte man mal."

Mein Freund schreibt ununterbrochen Leserbriefe an die Lokalzeitung. Wie sollen die Pendler die Benzinpreiserhöhung verkraften, wenn es im ganzen Ort keinen Busanschluß gibt? Und die neuen Straßenschilder an der Ausfahrt Erkelenz-Süd sind doch die reine Verarschung. Was heißt hier Süd? Es gibt doch gar keine Ausfahrt Erkelenz-Nord.

Wenn meine Freundin im Supermarkt einkaufen geht, kontrolliert sie als erstes die Verfallsdaten auf den Packungen. Absichtlich ganz klein gedruckt. Oder nur kaum sichtbar, eingepreßt auf der Rückseite. Na, was sag ich? Morgen abgelaufen, das wird aber Zeit. Und die Angaben über die Zusatzstoffe. Meine Güte, da ist ja' ne ganze Chemiefabrik drin in einem einzigen Kartoffelsalat. Ohne Konservierungsmittel? Das kann gar nicht sein, da wäre der Salat ja längst verschimmelt. Das schreiben sie nur so drauf. Wie "Öko!"

Wenn mein Freund die Stadtbibliothek, das Schwimmbad, das Krankenhaus betritt, hat er die Benutzerordnung fest im Blick: "Das geht nicht, mein Lieber. Das kann ich Ihnen nachweisen, das dürfen Sie überhaupt nicht, so geht das nun nicht! Interessiert Sie wohl nicht, klar, Sie sind ja unkündbar!"

Eine Freundin schreibt Briefe an die zuständigen Minister der Länder, die sie bereist. Wenn sie in Griechenland war, schreibt sie an das Tourismus-Ministerium, daß das Denkmal für die bayrischen Soldaten in Navplion von 1847 ganz mit Unkraut überwachsen ist und was das für einen Eindruck auf die deutschen Touristen machen soll, besonders auf die Bayern. Wenn sie in Südafrika war, bekommt die Gesundheitsministerin Post von meiner Freundin, was sie dagegen zu tun gedenkt, daß in vielen Schulen schon die zehnjährigen Mädchen aidskrank sind und viele Dörfer bereits nur noch aus alten Leuten bestehen. In Korsika macht sie den Behörden Vorwürfe, daß der Nacktbadestrand allmählich von Algen überwuchert wird, an der Adria-Küste, bekommt die italienische Regierung zu lesen, breiten sich blutrote Felder von gefährlichen Feuerquallen aus, die jedes Baden zur Qual machen, immer Ende August, wenn die italienische Urlaubssaison zu Ende ist. Dann werden die Flüsse ungefiltert in die Adria eingeleitet, mutmaßt meine Freundin.

Und dann die Bundesbahn. Immer unpünktlich. Mein Freund schreibt das genau auf. Und alle Durchsagen auf Englisch. Natürlich mit falscher Aussprache. Wo hat die Dame wohl Englisch gelernt? Möchte ich gerne wissen. Auf dem Bahnhof auch am liebsten alles Englisch. Und dann noch in so einem dümmlichen, verpopten Englisch, daß die Engländer nur lachen könnten.

Servicepoint statt Kartenverkauf. Mister McClean statt Bahnhofsklo. Und der Mann bei der Auskunft heißt Operator! Täglich kommen neue Blödheiten dazu. Kein Wunder, wenn die Enkelkinder zum Geburtstag kommen, singen sie auch nur dieses plärrende, unmelodische "Happy birthday to you." Statt "hoch soll er leben!" Armes Deutschland.

Meine Freunde gehören zu den Konservativen, zur Mehrheit der Bevölkerung also, die auch in der SPD reichlich vertreten ist. Deren Meinung aber, trotz großer Koalition, weder von der Regierung noch von den Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsendern beachtet wird. Darum meckern sie.

Doch das Meckern ist keineswegs ein Privileg der Konservativen. Eine Freundin hat ein Haus auf Sylt, sie lebt also in der besten aller Welten. Jedenfalls der teuersten. Trotzdem zählt sie sich zu jener Minderheit, die sieben Jahre lang die Politik der Bundesregierung bestimmt hat und die auch heute noch überproportional in allen Medien präsent ist, den Grünen. Auch sie meckert. Nur, auf Sylt meckert man anders. Man meckert über die Kurgäste, über die Dauergäste, die vielen Zugezogenen, über den Bauboom, über die Konkurse, über die vielen Autos auf der Insel. Über die Abgase, über die Umweltverschmutzung. Nicht nur im Watt, im Meer, auch in der Luft. Der saure Regen, der Elektrosmog durch die vielen Handys. Oben ist die Ozonschicht, die immer dünner wird, eine tödliche Bedrohung, unten direkt auf der Erde kriecht das unsichtbare Ozon heran, eine tödliche Bedrohung. Oben zu wenig Ozon, unten zu viel Ozon. Wo soll man hin? Die meisten Sylter meinen, man müsse eigentlich nach Amrum. Oder auf die Halligen. Aber niemand geht nach Amrum. So bleiben sie auf Sylt und meckern.

Wenn meine Freundin mit mir auf den alternativen Bauernhof geht, um echte unbehandelte Milch zu holen, fürchtet sie, daß auch die unbehandelte Milch gefährlich ist, weil das Viehfutter durch die Luft "belastet" ist. So oder so kaputt. Gehen wir am Deich spazieren, sucht sie das Watt nach Ölspuren und nach verölten, verendeten Seevögeln ab, und natürlich nach Opfern der Vogelgrippe. Sie und alle ihre Bekannten und Mitkämpfer fühlen sich ständig bedroht durch alles. Durch die überall, in der Nahrung ebenso wie in der Luft, im Holz und der Lackierung steckenden Giftstoffe, Zusatzstoffe, Krankheitserreger und vor

allem den durch alle Verbote nicht kaputtzukriegenden Geschäftssinn: den Kapitalismus.

Nun haben die seit 35 Jahren im ganzen Land tätigen grünalternativen Meckerer 1998 eine Regierung gehabt und sieben Jahre lang Zeit. Aber was ist passiert? Nichts.

Zum Glück. Denn was in den sieben Jahren rot-grüner Regierung nur angepeilt, aber gottlob nie verwirklicht wurde, war die "gerechte Gesellschaft", eine uralte Schreibtisch- und Schnapsidee. Jedem ein Stück vom Kuchen. Also der Verteiler-Staat. Mit Umverteilung und Zuteilung, Verboten und Kontrollen. Also viel Bürokratie, Steuern und Umsteuern.

Das alles hatten die Menschen in der sogenannten "Deutschen Demokratischen Republik", die sich aus gutem Grund lieber mit ihrer Abkürzung DDR schrieb, schon ausprobiert. Der Kuchen, der da zu verteilen war, also die Produktion von Maschinen, Gebrauchsgegenständen und Nahrungsmitteln, war dabei immer kleiner geworden und die Anzahl der Kontrolleure immer größer. Wenn man mit Ach und Krach ein paar Salatköpfe oder Kirschen, Autos oder Kühlschränke produziert hatte, wurde ihre Verteilung so lange verwaltet, bis am Ende gar nichts mehr übrig blieb. Nicht einmal Zwiebeln oder Kartoffeln. Warum gibt es keine Kartoffeln in ausreichender Qualität? Antwort: Weil die Amerikaner mit Flugzeugen ganze Ladungen voll Kartoffelkäfern über der DDR abgeworfen haben. Warum gibt es keine Zwiebeln zu kaufen? Antwort: Die Versorgung mit Zwiebeln ist zur Zeit Schwerpunkt. Da arbeiten wir dran. Zwiebeln sind Schwerpunkt, das hieß: Es gibt keine Zwiebeln. Alles vergessen?

Die "Bonzen", die Kontrolleure und Verteiler, waren die meistgehaßten Mitbürger. Da war nichts mehr zu machen. Alle kuckten ganz genau hin und alle schrieben mit und alle merkten sich die Lügen und die Unfähigkeit der Verteiler. Gegen den Kommunismus in Deutschland erhob sich im ganzen Land ein Heer von Meckerern. Am Ende füllten sie jeden Montag die ganze Stadt Leipzig, schließlich die ganze Deutsche Demokratische Republik. Sie waren das Volk. Ändern die Meckerer die Welt? Offenbar ja. Bekanntlich war es Josef Goebbels, der einst

zum unerbittlichen Kampf gegen Meckerer und Miesmacher aufgerufen hatte, der größten Gefahr für jede Diktatur. Flüsternd wurden die Meckereien und unbequemen Wahrheiten über die Lage verbreitet. "Wer flüstert, der lügt", hieß Goebbels' griffige Parole. Gegen die vielen tausend kleinen Meckerer und Miesmacher und ihre Unlust, sich von der Propaganda vereinnahmen zu lassen. Gegen ihre kleinliche Kritik an den großartigen Vorhaben der Partei, ihre respektlosen Witze übe die Bonzen und ihre Führer, gegen ihre egoistischen Überlebenskünste und listigen Ausreden war die Gestapo machtlos. Sie waren der meckernde, flüsternde, nie nachlassende, der eigentliche Widerstand.

Deshalb meckert weiter, meine Freunde, Meckerer und Miesmacher dieser Republik. Gegen nachwachsenden Hanf und nachwachsenden Unsinn. Gegen politische Korrektheit und unkorrekte Steuern, gegen Kürzung der Renten und Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Ohne euch, der ewig nörgelnden, meckernden Bürgerinitiative in unserem Land bekämen wir eines Tages doch noch eine rot-rote Volksfront-Regierung. Benzin auf Marken, Wohnungen auf Bezugsschein, Arbeitsplätze auf Zuteilung. Eine andere Republik.

Foto: Querulant oder Weltverbesserer? Ein aufgebrachter älterer Mann (photothek)


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