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25.11.06 / "Einer muß der Bluthund werden" / Vor 60 Jahren starb der einzige Reichswehrminister der SPD, Gustav Noske

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. November 2006

"Einer muß der Bluthund werden"
Vor 60 Jahren starb der einzige Reichswehrminister der SPD, Gustav Noske
von Hans-Joachim von Leesen

Unsere Stellung zum Militärwesen ist gegeben durch unsere Auffassung des Nationalitätenprinzips. Wir fordern die Unabhängigkeit jeder Nation. Aber das bedingt, daß wir auch darauf Wert legen, daß die Unabhängigkeit des deutschen Volkes gewahrt wird. Wir sind selbstverständlich der Meinung, daß es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist, dafür zu sorgen, daß das deutsche Volk nicht von irgend einem anderen Volk an die Wand gedrückt wird."

Das waren 1907 im Deutschen Reichstag Äußerungen, die in der Öffentlichkeit Aufsehen erregten, denn sie stammten aus dem Munde des Sprechers der Sozialdemokratischen Fraktion für Militärfragen, des damals 39 Jahre alten Abgeordneten Gustav Noske. Das "Berliner Tageblatt" meinte, aus der Reichstagsrede müsse man den Eindruck gewinnen, "daß Noske eine ganz andere Auffassung von Welt und Menschen hat, als sie sonst in der Sozialdemokratie herkömmlich war". Es sei ein neuer Geist, der aus ihm spricht. Weder könne man ihn zu den Revisionisten zählen, noch zu den Vertretern der Gewerkschaftspolitik. "Vielleicht ist er nichts als eine Persönlichkeit."

Wer sich hier, zwei Jahre nachdem er zum ersten Male in den Reichstag gewählt worden war, zu Wort meldete, war in der Tat eine herausragende Persönlichkeit, die noch eine entscheidende Rolle in der Geschichte spielen sollte. Geboren wurde Gustav Noske am 9. Juli 1868 in Brandenburg an der Havel in ärmlichen Verhältnissen. Dennoch besuchte er die Bürgerschule (heute etwa Realschule) und lernte in Abendkursen Englisch und Französisch. Während er das Korbmacherhandwerk erlernte, eignete er sich durch intensive Lektüre umfangreiche Kenntnisse der Geschichte an. Ferdinand Lassalles Schriften beeinflußten ihn. Neben der Berufsausübung schrieb er Artikel für sozialdemokratische Zeitungen, bis er Redakteur, später Chefredakteur von SPD-Zeitungen in Königsberg und Chemnitz wurde. Als er wegen Beleidigung des Hofpredigers Adolf Stöcker drei Monate lang im Gefängnis saß, studierte er Marx' "Kapital". Später rühmte er sich, niemals Marx zitiert zu haben.

1906 stellte ihn die Chemnitzer Parteibasis gegen den Willen der Partei- und Gewerkschaftsführung als Kandidaten für den Reichstag auf. Er wurde gewählt und spezialisierte sich in Fragen des Haushaltsrechts, des Militärwesens und der Kolonien. Hier entwickelte er sich zu einem Fachmann mit eigenständigem Urteil, der sich, wenn in seinen Augen notwendig, nicht an die Parteilinie hielt. Wurde er dann von der Parteilinken angegriffen, konnte er sicher sein, daß ihn der Parteivorsitzende August Bebel deckte. Der Erste Weltkrieg war in seinen Augen ein Verteidigungskrieg. Daher war es für ihn selbstverständlich, für den deutschen Sieg einzutreten.

Als im Herbst 1918 die deutsche Front wie auch die Heimat erschöpft zusammenbrachen und linksextreme Gruppierungen aus der Meuterei von Matrosen der seit zwei Jahren tatenlos in den Häfen liegenden Großkampfschiffe eine Revolution zu machen sich bemühten, um nach dem Vorbild der Sowjetunion aus Deutschland eine Räterepublik zu machen, berief der kurz vorher zum Reichskanzler berufene Sozialdemokrat Friedrich Ebert Noske als Militärfachmann in den Rat der Volksbeauftragten. "Verlaßt Euch drauf, ich bringe Euch Berlin in Ordnung", war dessen berühmt gewordene Antwort. Wohl noch bekannter dürfte seine Reaktion auf die kurz danach erfolgte Ernennung zum Reichswehrminister sein: "Meinetwegen. Einer muß der Bluthund werden."

Angesichts des Machtvakuums - der neuen Regierung standen kaum bewaffnete Kräfte zur Verfügung, da das aus dem Felde zurückkehrende Heer zerfiel - verbündete sich Reichskanzler Ebert mit der Obersten Heeresleitung. Man war sich einig in dem Ziel, Deutschland als Staat zu retten und seine Bolschewisierung zu verhindern. Es blieb kein anderer Ausweg, als aus Freiwilligen Einheiten aufzustellen, die unter Führung fronterfahrener Offiziere bereit waren, die Ordnung im Lande wieder herzustellen. So entstanden die Freikorps, die zunächst in Berlin die Aufstände nach Verhängung des Standrechts niederschlugen und eine Stadt nach der anderen den Linksextremen entrissen. Unter ihrem Schutz konnte im Februar 1919 in Weimar die gewählte Nationalversammlung zusammentreten und im Juli die neue Reichsverfassung beschließen, womit der Grund für die Demokratie gelegt war.

Aber nicht nur linksextreme Kräfte im Reich versuchten mit Waffengewalt die Macht zu erringen. An der Ostgrenze bedrohten sowjetische Truppen Ostpreußen. Die bisher zum Reich gehörenden Provinzen Westpreußen und Posen waren bereits in polnische Hand geraten, nachdem die dort stationierten deutschen Truppen, zersetzt durch kommunistische Propaganda, kampflos die Gebiete geräumt hatten. Jetzt drängte Polen nach Schlesien, um noch vor den im Versailler Friedensvertrag festgesetzten Volksabstimmungen vollendete Tatsachen zu schaffen. Ihnen warfen sich Freikorps entgegen, da die Siegermächte den in Aufstellung befindlichen regulären Verbänden der Reichswehr das Betreten dieser Gebiete verboten hatten. Es gelang, die Angriffe aus dem Osten zu stoppen.

Während Polen sich bemühten, weitere Teile des Reiches zu okkupieren, riefen Linksextreme in Bayern die Räterepublik aus, zunächst geleitet von linken Literaten und anarchistischen Schwärmern. Nach deren Scheitern rissen Kommunisten, einige von ihnen aus der Sowjetunion entsandt, die Macht an sich. Damit, so eigene Verlautbarungen, sollte die "bairische Republik dem Beispiel der russischen und ungarischen Völker folgen". (In Ungarn hatten kurz vorher Kommunisten die Macht übernommen und eine Räterepublik proklamiert.) Eine "Rote Armee" schlug bei Dachau eine sozialdemokratische Truppe, die von der regulären nach Bamberg geflohenen Regierung entsandt worden war, in die Flucht. Endlich setzte Reichswehrminister Noske Freikorps in Marsch, die mit Unterstützung von Kampfflugzeugen und Panzerzügen München zunächst kriegsmäßig einschlossen und, als die Kommunisten begannen, bürgerliche und adelige Geiseln zu erschießen, zum Sturm antraten. Bezeichnend für die Härte der Kämpfe, die auf beiden Seiten eine große Anzahl von Opfern forderten, ist, daß eine Pionierkompanie unter Einsatz von Flammenwerfern das "Mathäserbräu" räumen mußte. München wurde nach Verhängung des Standrechts genommen, die Führer des kommunistischen Aufstandes, soweit aufgegriffen, erschossen oder erschlagen, andere vor Standgerichte gestellt und zum Tode oder später zu Festungshaft verurteilt; andere flohen in die UdSSR. Die bayerische Räterepublik kostete 719 Menschen das Leben, unter ihnen 121 Soldaten der Regierungstruppen.

Nachdem im Reich einigermaßen Ruhe eingekehrt war, schritt die Aufstellung der regulären Reichswehr fort. Nach und nach wurden die Freikorps aufgelöst.

Im März 1920 verlangten Freikorps umgehend Reichstagsneuwahlen, da die bisherige Besetzung des Reichstages nicht mehr den Gegebenheiten entspreche, die Bildung eines Kabinetts aus Fachleuten sowie die Direktwahl des Reichspräsidenten. Sowohl Reichspräsident Ebert als auch Reichswehrminister Noske lehnten ab, sich von den Soldaten politische Forderungen stellen zu lassen, und setzten General Walther Freiherr von Lüttwitz, den Sprecher der Freikorps, als Kommandeur des Gruppenkommandos I Berlin ab. Daraufhin versuchten einige Freikorps, darunter die Brigade Ehrhardt, die kurz vor der Auflösung stand, die Regierung zu stürzen. Ihr politischer Kopf war der ehemalige Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp. Der Putsch brach zusammen, weil die große Mehrheit der Reichswehrführung und der Truppen sich ebenso verweigerte wie die Reichsbehörden. Kapp floh ins Ausland.

Die Gewerkschaften riefen zum Generalstreik auf, dem sich sofort die Kommunistische Partei anschloß, die sich seit ihrer Gründung am 1. Januar 1919 auf den bewaffneten Umsturz vorbereitet hatte und glaubte, jetzt sei die revolutionäre Situation gekommen. Schnell entstand im Ruhrgebiet eine etwa 80000 Mann starke "Rote Armee", die auch über schwere Waffen verfügte. In schweren Kämpfen, in denen auf Seiten der Reichsregierung auch Freikorps eingesetzt wurden, die eben noch gegen sie geputscht hatten, wurde der Aufstand zerschlagen.

Minister Noske war schweren Angriffen der Kommunisten wie auch seiner Partei ausgesetzt, die ihm vorwarf, durch das Vertrauen, das er in das Offizierskorps gesetzt hatte, den Putsch von Kapp und Lüttwitz mit verursacht zu haben. Er mußte als Minister zurücktreten und wurde Oberpräsident der größten preußischen Provinz Hannover, ein Amt, das er bis Anfang 1933 nach allgemeiner Meinung vorzüglich ausfüllte.

Der nationalsozialistische neue preußische Ministerpräsident Hermann Göring versuchte, Noske zu gewinnen. Der lehnte ab und ging in den einstweiligen Ruhestand. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges erhielt er ein Drittel der Bezüge eines im Amt befindlichen Oberpräsidenten und litt daher keine Not.

Nach dem 20. Juli 1944 wurde er in Berlin inhaftiert, weil man ihn verdächtigte, von dem Putschversuch gewußt zu haben, was nicht der Fall war. Als die Rote Armee Berlin einzuschließen drohte, wurde er mit anderen politischen Häftlingen entlassen. Es wäre sein sicherer Tod gewesen, hätte die Sowjetarmee ihn gefaßt. Noske konnte, obwohl erkrankt, nach Hannover fliehen. Es erschienen - zunächst in der Schweiz - seine Erinnerungen "Erlebtes aus Aufstieg und Niedergang einer Demokratie", in der er herbe Kritik an seiner eigenen Partei übte.

Am 30. November 1946 starb er nach einem Schlaganfall. Er liegt auf dem Engesohdener Friedhof in Hannover begraben. Seine Partei verschweigt ihn, die Kommunisten verfluchen ihn, jenen sozialdemokratischen Reichswehrminister, durch dessen entschlossene Politik überhaupt erst die Gründung der Weimarer Demokratie möglich wurde.

Foto: Gustav Noske: Nach seinem Ausscheiden aus der Reichsregierung wurde der gebürtige Brandenburger Oberpräsident der preußischen Provinz Hannover. (DHM)


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